Scheißananas
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Kurt Weill (1900-1950) Bildquelle: Wikipedia
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Thomas Thieme (Lieblingsschauspieler von mir!) hat sich, und nicht das erste Mal, ins sog. Klassikfach/Musik begeben. Vor paar Jahren schon spielte er in der Ariadne auf Naxos-Deutung von der Hoffmann "ihren" Haushofmeister; hatte sich als einziges von der Besetzung her dann bei mir eingeprägt. Nun rief ihn Metzmacher zu sich - oder war's umgekehrt? schwer auszumachen - , dass er in dem Silbersee von Weill entscheidend mitmischte.
Entscheidend wohl auch deshalb, weil der Thieme eine Textfassung des Stücks von Georg Kaiser (Der Silbersee, Ein Wintermärchen in drei Akten) zufertigte, also so was wie ein Auf-den-letzten-Punkt-Verbringen, ein Verquer-Gemisch-Essenzellieren zu der Doppelvorlage von Kaiser/Weill. Das Stück sowie die nachgereichte Oper hatten 1933 (!) ihre Erstaufführungen; danach ging Weill in das US-Exil.
Und wo dann Thomas Thieme angetreten ist, ist er mit aller Wucht seiner Persönlichkeit (und Stimme, logisch) überaus präsent. So freilich dann auch hier!
Er spricht und spielt den Olim.
Stückbeschreibung: Olim ist ein Polizist und knallt im Übereifer seines Jobs 'nen kleinen Ladendieb - welcher sich an 'ner Ananas, nicht mehr/nicht weniger, vergriffen hatte - übern Haufen. Severin heißts Opfer, und es überlebt. Olim hat seither schlechtestes Gewissen. Er gewinnt im Lotto, hat mit einem Mal ein Schloss. Er holt den überlebten Angeschossnen zu sich, pflegt ihn, will, dass der sein Freund wird. Ahnt nicht, dass die Wunde überirdisch weiter gärt à la "Doch innen, da heilt's nicht". Usf. Täter + Opfer = Kleinstphilosophie. Paar Randgestalten schwirren mit umher, auch eine Art von Hausdame im Schloss. Die hetzt die beiden Männer aufeinander nach dem Motto: Wenn sich zwei wohl streiten, freute sich die Dritte. Eskalierender Moment: Olim fühlt sich an Leib und Seel' vom Severin bedoht und unterschreibt ein Blatt Papier, in dem er all sein Hab und Gut der Hausdame verkauft. Am Schluss versöhnt sich dann das Täter-Opfer-Pärchen, und es will nichts weiter als nun sterben... Suizid im Silbersee; aber der Silbersee ist erst mal zugefroren.
Ingo Metzmacher gelingt ein Abend aus dem Handgelenk heraus. Die Aufführung hat Witz und Schmiss. Man staunt nicht schlecht über Kurt Weill's Musik: tatsächlich "richtige" und hörbare Musik; nicht dieser späte Prol-Stil von Dreigroschenoper oder so.
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Und außer Thomas Thieme, der sogar mal singt (man hätte ihn tontechnisch etwas mehr verstärken sollen, dass es im Gefüge insgesamt dann besser stimmte), sind so Koryphäen wie zum Beispiel Torsten Kerl und Hanna Schwarz dabei. Ein Kabinettstück erster Güte: Burkhard Ulrichs kurzer Auftritt und sein "Zins und Zinseszins" (genial!!).
Alles in Allem: Feine, nützliche und aufmunternde Sache.
Dass Der Silbersee auf keiner der drei Stiftungs-Bühnen in der Zukunft aufzufinden wäre, will ich dann - nach dieser kongenialen konzertanten Darbietung - nicht glauben wollen.
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Andre Sokolowski - 16. Dezember 2007
ID 3620
DER SILBERSEE (Philharmonie Berlin, 16.12.2007)
Ein Wintermärchen von Georg Kaiser in einer Textfassung von Thomas Thieme
Musik von Kurt Weill
Christiane Oelze (Fennimore)
Torsten Kerl (Severin)
Thomas Thieme (Olim)
Hanna Schwarz (Frau von Luber)
Burkhard Ulrich (Lotterieagent)
Stephan Rügamer (Baron Laur)
Mojca Erdmann (Erste Verkäuferin)
Vanessa Barkowski (Zweite Verkäuferin)
Simon Pauly (Erster Bursche)
Yorck Felix Speer (Zweiter Bursche)
Christian Ehrich (Sprecher)
Rundfunkchor Berlin
(Choreinstudirung: Sigurd Brauns)
Deutsches Symphonie Orchester Berlin
Dirigent: Ingo Metzmacher
Konzertante Aufführung
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Weitere Infos siehe auch: http://www.dso-berlin.de
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