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14. Juni 2013 - Werkstatt, Theater Bonn

WAISEN

von Dennis Kelly




Ohne Bindung

Scheinbar alles in Ordnung am Anfang: Ein Pärchen – Danny und Sally – sitzt beim Abendessen, offenbar hat man sich Mühe gegeben mit Essen und Ambiente. Vielleicht soll etwas Besonderes gefeiert werden. Stutzig machen könnte einen allenfalls die windschiefe Konstruktion, die das Zimmer markiert, in dem die beiden sitzen. Dann platzt Sallys Bruder Liam herein, blutverschmiert.

Schmerzlich wird nach und nach das Geschehen aufgedröselt und der brave Danny, anfänglich aufgrund seiner Rechtschaffenheit von den beiden anderen verspottet, wird zum Täter. Autor Dennis Kelly entwickelt aus der kammerspielartigen Grundsituation (drei Figuren in einem Raum, ohne große Schauplatzwechsel) eine Konstellation und Erzählung, die unter die Haut gehen. Liam behauptet, einen jungen Mann verletzt auf der Straße vorgefunden zu haben, Danny will die Polizei rufen. Das wiederum lehnt Sally vehement ab, schließlich ist Liam vorbestraft und könnte so in den Fokus der Ermittlungen geraten. Dass dort auf der Straße jemand stirbt, interessiert sie nicht – Familie geht vor. Scheinbar gerechtfertigt wird ihr Standpunkt dadurch, dass vor kurzem auch Danny angegriffen wurde und der Stadtteil, in dem die beiden leben, von jugendlichen Banden unsicher gemacht wird. Eine rosige Zukunft kann man sich hier nicht erträumen, auch wenn Danny die Probleme herunterspielt.

Regisseurin Jennifer Whigham setzt Waisen am Theater Bonn konzentriert und dicht in Szene. Das Bühnenbild ist einfach, in den Übergängen werden Strichmännchen projiziert. Diese Strichmännchen-Kindermalszenen erwecken Erinnerungen an eine heile Welt und eine mögliche Zukunft als kleine Familie, die sich aber nicht realisieren lässt. Durchweg überzeugend auch die Leistung der Schauspieler. Grégoire Gros als scheinbar harmloser Liam, der im Leben immer nur Pech hat und Danny unverhohlen bewundert, hat es faustdick hinter den Ohren und offenbart ein unheimliches Bedrohungspotenzial. Niko Links Danny, zu Beginn derjenige, der vermeintlich souverän agiert, bricht unter der Situation und den Forderungen seiner Frau beinahe zusammen, verliert alle Menschlichkeit und wird eiskalt. Damit verläuft die Entwicklung dieser Figur nahezu gegenläufig zu der Entwicklung von Sally. Sie stellt sich zu Beginn uneingeschränkt hinter ihren Bruder, verachtet Danny, weil er Mitleid mit dem Opfer hat, und setzt das Leben ihres ungeborenen Kindes als strategisches Mittel ein. Johanna Wieking gibt Sally wenig Wärme mit, aber ihr Verhalten entspringt vor allem der Angst, sich auf Danny einzulassen. Am Ende ist das fragile Zusammengefüge der Figuren gesprengt und jeder steht für sich allein – ohne Bindung und als Verlierer.



Bewertung:    



Karoline Bendig - 20. Juni 2013
ID 6870
WAISEN (Werkstatt des Theaters Bonn, 14.06.2013)
Inszenierung: Jennifer Whigham
Bühne: Elena Köhler
Kostüme: Caroline Martiny
Dramaturgie: Almuth Voß
Besetzung:
Helen ... Johanna Wieking
Liam ... Grégoire Gros
Danny ... Nico Link
Premiere war am 8. Mai 2013
Weitere Termine: 26. 6. | 3., 9. 7. 2013


Weitere Infos siehe auch: http://www.theater.bonn.de


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