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Am Königsweg von Elfriede Jelinek am DT Berlin | Foto © Arno Declair
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Bewertung:
Eine modern anmutende Küchenzeile dominiert das Bühnenbild. Hier kocht die von Holger Stockhaus dargestellte Erzählerfigur Würste aus dem Glas. Dabei klopft er flache Ober- und Arztwitze. Mit seinen Fingern macht Stockhaus immer wieder Gesten, als würde etwas weggezaubert. Abgekocht schießt er die pürierten Würstchen als Brei durch eine Presse – und zwar direkt ins Gesicht einer anderen Darstellerin. Sie bittet ihn nun, die Würstchenbrühe aus ihrem Gesicht und Ausschnitt abzulecken, damit sie wieder etwas sehen kann. Auf dem nun feuchten Boden rutschen dann alle Darsteller nacheinander aus und fallen in Slapstick-Manier aufeinander. Der Ekelfaktor kommt somit in Stephan Kimmigs Inszenierung von Elfriede Jelinek´s [am Deutschen Schauspielhaus Hamburg 2017] uraufgeführten Drama Am Königsweg nicht zu kurz.
Eine niedliche Handpuppe mit Wischmopp-Frisur jagt einigen Figuren auf der Bühne kleine Schrecken ein. Dies ist wohl der erste Hinweis auf den amerikanischen Präsidenten, dem Jelinek ihr Stück widmet, dessen Name trotzdem während der ganzen Vorführung kein einziges Mal erwähnt wird. Nachdem die Darsteller hinter der Bühne am oberen Bühnenrand Porreestangen singend tanzen lassen, geben sie als Folklore-Band ein Konzert und sprechen dabei mit Heliumstimmen. Die männlichen Darsteller tragen nun mexikanische Sombreros und Ponchos. Hier wird ironisch darauf angespielt, dass der US-Präsident eine Mauer an der Grenze zu Mexiko bauen und so eine mögliche illegale Einwanderung stoppen will. Aus dem Off kommentiert herrisch ein scheinbar allwissender Kommentator das Geschehen mit hohlen Phrasen. Später wird auch auf Englisch, Französisch und in deutschen Dialekten inhaltsloser Sermon gekauderwelscht.
Es gibt viel Gegröle und Gegeifer, während sich die Darsteller in Pose werfen. Sie rappen oder ziehen sich athletisch an den in der Kulisse verankerten Schrankwänden hoch. Zwei Frauen mit Miss Piggy-Schweinsohren und –nasen (Anja Schneider und Linn Reusse) hauen auf einen drauflosbrabbelnden Froschkopf (Kermit aus der Muppet-Show) ein. Jelinek´s Am Königsweg begibt sich im Deutschen Theater Berlin auf ein flaches Satireniveau.
Ein frauenverachtendes Gewaltpotenzial eröffnet sich, wenn vom Loch und Spalt gesprochen wird, wo es hineinzubohren gilt. Die Darsteller brüllen im Chor „Ficken“ und „Scheiße“. Es ist ein aggressives, triviales und schräges Entertainment, was lärmend, übertrieben und geschmacklos den Hang zur Selbstinszenierung des gegenwärtigen amerikanischen Präsidenten aufs Korn nimmt. Immer wieder wird die Frage gestellt, ob die Schreiber versagt hätten. Das literarische Manifest der Hilflosigkeit nervt gehörig in seiner inhaltsleeren Ratlosigkeit und Vagheit, in der die Autorin Blindheit als Allegorie und sich selbst als überforderte Seherin einbaut.
Man ist als Zuschauer irgendwann übersättigt vom ausgespielten Nihilismus und allem Widerlichen, was gezeigt wird. Es wird eine Machtlosigkeit der Kulturschaffenden und der Allgemeinheit suggeriert und inszeniert. Kunst kann provozieren, aber nicht jede Provokation ist gleich Kunst.
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Viele Kritiken zu Am Königsweg argumentieren nach dem gleichen Muster: Das Stück mache hilflos, hoffnungslos, wütend, es verwirre, gebe keine Antworten, sei so destruktiv, subversiv wie das, wovon es handele. Wo liegt da jedoch noch der Unterschied zwischen dem Stück und dem, wovon es handele? Es ist wie bei „Des Kaisers neue Kleider“ – niemand traut sich, etwas an der abstrakt-vieldeutigen Vorlage der Nobelpreisträgerin zu kritisieren und sozusagen als ein Königinnenmörder zu erscheinen.
Geradezu paradox ist es, dass Am Königsweg von jemandem wie Trump handelt und kritisieren will, dass Kulturschaffende und die intellektuelle Mitte der Gesellschaft versagt hätten, wenn so jemand US-Präsident wird, während dann bei der Aufführung Zuschauer bei der noch so blödesten Zote lachen und bereitwillig in Satire-Show-Laune die Rolle des Claqueurs übernehmen. Dann funktioniert dies so wie Trumps Öffentlichkeitsarbeit, und das Publikum reagiert so wie seine Anhängerschaft, denen keiner seiner Tweets zu blöd und zu wirklichkeitsfern ist. Die Analogie geht noch weiter. Medienberichten zufolge verschanzen sich sowohl Trump als auch Jelinek gern in ihren Wohnungen: Jelinek in Wien und Trump in Washington, wo er sich – wie wir jetzt wissen – am frühen Abend vors TV legt, Hamburger isst, Cola trinkt, sich tierisch über irgendwas aufregt und wütende Tweets absondert. Jelinek schreibt zornige und manchmal fatalistischen Stücke und stellt sie ins Internet. Sie sind also vielleicht ebenso postfaktisch wie Trumps Äußerungen. Vielleicht schreibt sie sich ebenso in Rage, wie sich die von ihr vorgeführten ostdeutschen rechtspopulistischen Wutbürger in Rage reden. Das kann nicht anders als hilflos machen und dient somit vielleicht genau denen, die kritisiert werden. Jelinek ist keine Politikerin mit einer Machtfülle, wie sie der amerikanische Präsident hat, aber in der Art ihres Diskurses macht sie sich so zu einer Erfüllungsgehilfin des Destruktiven. Leider traut sich kaum jemand am Ende zu buhen, denn man könnte ja jemand sein, der den feinen Hinter(n)sinn und die intertextuellen Ebenen nicht kapiert hat.
Am Ende verlässt Regisseur Kimmig immerhin mit zwei eingebauten Songs, die die Darsteller gemeinsam performen, eine verkopft-destruktive Haltung der Vorführung – der „Zug nach morgen“ aus der Muppet Show und Hans Dieter Hüschs „Abendlied“ – hinterlassen einen mit harmonischen Klängen nachdenklich. Zuletzt erzeugt Hüschs Abendlied, das anfangs noch als eine weitere Albernheit akzeptierend belacht wurde, eine melancholische Stimmung im Publikum – wie aus einer längst vergangenen Zeit, in der die Menschen noch etwas ernstgenommen haben. Es fällt schwer, die Provokationen der Vorführung noch ernst zu nehmen, während man Trumps Provokationen leider ernst nehmen muss.
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Božidar Kocevski in Am Königsweg am DT Berlin | Foto © Arno Declair
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Ansgar Skoda - 1. Mai 2018 ID 10677
AM KÖNIGSWEG (Deutsches Theater, 28.04.2018)
Regie: Stephan Kimmig
Bühne: Katja Haß
Kostüme: Anja Rabes
Musik: Michael Verhovec
Dramaturgie: Ulrich Beck
Mit: Božidar Kocevski, Marcel Kohler, Linn Reusse, Anja Schneider und Holger Stockhaus
Premiere war am 28. April 2018.
Weitere Termine: 30.04. / 07., 13.05. / 03.06.2018
Weitere Infos siehe auch: http://www.deutschestheater.de
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