Unüberschaubare
Figurenflut
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Der Sturm am Theater Bonn | Foto (C) Thilo Beu
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Bewertung:
Zauberin Prospero und ihre Tochter Miranda sind auf eine Insel verbannt. Die vormalige Herzogin von Mailand wurde von ihrem Bruder Antonio entmachtet. Sie sinnt auf Rache und sieht die Gelegenheit gekommen, als eine Flotte mit ihrem Bruder an der Insel vorbeisegelt. Sie entfacht einen Sturm, und bald irrt nicht nur ihr Bruder, sondern die gesamte Schiffsbesatzung auf der Insel herum, die Prospero mit zahlreichen helfenden Dienern beherrscht. Es ist immer wieder ein Genuss, weniger bekannte Dramen Shakespeares auf der Bühne zu erleben. Sehr schade nur, wenn dann die Umsetzung allzu inspirationslos und nüchtern an einer fehlenden Deutung des Dramas krankt.
Der Sturm beginnt in den Bad Godesberger Kammerspielen immerhin mit packenden Effekten. Das Licht verdunkelt und taucht das Interieur in bläulichen Schein. Die Bühnenebenen geraten in Bewegung, fahren hoch und runter und verlagern sich. Vereinzelt angebrachte metallene Stangen inklusive Verästelungen ragen baumartig aus der Bühne hervor. Ist dieses gerade betretene Land nun fruchtbar oder nicht? Auf das erste Überraschungsmoment folgt ein zweites. Die Gestrandeten, die sich gerade an Land kämpften, sehen gar nicht aus wie Schiffbrüchige. Sie erscheinen vornehm gekleidet wie nach einer Abendgesellschaft oder zum Empfang einer Cocktailparty. Sie unterhalten sich gepflegt, wirken konzentriert und kultiviert.
Insbesondere anfangs ist es schwer, die Figuren zu bestimmen und in den einzelnen Konstellationen und Verwicklungen auseinanderzuhalten, gerade auch für jemanden, der nicht allzu vertraut mit der Vorlage ist. Zentrale Männerfiguren wie Prospero, Alonso und Gonsalo wurden durch Frauen besetzt, die auch Frauen spielen. Die Kostüme geben wenig Anhaltspunkte hinsichtlich der Macht- und Familienhierarchien. Es bleibt ein Geheimnis der Regie, warum Prospero auf einen Sessel vor den Gestrandeten platziert ist und diesen schweigend zuschaut, während sie minutenlang einen zeltähnlichen Unterschlupf aufbauen.
Die über weite Strecken unbeweglich auf der Bühne platzierten Figuren verraten wenig über ihre Gefühle. Viele der Charaktere, insbesondere Prospero, sprechen monoton zum Publikum. Es entstehen so kaum Dialoge, und trotz der Anzahl der Figuren bleibt die Handlung recht interaktionslos. Kalauer werden in einer Endlosschleife von Wiederholungen breitgetreten, etwa wenn die beiden Diener, der Kellermeister Stephano und Hofnarr Trinculo mehrfach „Schnick-Schnack-Schnuck“ spielen, bevor sie eine Tür nacheinander durchqueren können. Auf bescheidenem Niveau wird mit unnötigen Längen ein Ballermann-Feeling am Strand vorgeführt. Später gibt es noch einen ganzen Fundus an Markenklamotten, den Stephano und Trinculo durchforsten dürfen. Eine weitaus packendere Bühnenidee ist es da, auf einen auf den Boden gemalten Farbklecks feierlich eine von oben langsam heruntergelassene Palme zu platzieren.
Während es einige oft auch sinnentleerte Einfälle hinsichtlich der Requisiten und Kostüme zu bestaunen gibt, bleibt die Personenregie weitestgehend ganz auf der Strecke. Das Team rund um den irischen Regisseur Gavin Quinn enttäuschte am Theater Bonn 2015 bereits mit einer farblosen Inszenierung von Schöne neue Welt. Unter den Figuren sticht einzig Laura Sundermann als bewegter Luftgeist Ariel hervor, der mit weit ausgebreiteten Flügeln auch singen und die anderen Figuren umschwirrend so verzaubern darf. Auch Barbara Teuber bewahrt als treuer Rat des Königs Gonzalo Haltung und fesselt mit einer gefühlvoll zurückhaltenden Performance. Alois Reinhardt darf immerhin als Caliban, Prosperos Sklave, einmal mehr (wie bereits in den Buddenbrooks) seinen athletischen Prachtkörper vorführen. Dass Caliban als ursprünglicher Inselbewohner von Prospero kolonialisiert und versklavt wurde, gerät leider - wie so Vieles - ins Hintertreffen, da auch hier der Konflikt verharmlost und auf bloße Showeffekte reduziert wird.
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Laura Sundermann als Ariel in Der Sturm am Theater Bonn | Foto (C) Thilo Beu
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Ansgar Skoda - 8. März 2017 ID 9894
DER STURM (Bad Godesberger Kammerspiele, 02.03.2017)
Regie: Gavin Quinn
Bühne: Aedín Cosgrove
Kostüme: Alissa Kolbusch
Musik: Si Schroeder
Licht: Sirko Lamprecht
Besetzung:
Alonso … Ursula Grossenbacher
Sebastian … Glenn Goltz
Prospero … Birte Schrein
Antonio … Wilhelm Eilers
Ferdinand … Philipp Basener
Gonzalo … Barbara Teuber
Caliban … Alois Reinhardt
Trinculo … Hajo Tuschy
Stephano … Sören Wunderlich
Miranda … Lydia Stäubli
Ariel … Laura Sundermann
Premiere am Theater Bonn: 2. März 2017
Weitere Termine: 10., 15., 25. + 31.3./ 13. + 21.04./ 8. + 16.06.2017
Weitere Infos siehe auch: http://www.theater-bonn.de
Post an Ansgar Skoda
http://www.ansgar-skoda.de
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