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nachDRUCK # 6

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Premierenkritik

Merde


ORPHEUS IN DER UNTERWELT
an der Staatsoper im Schiller Theater


Foto (c) Matthias Baus


Was muss man über Orpheus in der Unterwelt vom alten Offenbach (uraufgeführt am 21. Oktober 1858 in Offenbachs Théâtre des Bouffes-Parisiens) grundlegend sonst noch wissen? Dass er eine mit 14 Gesangssolisten, einem vierstimmigen Chor sowie großem Orchester besetzte Operette ist und mit solch einer derartigen Nummer wie dem sog. Höllen-Cancan bis heute gut bei Hörenden aller Couleurs ankommt; und dass sein Librettist auch kein Geringerer als Hector Crémieux, der auch den Text zur Carmen von Bizet verfasste, war... "Nachdem Offenbach für sein Theater aufgrund der Lizenzbestimmungen zwei Jahre lang Einakter komponiert hatte, war Orpheus das erste abendfüllende Werk und ein sensationeller Erfolg. Die Handlung persifliert die griechische Sage von Orpheus und Eurydike. Mit den Göttern des Olymp, die den Hades besuchen, um sich zu amüsieren, wird gleichzeitig die Doppelmoral der besseren Gesellschaft des Zweiten Kaiserreichs karikiert. Zur Zeit der Uraufführung konnten sich viele Personen der feinen Pariser Leute in dem Stück wiedererkennen. Die griechische Mythologie war ein beliebtes Gesprächsthema der besseren Gesellschaft, und Offenbach nahm mit seinem Orpheus den Kult um die Antike gehörig auf die Schippe." (s. Wikipedia)

Gabs da nicht vor paar Jahrzehnten mal einen der ausstattungsprächtigsten DEFA-Filme frei nach Offenbach & Orpheus, in dem Regisseur Horst Bonnet auf so Schauspieler-Koryphäen wie Rolf Hoppe (Jupiter), Lisa Macheiner (Juno) und Fred Düren (Styx) zurückgreifen konnte? Die wurden zwar dann bei den Sangesnummern - ziemlich unüberzeugend - mit den Stimmen von Opernsängern ausgestattet, aber in den übrigen und nicht ganz unscharfsinnig anzuhörenden Sprechdialogen glänzten sie dann umso mehr.

Die Operette besteht ja meistens aus so und so viel Musik und - darüber hinaus - aus vielem (schwachsinnigem) Sprechtext. Und gerade DAS macht eine Operette 1.) so sehr schwupsig, also unterhaltsam, ja und 2.) allerdings in ihrer Dargebrachtseinsweise "schwer" - und DARAN scheitern ambitionswillige Regisseure prinzipiell, falls sie dann irgendwie und was weiß ich aus was für irgendwelchem Grunde eine instinktive Abneigung zur Tante Operette hegen, pflegen usw. usf.

* * *

Nicht anders ging es dem Regiestar Philipp Stölzl (an dessen sensationellen Rienzi an der Deutschen Oper in der Bismarckstraße wir uns hier und jetzt besonders gern und stark erinnern)! Und er dachte so bei sich, also vielleicht, dass er das Operettensalz jetzt neu erfinden müsste - wie gesagt: wir wissen nicht, aus was für einem merkwürdigen instinktiven Grund er sowas tat - , und er bestellte also eine ganze Abordnung von Nachbearbeitern bzw. Umveränderern des Offenbach'schen Orpheus; und die reduzierten dieses locker-leichte Stück zu einem klitzekleinen Brocken Scheiße, um es gleich vorab in aller Drastik anzuzeigen: Das Orchester, beispielsweise, wurde von dem Team mit Christoph Israel, Ingo Ludwig Frenzel und Bernd Wefelmeyer auf 22 Instrumentalisten abgeschreckt; der Chor auf 17 Damen ausgedörrt- - alles in Allem für ein in der A-Klasse sich aufhaltendes Opernhaus von internationalem Rang womöglich etwas allzu dünn geraten; für die Größenordnung eines Tippi am Kanzleramt hingegen wiederum "zu üppig" - und wir munkeln augenblicklich, wo dann dieser Stölzl-Orpheus wohl am idealsten hingepasst hätte, ja und uns fällt da nur die Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz oder (sogar) Peymann's BE ein.

Und es wurde auch sehr viel und sehr-sehr heutig rumgesülzt und rumgelabert (Textfassung von Thomas Pigor). Am Ende war es eine lustlos-laue Schauspiel-Produktion mit untermalender Musik. Die hierfür engagierten großen oder kleinen Bühnen- oder Filmstars (Cornelius Obonya, Stefan Kurt, Ben Becker, Gustav Peter Wöhler, Hans-Michael Rehberg, Irene Rindje) konnten immerhin dann solche Sätze fallen lassen wie zum Beispiel diese hier: "Du kotzt mich an, künstlerisch wie menschlich" oder "Diesem Drecksack ist wirklich alles zuzutrauen" oder "Freund von Repressalien, und die Peitsche war mein Zuckerbrot" oder "Hallo, ihr geilen Nymphen" usf. - und DIESES wiederum fanden wir allerputziglichst. Den Schauspielern sah man dann allerdings mehr oder weniger ihr generelles Fremdsein mit der für sie sehr befremdlichen Materie an.

Evelin Novak war die scheinbar einzige Professionelle, was Gesang betrifft; sie zwitscherte Eurydike, etwas zu flattrig in den Höhen, aber wenigstens mit einer Operettenstimme. Dann gabs noch drei weitere Solistinnen (alias Diana, Amor, Venus); doch wie die dann sangen... ja und erst die Schauspieler - es klang ganz einfach Scheiße!!!

Julien Salemkour hielt Alle(s) ordentlich im Takt.

Das Bühnenbild von Conrad Moritz Reinhardt & Philipp Stölzl war das Allerbeste: aufklappbare Bilderbücher - muss man erst mal drauf kommen; perfekt.

Ansonsten - s. o.




ORPHEUS IN DER UNTERWELT in der Staatsoper im Schiller Theater - Foto (C) Matthias Baus

Andre Sokolowski - 17. Dezember 2011
ID 5545
ORPHEUS IN DER UNTERWELT (Staatsoper im Schiller Theater, 16.12.2011)
Arrangement von Christoph Israel, Ingo Ludwig Frenzel und Bernd Wefelmeyer / Textfassung von Thomas Pigor

Musikalische Leitung: Julien Salemkour
Inszenierung: Philipp Stölzl
Co-Regie | Choreographie: Mara Kurotschka
Bühnenbild: Conrad Moritz Reinhardt und Philipp Stölzl
Kostüme: Ursula Kudrna
Besetzung:
Eurydice ... Evelin Novak
Öffentliche Meinung ... Cornelius Obonya
Orpheus ... Stefan Kurt
Pluto ... Ben Becker
Jupiter ... Gustav Peter Wöhler
Styx ... Hans-Michael Rehberg
Juno ... Irene Rindje
Tänzerinnen
17 Damen des Staatsopernchors
(Choreinstudierung: Frank Flade)
22 Musiker der Staatskapelle Berlin & Gäste
Premiere war am 16. Dezember 2011
Weitere Termine: 18., 23., 25., 28. 12. 2011 sowie 4., 17., 19. 1. 2012


Weitere Infos siehe auch: http://www.staatsoper-berlin.de


http://www.andre-sokolowski.de



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