19. Mai 2013 - Sommerfestival in der Halle Kalk
HATE RADIO
von Milo Rau
|
Buchcover von Hate Radio (C) Verbrecher Verlag
|
Theatermacher Milo Rau ist in den letzten Jahren durch seine Theaterabende zu tatsächlichen Ereignissen – u.a. Die letzten Tage der Ceausescus, You will not like what comes after America (#1 Breiviks Erklärung) sowie Die Moskauer Prozesse – bekannt geworden. In Köln war nun im Rahmen des Sommerblutfestivals seine Produktion Hate Radio zu sehen. Hate Radio beschäftigt sich mit dem Völkermord in Ruanda, den gewaltsamen, blutigen Auseinandersetzungen zwischen Tutsi und Hutu im Jahr 1994. Im Zentrum steht die Radiostation RTLM, die Propaganda gegen die Tutsi betrieben und dabei zwischen eingängigen Popsongs übelste rassistische Parolen verbreitet hat.
Rau vertraut klug darauf, dass diese Mischung für sich spricht und keinerlei weitere inszenatorische Zutaten benötigt. Und so blicken die Zuschauer bei diesem Reenactment von zwei Seiten in ein Studio (originalgetreu nachgebaut), in dem die Radiomacher ihre Parolen verbreiten, ein Geschichtsquiz spielen oder Hutu bitten, anzurufen, wenn sie in ihrer Umgebung Tutsi sichten oder wissen, wo sich diese versteckt haben. Und irgendwann ertappt man sich im Publikum dabei, wie man bei den Songs, die extra laut gedreht werden, mit dem Fuß mitwippt. Eine gefährliche Melange. Auf der Bühne stehen dabei auch Opfer des Genozids, die hier u.a. die Täter verkörpern. Die Texte entstammen einer intensiven Recherche von Milo Rau und seinem Team, der in Ruanda u.a. mit der RTL-Moderatorin Valérie Belemeriki gesprochen hat. Sie sitzt im Kigali Central Prison eine lebenslange Gefängnisstrafe ab.
Eingerahmt wird das Ganze von Zeugenaussagen von Opfern und Täter, die zu Beginn des Abends und zum Schluss auf die geschlossenen Jalousien des Radiostudios projiziert werden. Die Schilderung der Ereignisse – in einem nüchternen Ton vorgetragen – lässt einem den Atem stocken und ist für einige Zuschauer schwer zu ertragen. Übrig bleibt nach dem Abend nicht nur die Frage, wie ein Konflikt derart ausarten konnte. Sondern auch ein eindrückliches Zeugnis der Gewalt, zu der Menschen fähig sind, und der Ohnmacht, mit der man dieser Gewalt oftmals gegenübersteht. Wo immer sich die Gelegenheit bietet, Hate Radio zu sehen, sollte man sie ergreifen. Es ist ein sehr eindrücklicher Abend, der den Zuschauer nicht kalt lässt und viel Anlass zum Nachdenken und für Diskussionen bietet.
|
Karoline Bendig - 19. Juni 2013 (2) ID 6865
HATE RADIO (Halle Kalk, 19.05.2013)
Buch & Regie: Milo Rau
Dramaturgie & Conceptual Management: Jens Dietrich
Bühnenbild & Ausstattung: Anton Lukas
Video: Marcel Bächtiger
Ton: Jens Baudisch
Mit: Afazali Dewaele, Sébastien Foucault, Estelle Marion, Nancy Nkusi, Diogène Ntarindwa und Dorcy Rugamba und den Stimmen von Thomas Bading und Sven Tjaben
Eine Koproduktion des IIPM Berlin/Zürich mit Migros-Kulturprozent Schweiz, Kunsthaus Bregenz, Hebbel am Ufer (HAU) Berlin, Schlachthaus Theater Bern, Beursschouwburg Brüssel, migros museum Zürich, Kaserne Basel, Südpol Luzern, Verbrecher Verlag Berlin, Kigali Genocide Memorial Centre und Ishyo Arts Centre Kigali
Weitere Infos siehe auch: http://international-institute.de/
Post an Karoline Bendig
|
|
|
Anzeigen:
Kulturtermine
TERMINE EINTRAGEN
Rothschilds Kolumnen
BALLETT | PERFORMANCE | TANZTHEATER
CASTORFOPERN
DEBATTEN & PERSONEN
FREIE SZENE
INTERVIEWS
PREMIEREN- KRITIKEN
ROSINENPICKEN
Glossen von Andre Sokolowski
RUHRTRIENNALE
TANZ IM AUGUST
URAUFFÜHRUNGEN
= nicht zu toppen
= schon gut
= geht so
= na ja
= katastrophal
|