Stephan Beer und Georg Burger adaptierten am Schauspiel Leipzig DDR-Kinderbuchklassiker von Alexander Wolkow
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Der schlaue Urfin und seine Holzsoldaten am Schauspiel Leipzig | Foto (C) Rollf Arnold
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Bewertung:
Nicht nur die Mosaik-Comics von Hannes Hegen, auch eine Kinderbuchreihe des russischen Schriftstellers Alexander Wolkow hatte es in der DDR zu Kultstatus geschafft. Und wie die Abrafaxe, die Knollennasennachfolger der Digedags, 2001 von den vereinten deutschen Kinoleinwänden flimmerten, so erobern nun auch die Helden der Smaragdenstadt (Elli, Scheuch, Eiserner Holzfäller und tapferer Löwe) die Bühne des Schauspiels Leipzig. Wolkow hatte erstmals 1939 eine Nachdichtung des amerikanischen Kinderbuchklassikers The Wonderful Wizard of Oz von Lyman Frank Baum unter dem Titel Der Zauberer der Smaragdenstadt publiziert. Regisseur Stephan Beer und Bühnenbildner Georg Burger brachten bereits in der Vorweihnachtszeit des letzten Jahres ihre Bühnenversion dieses DDR-Kultbuchs erfolgreich am Schauspiel Leipzig heraus. Die Sache schrie förmlich nach einer Fortsetzung. Und so startete dann auch Der schlaue Urfin und seine Holzsoldaten nach dem 1963 erschienenen zweiten Band der Smaragdenstadt-Reihe.
Wolkows Geschichte führt uns wieder ins Zauberland, in dem nun der vom Zauberer Goodwin mit dem gewünschten Verstand ausgestattete Scheuch die Smaragdenstadt regiert. Doch im Blauen Land der Käuer, das die kleine Elli im ersten Teil von der Herrschaft der bösen Hexe Gingema befreite, lebt der menschenscheue Tischler Urfin Juice, der nach der Entdeckung eines Zauberpulvers, das er aus einem in seinem Garten wuchernden Kraut gewinnt, eine Holzsoldatenarmee aufstellt, mit deren Hilfe er die Smaragdenstadt erobert und die Macht im Zauberland an sich reißt.
In Leipzig haben Stephan Beer und Georg Burger die Story verständlicher Weise etwas gerafft. Nach einem am Bühnenvorhang visualisierten Albtraum Ellis, in dem sie die Machtergreifung Urfins voraussieht, beginnt es gleich mit dem griesgrämigen Kerl, der, seit die Käuer ihn meiden, in seinem mit psychedelischen Rorschachmustern behängten Garten mit langen grünen Lianen kämpft, bis ihm die Eule Guamokolatokint zeigt, wie er daraus das Zauberpulver zur Erweckung seiner getischlerten Holzsoldaten herstellen kann. Für die Rolle des Urfin hat der Regisseur den Schauspieler Tilo Krügel gewinnen können, der bereits im ersten Teil als Scheuch mit von der Partie war. Ihm zur Seite steht Sophie Hottinger als schwarze Eule, die auf einem Self-Balance-E-Board über die Bühne schwebt.
Und gleich geht es auch richtig zur Sache, wenn Urfin seinen Holzköpfen das Marschieren und Kämpfen beibringen will. Das ist zunächst recht witzig und gut choreografiert, wenn die Holzarmee dann aber mit Trommeln und Stöcken aufmarschiert, bekommt das ganze schon einen beängstigenden Drive. Die tolle Livemusik dazu kommt von den direkt auf der Bühne agierenden Jan S. Beyer & Jörg Wockenfuß. So geht es dann auch sofort gegen die Smaragdenstadt, in der die Zwei-Mann-Armee des weisen Scheuchs (Thomas Braungardt) - bestehend aus Din Gior (Roman Kanonik) und dem herbeigeeilten Eisernen Holzfäller (Andreas Dyszewski) - auf einem Hubsteiger bald vom listigen Verräter Ruf Bilan (Hartmut Neuber) überwältigt ist.
Denkwürdig auch die vor dem riesigen Banner mit seinem Konterfei gehaltene Antrittsrede des Usurpators Urfin, bei der er von der einstigen Größe des Zauberlands, dem Verfall der Gemeinschaft, Moral und Kultur spricht. Er will das Reich wieder vereinen und zu alter Größe zurückführen. Legida, AfD und Trump lassen hier grüßen. König Urfin gibt sich ganz als medienwirksamer Herrscher. Wer sich nicht an die neuen Regeln hält, wird vom Minister für Sicherheitsfragen Ruf Bilan denunziert und kommt ins Arbeitslager oder in den Kerker, wo schon Holzfäller und Strohscheuch vor sich hin rotten.
Das ruft natürlich nach Widerstand und das Mädchen Elli (Alina-Katharin Heipe) auf den Plan. Die durchweg spannend erzählte Story verfolgt parallel den Weg Ellis ins Zauberland, begleitet von der flatterhaften Krähe Kaggi-Karr (Anna Keil) durch das unterirdische Reich vorbei an riesigen Sechsfüßern, die aussehen wie wurmartige Nacktmulle, der auf einer Schaukel vorbeischwebenden rosa Fee (Nina Siewert) mit ihrem wandelnden Zauberbuch (David Hörning) bis hinein in den Kerker der Smaragdenstadt. Dass es zum Schluss natürlich einen an Showeffekten nicht gerade armen Showdown inklusive Happy End mit einem Loblied auf die wahre Freundschafft gibt, versteht sich fast von selbst. Eine an Einfällen, tollen Gesangsnummern, fantastischen Kulissen und bunten Kostümen nicht geizende Inszenierung, die für Groß und Klein gleichermaßen vergnüglich ist.
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Der schlaue Urfin und seine Holzsoldaten am Schauspiel Leipzig | Foto (C) Rollf Arnold
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Stefan Bock - 6. Dezember 2016 ID 9729
DER SCHLAUE URFIN UND SEINE HOLZSOLDATEN (Schauspiel Leipzig, 04.12.2016)
Regie: Stephan Beer
Bühnenbild: Georg Burger
Kostüme: Kristina Böcher
Choreographie: Sibylle Uttikal
Musik: Jan S. Beyer & Jörg Wockenfuß
Dramaturgie: Matthias Huber
Licht: Veit-Rüdiger Griess
Mit: Thomas Braungardt, Andreas Dyszewski, Max Fischer, Alina-Katharin Heipe, Sophie Hottinger, David Hörning, Roman Kanonik, Anna Keil, Jonas Koch, Tilo Krügel, Ferdinand Lehmann, Hartmut Neuber, Elias Popp und Nina Siewert
Premiere war am 26. November 2016.
Weitere Termine: 6. - 9., 11. - 21., 25. 12. 2016 // 5., 6. 2. / 17. 4. 2017
Weitere Infos siehe auch: http://www.schauspiel-leipzig.de
Post an Stefan Bock
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