Grau in Grau -
dann (viel, viel
später) farbig
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Übertrifft, und nicht nur von der Körpergröße her, seine Kollegenschaft in/bei den MEISTERSINGERN (wie bereits in Köln): Marco Jentzsch als Walther von Stolzing an der Komischen Oper Berlin - Foto (C) Monika Rittershaus
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Die Meistersinger von Nürnberg haben Textstellen, die einfach zum Kotzen sind. Und unabhängig davon, dass dann auch noch - muss man freilich zwischen all den Zeilen lesen - Wagners Antisemitismus hier geradezu auf körperliche Weise (Prügelfuge) "spürbar" ist, verdichtet sich der Vorwurf insbesondere und immerwiederkehrend bei Lektüre jener kotzwürdigen Schlussansprache des Hans Sachs (Festwiese). Es ist ein Dilemma mit dem ganzen Stück; es ist mit so viel Großartigem (Menschlich-Allzumenschlichem) gebacken und zerspickt - und jene Schlussansprache macht dann Alles vollkommen zur Sau...
Andreas Homoki, der ein ausgewiesner Zuchtmeister für Opernchöre ist, hat das Problem grandios gelöst: Er lässt die (durch die Sachs-Rede) doch ziemlich national gesinnte und gestimmte Menschenansammlung verängstigend zusammenrücken, sich selbstmutmachend zusammenrotten, dass sie - so! - als (r)echte Außenseiterin agiert, als Leutehäuflein wie auf einer winzig kleinen Insel; und so hatte man den glückseligen Eindruck, dass die dumpfbackene Schlussansprache des Hans Sachs ("Was deutsch und echt" und lauter so'ne Scheiße) echolot im Nichts verhallte und verhallt... ja, auch die Stadt (Nürnberg) an sich wurde zuvor ganz einfach von der Bühne weggeräumt.
Wie überhaupt erst kurz vorm Wechsel in die sogenannte Festwiese regieliche Ideenvielfalt annähernd und anwachsend zu registrieren war. Mit einem Male sah man Alles, urplötzlich, mit Farbe (Bühne und Kostüme von Frank Philipp Schlößmann und Christine Mayer) überzogen. Das, was vorher (bis zur Festwiese) als ödes Grau-in-Grau das Allgemeingemüt zu regelrechten Schlafattacken stimulierte, schlug jetzt glückshormonhaft um; viele erfreuliche und anrührende szenische Details auch: Sachsens große Liebe zum kleinen Evchen, Sachsens seelische Gebrochenheit (wegen dieser [einseitigen] Liebe), Evchens Großmut ("Keiner wie du" o. s. ä.), Schusterstubenquintett, Wach-auf-Chor als kindliches Versteckspiel. Usw. usf.
Dass ihm (Homoki) dann zum Beckmesser nicht sehr viel einfiel, tat verwundern: Außer dass der (Beckmesser, gespielt/gesungen von Tom Erik Lie) schlank und geschmeidig wirkte, war wohl nix hinzu...
Tómas Tómasson (Hans Sachs), der ab dem Dritten Akt dann völlig runter mit der Stimme war, hielt bis zum Schluss der Oper trotzdem tapfer durch und wurde ganz zurecht hierfür gefeiert!
Ina Kringelborn (Eva) setzte sich schon vom herkömmlichen Rollenklischee deutlich ab; und ihre rauchige und sehr "erwachs'ne" Stimme passten ideal zu ihrer Zeichnung.
Marco Jentzsch (Walther von Stolzing) - siehe obige Bildunterschrift!
Chor und Orchester waren bestens aufgelegt. Und Patrick Lange dirigierte laut und zügig durch...
Ja, dieses merkwürdige (un)komische Stück gehörte und gehört in dieses Haus!!
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DIE MEISTERSINGER VON NÜRNBERG an der Komischen Oper Berlin! Dass es in dem Stück vor allem auch um die Liebesgeschichte zwischen Sachs und Eva geht, beweist nicht nur das Bild hier, wo die Beiden (Sachs und Eva) vorn zu sehen sind - Foto (C) Monika Rittershaus
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Andre Sokolowski - 3. Oktober 2010 ID 00000004859
DIE MEISTERSINGER VON NÜRNBERG (Komische Oper Berlin, 02.10.2010)
Musikalische Leitung: Patrick Lange
Inszenierung: Andreas Homoki
Bühnenbild: Frank Philipp Schlößmann
Kostüme: Christine Mayer
Besetzung:
Hans Sachs ... Tómas Tómasson
Veit Pogner ... Dimitry Ivashchenko
Kunz Vogelgesang ... Christoph Schröter
Konrad Nachtigall ... Carsten Sabrowski
Sixtus Beckmesser ... Tom Erik Lie
Fritz Kothner ... Günter Papendell
Balthasar Zorn ... Peter Renz
Ulrich Eißlinger ... Stephan Spiewok
Augustin Moser ... Thomas Scheler
Hermann Ortel ... Karsten Küsters
Hans Schwarz ... Hans-Peter Scheidegger
Hans Foltz ... Hans-Martin Nau
Walther von Stolzing ... Marco Jentzsch
David ... Thomas Ebenstein
Eva ... Ina Kringelborn
Magdalene ... Karolina Gumos
Ein Nachtwächter ... Jan Martinik
Chor der Komischen Oper Berlin
(Choreinstudierung: Robert Heimann)
Orchester der Komischen Oper Berlin
Link zum Verlag: http://www.komische-oper-berlin.de
http://www.andre-sokolowski.de
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