22. Februar 2013, Kammerspiele des Deutschen Theaters Berlin
TILLA
mit Inge Keller (89)
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Christoph Hein hat, wie wir im Programmheft lesen konnten, einen Stück-Zweiteiler über Emil Jannings (1884-1950) und Tilla Durieux (1880-1971) geschrieben; er heißt konsequenter Weise Jannings & Tilla, und den ersten Stück-Teil hat er jetzt unter dem Titel Tilla als "szenische Lesung" freigegeben, also nicht (noch nicht) als Uraufführung - so viel zum rein Faktischen.
Jannings & Tilla waren damalige deutsche Star-Schauspieler ersten Grades; Jannings wurde von den Alliierten 1945 mit einem lebenslangen Auftrittsverbot für sein ihm vorgeworfenes NS-Mitläufertum bestraft - Tilla kehrte erst 1952 aus dem jugoslawischen Exil zurück; sie musste wegen ihres dritten Mannes, der (als Jude) im KZ Sachsenhausen umgekommen war, aus Deutschland emigrieren und verdiente sich als Näherin oder Kaninchenzüchterin über zehn Jahre lang ihr Geld...
Nach Anhören des dünnen Tilla-Textes wird uns Zuhörenden nach und nach bewusst, dass Hein sich weniger mit dieser jüdischen Familienkomponente Durieux' als mehr noch mit der zweiten und für Tilla Durieux ganz zweifelsohne "wichtigsten" und "prägendsten" Liebes- und Ehekomponente, nämlich ihrer aufregenden Zeit mit Paul Cassirer, einem der einst einflussreichsten und auch wohlhabensten Galeristen und Verleger, auseinandersetzte; das gelingt ihm sachlich/sprachlich doch recht gut - sonst hätte sich auch ganz bestimmt nicht Inge Keller, diese lebende Legende des DT, hiermit befasst.
Sie sitzt also anderthalb Stunden lang in relativer Nahdistanz zum überwiegend reifaltrigen Publikum der Kammerspiele des DT und raucht in der ihr unvergleichlich-herben Art und Weise sozusagen an dem Text (den sie zur Hälfte, ihre Brille aufsetzend, aus ihrer Klemmmappe herauszitiert) herum; am Lustigsten und auch Interessantesten entpuppt sich plötzlich dieser Text, indem er eine indiskrete Liebes-Stellung von den Zwein (Tilla im Handstand / Paul sie währenddessen penetrierend; war zwar nicht so ausgedrückt, aber zu schließen) kurz thematisiert...
Der Keller macht der Hein-Text sichtlich Freude und Vergnügen, ja und immer, wenn sie Parallelen zwischen Durieux und sich verspürt, wird ihre Stimme etwas spröder und so eine leise Trauer spielt sich ein. / Bernd Stempel hat ihr (was die Regisseurin Gabriele Heinz so wollte) ein paar Stichworte zu geben und für Trinknachschub zu sorgen; außerdem muss er - hochpeinlich anzusehen - zwischendurch mal tanzen; das nun wiederum (= Choreografie) hatte sich Annett Scholwin ausgedacht gehabt. // Das Liedlein, was die Keller und der Stempel dann zusammen singen, komponierte Uwe Hilprecht.
Rührungen im Saal. Standing ovations.
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Anm. der Redaktion
Wir hätten den Lesern von KULTURA-EXTRA gern an dieser Stelle (s. o.) ein Szenenfoto mit Inge Keller, der 89jährigen Diseuse des Deutschen Theaters Berlin, gezeigt - ein solches hätte allerdings von uns (als Presse) bezahlt werden müssen, was wir so nicht akzeptieren konnten:
Es ist prinzipiell nicht einzusehen, dass für mittels Rezensionen journalistisch aufbereitete De-facto-Werbung für Veranstaltungen staatlich subventionierter Kultureinrichtungen zusätzlich Geld vom Rezensierenden an die berezensierte Einrichtung entrichtet werden soll; und wir bezeichnen die geschäftlichen Gepflogenheiten des von uns hiermit "beanstandeten" Hauses schlicht als presseunfreundlich.
Alternativ schlagen wir den für Pressefragen zuständigen Stellen vor, sich um die Honorierung der bei ihnen angestellten resp. für sie arbeitenden Pressefotografen ordentlich zu sorgen und die aufkommenden Kosten nicht auf uns (als Presse) umschlagen zu wollen; wir begreifen uns (als Presse) keinesfalls als deren kommerzielle Kunden.
a. so. - 22.02.2013
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Andre Sokolowski - 23. Februar 2013 ID 00000006589
TILLA (Kammerspiele des DT, 22.02.2013)
Regie: Gabriele Heinz
Bühne und Kostüme: Hans-Jürgen Nikulka
Liedkomposition: Uwe Hilprecht
Choreographie: Annett Scholwin
Dramaturgie: Ulrich Beck
Besetzung:
Tilla ... Inge Keller
Franz-Josef, Paul ... Bernd Stempel
Premiere war am 2. November 2012
Weitere Termine: 15. + 30. 3. 2013
Weitere Infos siehe auch: http://www.deutschestheater.de
http://www.andre-sokolowski.de
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