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nachDRUCK # 6

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Premierenkritik

Herbert Fritsch führt Texte des Wiener konkreten Literaten und Dandys Konrad Bayer auf



Buchcover der Gesamtausgabe von Konrad Bayer beim (C) Rowohlt Verlag

Bewertung:    



„erstens will ich fröhlich sein / zweitens mich vergnügen / drittens ist die erde mein / das sollte doch genügen“ heißt es in einem Gedicht des Wiener konkreten Literaten und Dandys Konrad Bayer, der sich 1964 mit 32 Jahren das Leben (Kopf im Gasherd) nahm. Etwas Größenwahn schwingt da schon mit, etwas, was dem fröhlichen Tausendsassa unter den deutschen Regisseuren, Herbert Fritsch, aber nicht fremd sein dürfte. Und so hatte er (Fritsch) als Schauspieler auch schon Soloabende mit Texten von Konrad Bayer gestaltet. In seiner neuen Inszenierung an der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz verwurstet Fritsch nun ein paar vergnügliche Prosastücke und etwas Lyrik des Mitbegründers der „Wiener Gruppe“ zu einem ebenso leichtgängigen Abend, wie man ihn schon von Murmel Murmel und Ohne Titel Nr. 1 kennt.

Diesmal hat Fritsch aber zunächst keinen so einfachen Lauf wie bei den beiden vorgenannten Publikumsrennern. Dabei scheint Bayers Lyrik und Prosa - wie auch das Stück Murmel von Dieter Roth - reinste Lautpoesie und damit eigentlich geradezu dafür gemacht, auf einer Bühne mit Musik aufgeführt zu werden. Die Bühne ist dann auch ganz ähnlich gestaltet wie bei der ersten Oper, nur das statt eines Riesensofas nun ein großer, gelber Grammophontrichter und eine Showtreppe auf der Drehbühne kreiseln, die in ein tiefes Rot getaucht ist. Wieder in grellen Neonfarben sind auch die Latex-Kostüme, in die Victoria Behr die beiden Damen und fünf Herren gesteckt hat, was einen schönen Effekt beim typischen Schlottern der Fritsch-Figuren ergibt.

Ansonsten passiert erst mal nicht allzu viel. Die Musiker des dasderdiemannorchesters unter der Leitung von Maestro Ingo Günther spielen zunächst eine Art treibende Filmmusik, bei welcher die Darsteller auf der sich drehenden Bühne mal vor, mal hinter dem Grammophontrichter und der Treppe in Tableaus erstarren und sich wieder auflösen. In einer Videoprojektion erscheinen die auf dem Rücken liegenden Akteure wie Käfer und Spinnen. Schöne Choreografien zu Musik. Dann werden erste Sprechversuche per Sampling eingespielt. Dazu wird, wie noch öfter an diesem Abend, viel mit Mikrofonen hantiert und wild gestikuliert.

Mit dem Text flucht beginnt dann der eigentliche Sprechteil. Ein gutes Beispiel für Bayers Experimentalwortakrobatik, das die Darsteller dann auch wie in Gebärdensprache gestisch kommentieren. Heißt es im Text „Schlaglicht“, fällt auch sofort jemand um. Ein schier endloser Assoziationsstrom in einen Fließtext ohne Punkt und Komma gegossen. Dazu gibt es etwas Slapstick und Gummiseilartistik. Sprache als Herrschaftsinstrument zeigte Bayer u.a. in seiner Farce die boxer, einem Schlagabtausch in Worten - hier nun als kurzer Auflauf in Dress und Boxhandschuhen mit anschließendem Ausspruch: „i bin a kastrat drum is ma so fad“. Da ist Fritsch wieder ganz in seinem gewohnten Blödel-Element; jedoch - der Funke will noch nicht so recht aufs Publikum überspringen.

Erst mit dem Wechsel der Kostüme (in einheitlich graue Anzüge) und dem Ablegen jeglicher Identität beginnt der Ideenreichtum zu sprühen. Nun stehen sieben zum Verwechseln ähnliche 60er-Jahre-Dandys auf glattem Parkett. Lauter Beatles-Pilzköpfe, die sich die Sprachbälle wie beim Ping-Pong zuspielen: „ein ... und ... ein ... und ...“ usw.

Bayer-Texte wie die birne im Wiener Dialekt oder das titelgebende der die mann in drei Fassungen werden solo oder im Chor performt. Einem Wer-gibt-wem-die-Hand-Sketch, vorgetragen von Axel Wandtke, singt Ruth Rosenfeld ein „ich töte keine menschen mit den händen“ hinterher. Die Nonsens-Texte hatten für Konrad Bayer auch einen ganz existenziellen Hintergrund. Das kommt vielleicht am besten in niemand hilft mir zum Ausdruck, das im Chor gesungen mit „das ist lustig / das ist schön / das ist das zugrundegehn“ endet. Höhepunkt der Aufführung ist mit Sicherheit der Text karl ein karl, bei dem sich der Vortragende verdoppelt und schließlich gar vervierfacht. Jegliche Identifikation wird hier ad absurdum geführt.

„hie und da feucht / klebrig / lebenslustig“, daran hat sich Herbert Fritsch bei seiner Inszenierung im Großen und Ganzen gehalten. Ein in Bild und Ton gegossenes a und o des Bayer'schen Wortkosmos. Allerdings opfert Fritsch den großartigen Text allzu vielen Albernheiten und lässt ihn dann im doch offensichtlichen, spaßigen Treiben akustisch etwas untergehen. Das ist schade. Auch wirkt der Abend diesmal etwas lang und besteht aus den gewohnten, sicher tadellos eingeübten Showelementen. Nur die Palette der Möglichkeiten scheint sich da so langsam erschöpft zu haben.

Wer es lesen will, das Gesamtwerk von Konrad Bayer ist 1977 bei Rowohlt erschienen. Wer es hören und sehen will, muss in die Volksbühne gehen. Zumindest dem Premierenpublikum hat es überwiegend gefallen.
Stefan Bock - 19. Februar 2015
ID 8450
DER DIE MANN (Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz, 18.02.2015)
Regie und Bühne: Herbert Fritsch
Kostüme: Victoria Behr
Licht: Torsten König
Musikalische Leitung: Ingo Günther
Dramaturgie: Sabrina Zwach
Mit: Florian Anderer, Jan Bluthardt, Werner Eng, Annika Meier, Ruth Rosenfeld, Axel Wandtke, Hubert Wild, Ingo Günther (dasderdiemannorchester), Michael Rowalska (dasderdiemannorchester), Taiko Saito (dasderdiemannorchester) und Fabrizio Tentoni (dasderdiemannorchester)
Premiere war am 18. Februar 2015
Weitere Termine: 22., 26. 2. / 15., 25. 3. / 3. 4. 2015


Weitere Infos siehe auch: http://www.volksbuehne-berlin.de/


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