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16. Februar 2013, Schaubühne am Lehniner Platz

DIE GELBE TAPETE

nach Charlotte Perkins Gilman / Regie: Katie Mitchell


Die gelbe Tapete an der Schaubühne Berlin - Foto (C) Stephen Cummiskey


Das Markenzeichen Katie Mitchells ist das videofizierende Benutztwerden von für sie lohnenswerten Stoffvorlagen für entsprechende Theater-Zwecke. Meistens greift sie auf diverse Prosa-Texte, in den letzten Jahren mehr und mehr auch auf diverse Opern-Beispiele zurück. Das macht sie freilich außerordentlich professionell - sehr schlanke und sehr wendige und meistens auch sehr schwarz gekleidete Kameramänner wuseln da inmitten eines abendlichen Live-Geschehens und ganz ungehemmt zwischen den live Agierenden mit ihrer Technik hin und her; und auch die sie dabei agil beassistierenden SchnurhalterInnen sorgen schon für ein erquickliches Maß "Unruhe", das insgesamt dann von der Bühnenfront ausgeht... Sie dreht dann also (Markenzeichen Katie Mitchell, wie gesagt) Live-Filme und/oder Live-Filmchen, die sie dann den jeweiligen Stücken, welche sie gerade so missbraucht, auf einer Großleinwand hinzuveräußert. Meistens nerven diese Art Performances aufs Gigantischste - aber es gibt auch Ausnahmen in diesem ihrem merkwürdigen Oevre:

Jetzt hatte die Mitchell in der Schaubühne Berlin eine Erzählung von Charlotte Perkins Gilman (1860-1935) für die Bühne - so wie immer eigentlich - vervideofiziert. Die gelbe Tapete heißt das tolle Prosawerk von 1892, und die Mitchell-Lesart ist dann folgende:

"Eine Frau, die vor kurzem ein Kind geboren hat, verlässt mit Baby, Mann und Kindermädchen Berlin und reist in ein abgelegenes Haus auf dem Land. Seit der Geburt des Kindes fühlt sie sich niedergeschlagen und energielos; Abgeschiedenheit, frische Luft und die Ruhe eines hellen Dachzimmers sollen die Frau kurieren. Doch das Zimmer ist merkwürdig. Die Möbel sind altmodisch und die Wände mit einer hässlichen gelben Tapete bedeckt. Die Frau glaubt, Bilder in der Tapete zu erkennen und wird zunehmend besessener. Schließlich ist sie überzeugt davon, dass hinter dem Muster der Tapete eine weibliche Gestalt gefangen ist: eine Frau, die sie befreien muss." (Quelle: schaubuehne.de)

Soweit, so gut.

Bei Gilman, die als damalige Frauenrechtlerin in die Geschichte einging, war es der erfolgreiche Versuch, die eigene Melancholie durch die prosaische Beschäftigung mit ihr nicht bis zum endgültigen, unheilbaren Wahnsinn ausufern zu lassen; und so lässt sie justament am Schluss ihrer Erzählung ihren eignen Gatten ohnmächtig vor ihr zusammenstürzen - er ist nämlich als der eigentliche "Urheber" ihrer von Jahr zu Jahr inflationierenden Gemüts- und Nervenschwäche (= Depression) unmissverständlich anzunehmen (= Arzt vereinnahmt Arztfrau physisch als wie psychisch).

Mitchell kehrt den durchaus "positiven" Prosa-Schluss - in ihrer scheinbar legitimen Sicht - ins filmisch-aussichtslose Negativum; und so liegt bei ihr zum Ende hin die Heldin der Geschichte leblos und mit einem Haarfön ausgestattet in der Badewanne - - das sieht ziemlich anmaßend (Urheberrechtsverletzung!) und an sich schon über alle Maßen trostlos aus.

Doch ungeachtet aller Einwände: Protagonistin Judith Engel - die man in den unvergesslichsten Gesichts-Nahzeichnungen erleben durfte - lieferte ein Schauspielfest der Superklasse! Ihre "inneren Gedanken" wurden durch Ursina Lardi kongenial ins Mikrofon gesprochen. Die Geräuschkulissen lieferte die Spezialistin Cathlen Gawlich, und die Geisterfrau in der Tapete war Luise Wolfram.

Kann mir trotzdem wer erklären, warum heute/hier besagter Prosa-Text als Stück-Versuch herdienen musste; ich hab's nicht verstanden.




Judith Engel in der Gelben Tapete an der Schaubühne Berlin - Foto (C) Stephen Cummiskey


Andre Sokolowski - 17. Februar 2013
ID 6576
DIE GELBE TAPETE (Schaubühne Berlin, 16.02.2013)
Regie: Katie Mitchell
Bühne: Giles Cadle
Kostüme: Helen Lovett Johnson
Bildregie: Grant Gee
Video: Jonathon Lyle
Musik: Paul Clark
Sounddesign: Gareth Fry und Melanie Wilson
Licht: Jack Knowles
Beratung Geräusche: Ruth Sullivan
Dramaturgie: Maja Zade
Foley Sound Effects (Geräusche): Cathlen Gawlich
Kamera: Andreas Hartmann und Stefan Kessissoglou
Besetzung:
Anna ... Judith Engel
Annas Gedanken ... Ursina Lardi
Christoph, Annas Ehemann ... Tilman Strauß
Tania, Kindermädchen ... Iris Becher
Frau hinter der Tapete ... Luise Wolfram
Premiere war am 15. Februar 2013
Weitere Termine: 18., 19. 2. / 31. 3. / 1. 4. 2013


Weitere Infos siehe auch: http://www.schaubuehne.de


http://www.andre-sokolowski.de



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