Bewegte
Phantasien
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Les Ballets Jazz Montréal | © Alan Khol
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Bewertung:
Ein furioses Gastspiel des Les Balletts Jazz Montréal (BJM) wurde im Bonner Opernhaus am ersten Novemberabend mit Standing Ovations frenetisch gefeiert. Drei aufeinanderfolgende Choreografien fesselten mit lebendigen Tanzformationen von beeindruckender Synchronie und spielerischer Ausdruckskraft. Mitreißend wurde ein vielschichtiges Repertoire dargeboten, in dem sich komische Momente mit temporeicher Eleganz und ausdrucksstarken Tanzfiguren paarten. Die 1972 gegründete Compagnie Les Balletts Jazz de Montréal steht seit 1998 unter der Leitung des renommierten Tänzers Louis Robitaille und zeigt weltweit erfolgreich moderne Tanzchoreographien.
Harry vom israelisch-amerikanischen Choreografen Barak Marshall eröffnete als erstes und zugleich längstes Werk den unterhaltsamen Abend. Das 45minütige Tanztheaterstück betrachtet zwischenmenschliche Beziehungen und Konflikte auf schillernd-überdrehte Weise. Düstere Begebenheiten werden durch komische Eskapaden der Compagnie aufgebrochen. Harry sucht minutenlang den passenden Deckel für seinen Topf, doch die Frau mit eben diesem Deckel wird gewaltsam aufgehalten. Erst gegen Ende dürfen Harry und besagte Frau Variationen eines Pas de deux tanzen und werden von wechselnden Tanzpaaren umringt. Bald verdunkelt sich die Bühne, und ein Krieg wird melodramatisch eingeläutet. Schüsse erschallen, indem rote Luftballons lustvoll zerstochen werden. Harry stirbt gleich mehrfach nacheinander. Er liegt dann stets umringt von den anderen auf einer Bahre von einem Leichentuch bedeckt. Die Umstehenden reden despektierlich, und es kommt zum Eklat, bevor sich das Geschehen in eine packende Tanzchoreographie auflöst. Von Band eingespielte hämmernde Soundcollagen mit Musik der Balkan Brass Band sowie von Tommy Dorsey und Wayne Newton untermalen die vielschichtige Performance. Lebendig in Erinnerung bleiben auch lässige Tanzfiguren zu bekannten Swing-Nummern wie „Bei mir bistu shein“ oder „Danke schoen“.
Kosmos, die zweite Vorführung des Abends, stammt vom Griechen Andonis Foniadakis und legt in 35 atemlosen Minuten ein packendes Tempo vor. Zur mal schwelgerischen, mal eng getakteten Musik Julien Tarrides variieren die Tänzer eindrucksvolle Gruppenformationen. Im fliegenden Wechsel energiegeladen vorgeführte Solos gehen in packend synchrone Gruppenperformances über. Mal sind die Bewegungen in einer enormen Geschwindigkeit, mal erfolgen sie wie in Zeitlupe.
Das letzte Werk des Abends, O Balcão de Amor (Portugiesisch: „Der Balkon der Liebe“) vom israelischen Choreographen Itzik Galili wird durch lebensfrohe Mambo-Rhythmen des Kubaners Pérez Prado untermalt und überrascht mit komischen Momenten. Alle Tänzer sind als Figuren mit individuellen Kostümen gezeichnet. Formationen, in denen die synchron agierenden Tänzer allesamt punktgenau in die Luft springen, wechseln mit intimen Momenten, in denen acht dicht beieinander stehende Tänzerinnen nur mit Armen und Handflächen grazil und fingerfertig im Takt agieren. Die formidablen Choreografien hinterlassen den Eindruck beschwingter Leichtigkeit; leichtfüßig wähnt man sich gar bis nach Hause getragen.
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Kosmos mit Les Ballets Jazz Montréal | © Igino Cereminga
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Ansgar Skoda - 3. November 2016 ID 9659
Weitere Infos siehe auch: http://www.bjmdanse.ca/
Post an Ansgar Skoda
http://www.ansgar-skoda.de
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