Gutmensch
mit Nachbarn
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Johanna Falckner als Frau Zuber in Supergutman am Theater Bonn | Foto © Thilo Beu
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Bewertung:
Hier ist etwas verrückt: Mit wenigen Elementen und Requisiten schafft Bühnenbildnerin Hanna Lenz spannungsvoll einen Eindruck befremdlicher und eigentümlicher Begrenztheit. Sehr beengt liegen hier fünf Wohnungseingänge direkt nebeneinander. In kleinen Räumen fristen hier Tür an Tür fünf ähnlich gekleidete Figuren ihr Dasein. Die Uraufführung von Lukas Linders Supergutman gewährt jedoch nur kurze Einblicke in die hinter den Türen lauernden Schicksale. Denn die Figuren öffnen ihre Türen meist nur, um kurz ins Freie zu treten. Die Handlung spielt sich vor den Eingängen der Wohnbereiche ab. Hier treffen die Bewohner aufeinander und tauschen scheinbar alltägliche Vertrautheiten aus, die jedoch alsbald absonderlich, schräg und skurril anmuten.
Allein unter Nachbarn deutet die Enge der nachbarschaftlichen Verhältnisse recht schnell mögliches Konfliktpotenzial an. Im Zentrum der Handlung steht Parzival Pech (Matthias Breitenbach), den seine Nachbarn gerne und stets lautstark um Hilfe bitten. Wenn etwa Herr Werner (Wilhelm Eilers) Probleme mit seiner Internetverbindung hat, eilt Pech pflichtwillig herbei und bringt das WLAN sogleich in Ordnung. Frau Werner (Bernd Braun) freut es dabei besonders, dass Pech stets auch noch ein frisch zubereitetes Tiramisu mitbringt. Für Frau Zuber (Johanna Falckner) hingegen findet Pech stets die gerade wieder neu entlaufene Katze. Pech legt, selbst schnurrend und miauend, das katzenförmige Gebäck sogleich in die Arme von Frau Zuber. Frau Zuber streichelt diese ‚Katze‘ zunächst geistesabwesend. Plötzlich reißt sie ihr brutal den Kopf ab und fängt diesen genüsslich an zu verspeisen. Als auch Irma Pfeifer (Lydia Stäubli) mit offensichtlich schwerwiegenden Problemen an Pech herantritt, signalisiert dieser ihr völlig uneigennützig, dass er mehr als nur ein offenes Ohr habe. Das Unheil scheint vorprogrammiert.
Die Figuren tragen anfangs zwangsjackenähnliche Kostüme und pflegen nahezu durchgehend zwanghaft absonderliche Marotten. Zu den schrägen Gewohnheiten der Sonderlinge zählt es scheinbar, dass sie gerne gemeinsam einsam vor sich hin sinnieren, ins Leere gucken und im unproduktiven Nichtstun schwelgen. Jedenfalls hat Linders groteskes, sinnentleertes und detailverliebtes Drama deutliche Längen, in denen rein gar nichts passiert. Es entspinnt sich über weite Strecken auch keine wirkliche Handlung, da die Figuren oft aneinander vorbei reden und tatsächlicher Kontakt recht selten glückt. Bevor es zu tatsächlichen Aussprachen kommt, ziehen sich die Figuren nach wenigen ausgetauschten Worten stets in ihre Wohnbereiche zurück. Konflikte werden so oft zunächst symbolisch aufgeladen, um dann schnell wieder ohne wirkliche Lösung lauthals zu zerplatzen.
Das albern-widersinnige Figurenkabinett bewegt sich gegen Ende sogar teilweise gespenstisch wie Aliens umhergeisternd. Supergutman ist im Großen und Ganzen Klamauktheater auf recht bescheidenem Niveau, das allenfalls thematisiert, wie leicht man sich durch allzu gewissenhafte Nachbarschaftsdienste überfordern kann und wie wenig einem die Bemühungen möglicherweise gedankt werden. Die Erkenntnis, dass Menschen Hilfe ausnutzen und aneinander vorbeireden ist ebenso banal wie das Stück selbst.
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Supergutman am Theater Bonn | Foto © Thilo Beu
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Ansgar Skoda - 27. Februar 2018 ID 10560
SUPERGUTMAN (Werkstatt, 23.02.2018)
Regie: Clara Weyde
Bühne: Hanna Lenz
Kostüm: Clemens Leander
Licht: Lothar Krüger
Dramaturgie: Elisa Hempel
Besetzung:
Parzival Pech … Matthias Breitenbach
Irma Pfeifer … Lydia Stäubli
Herr Werner … Wilhelm Eilers
Frau Werner … Bernd Braun
Frau Zuber … Johanna Falckner
Uraufführung am Theater Bonn: 27. Januar 2018
Weitere Termine: 02., 08.03. / 06.04.2018
Weitere Infos siehe auch: http://www.theater-bonn.de
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