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In memoriam

„Wo ich bin,

ist keine

Provinz.“

Zum Tod des Theaterregisseurs Christoph Schroth


Christoph Schroth (1937-2022) | Foto (C) Marlies Kross



Ob Berlin, Anklam oder Schwerin, Klasse setzt sich durch, gerade in einem Land wie der DDR, die ihre unangepassten Künstler gern mal in die Provinz verschickte. Wie Frank Castorf in Anklam hatte der 1937 in Dresden geborene Christoph Schroth (†) seine ersten Erfolge in der nordost-deutschen Provinz. Besonders seine Inszenierung des Faust - Eine Tragödie Erster und Zweiter Teil, 1979 an einem Abend im Mecklenburgischen Staatstheater Schwerin aufgeführt, war geradezu legendär, dass das Berliner Publikum wie später zu Castorf nach Anklam in die damalige Bezirksstadt Schwerin pilgerte. Die Inszenierung wurde sogar für den DDR-Fernsehfunk aufgezeichnet und sollte anlässlich des gerade bekanntgegebenen Todes des Regisseurs unbedingt noch einmal ausgestrahlt werden.

Seine ersten Sporen verdiente sich Christoph Schroth nach seinem Studium der Journalistik, Theaterwissenschaften und Philosophie Anfang der 1960er Jahre in Berlin am Maxim Gorki Theater und an der Volksbühne. Von 1966 bis 1971 arbeitete er als Regisseur am Landestheater Halle, wo zwei seiner Inszenierungen verboten wurden. Von 1974 bis 1989 war Christoph Schroth Schauspieldirektor am Mecklenburgischen Staatstheater Schwerin. Hier entwickelte er sein aus Halle mitgebrachtes Konzept der Entdeckungen weiter. Unter einem bestimmten Themen-Schwerpunkt versammelte Schroth verschiedene Inszenierungen zu einem längeren Theaterabend, der dem Publikum als Fest angeboten wurde und mehrere Orte des Theaters wie Vorder-, Hinterbühne, Magazine und Foyer mit einbezog. Das ermöglichte die Aufführung von Stücken, die sonst vielleicht verboten worden wären, wie etwa 1988 der Liederabend Die Freie Deutsche Jugend stürmt Berlin als Abgesang auf die DDR.

Nach einer Zwischenstation von 1989 bis 1992 als Hausregisseur am nach der Wende durch mehrere Intendanzwechsel gebeutelten Berliner Ensemble ging Christoph Schroth 1993 ans Staatstheater Cottbus, dem er bis 2003 als Intendant vorstand. Aus dieser Zeit stammt auch sein Ausspruch: „Wo ich bin, ist keine Provinz.“ Interessant dürfte sein, dass er zur gleichen Zeit wie Frank Castorf an der Berliner Volksbühne zum Einstand Schillers Drama Die Räuber inszenierte, eine für die Nachwendezeit im Osten nicht untypische Wahl. Auch in Cottbus eröffnete Schroth die Spielzeiten regelmäßig mit Theaterfesten, die unter dem Titel Zonenrandermutigung Inszenierungen zu Themenschwerpunkten wie der Antike, Preußen oder Utopien boten. Diese Art der Spielzeitauftakte übernahm später auch der in Cottbus arbeitende Regisseur Sewan Latchinian für seine Intendanz am Neuen Theater Senftenberg. Eine Tradition die bis heute dort fortgeführt wird.

Christoph Schroth war zeitlebens ein politisch denkender Regisseur, der in seinem Repertoire neben den bekannten Klassikern wie Brecht, Goethe, Schiller oder Shakespeare auch immer zeitgenössische Autoren oder lokale Dichter in seine Inszenierungen einbezog. Besonders zu nennen sind hier Strittmatters Ole Bienkopp (1996) oder Fontanes Effie Briest (2000) mit der damaligen Schauspieldebütantin Anne Ratte-Polle in der Hauptrolle. Um den 2014 gestorbenen Theaterkritiker Martin Linzer zu zitieren, war für Christoph Schroth „das Publikum immer wichtiger als das Feuilleton, das künstlerische Handwerk wichtiger als der 'Einfall' (an Fantasie fehlt's ihm trotzdem nicht), das Ensemble wichtiger als der Star“. Nach dem Ende seiner Cottbuser Intendanz inszenierte Schroth weiter in Cottbus, Senftenberg oder Neubrandenburg. In den letzten Jahren war er immer mal wieder mit seiner Ehefrau, der Schauspielerin Barbara Bachmann, bei Premieren im Hans Otto Theater in Potsdam zu sehen.

Nun ist er wie von seiner Frau und ihrem Sohn, dem Filmregisseur Andreas Dresen, mitgeteilt, am 20. September im Alter von 85 Jahren verstorben.
Stefan Bock - 22. September 2022
ID 13815

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