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Formbare

Gewalttäter



Die schmutzigen Hände am Theater Bonn | Foto © Thilo Beu

Bewertung:    



Welche Bedeutung kann es schon haben, wenn man nichts weiter tut, als auf einen Abzug zu drücken? Im Bruchteil einer Sekunde wird etwas ausgelöst, das für einen selbst ebenso schnell wieder vorbei sein kann. Trotzdem saß Hugo zwei Jahre lang im Gefängnis. Er tötete einen Politiker ganz im Sinne der Führungsebene der kommunistisch-sozialistische Einheitspartei des Proletariats. Frisch entlassen begegnet er der Parteifreundin Olga sowie dem zur Führungsriege der Partei gehörenden Louis. Redenschwingend wirbt er auf der leer kreisenden Drehbühne für seine Wiederaufnahme in die Partei. Seine (ehemaligen) Parteikollegen beäugen ihn argwöhnisch und umkreisen ihn misstrauisch. Marco Štorman inszeniert Jean-Paul Sartres Drama Die schmutzigen Hände (1948) effektvoll mit wenigen Requisiten und provokanten Bildern.

Im Gespräch mit Olga erinnert Hugo sich an die Anfangszeit in der Partei. Er war auf der Suche nach Zugehörigkeit und Wertigkeit in einer Gruppe. Er wollte sich selbst austesten und herausfinden, wie weit er bereit zu gehen ist. In seinem radikalen Selbstentwurf galt es Haltung zu bewahren, sich selbst zu verwirklichen und zu erschaffen und zum Einsatz zu bringen. Hugo wollte sich selbst beweisen und suchte hierfür eine radikale Gruppe, die sich in ihrer Haltung gegen alle Konventionen stellt. Bestärkt in seiner Verachtung für alle Konventionen fühlt sich Hugo nicht nur durch die Gruppe, sondern auch durch seine Frau Jessica.

Die verschworene Gemeinschaft hat ihre eigenen Zugehörigkeitscodes. Kostümbildnerin Anika Marquardt stattet die männlichen Darsteller in der Parteiführung mit eng anliegenden Rollkragenpullovern aus. Jessica präsentiert sich kess-puppenhaft mit knallroter Bluse und in einem tiefblauen, weit aufgeplusterten Hosenrock. Von der Bühnendecke werden großformatige Fahnen mit verschiedenartigen Wappen heruntergelassen, die teilweise grotesk an Symbole bekannter Marken erinnern. Um dazuzugehören, muss man sich anscheinend von seiner alten Identität befreien und ein völlig neues Selbst zulassen. So lässt Manuel Zschunke in der Rolle Hugos bereitwillig die Hosen runter und entblößt sich gar völlig. Nackt präsentiert sich der 21jährige Hugo minutenlang vor den möglichen Auftraggebern und dem Publikum als formbares Instrument für die Machenschaften der Partei.

Der französische Philosoph Jean-Paul Sartre schrieb Die schmutzigen Hände (Orig.: Les mains sales) 1948, und das Drama spielt zur Zeit des Zweiten Weltkrieges. Dabei geht es um Fragen, die heute zunächst sehr verkopft und antiquiert wirken: Das Ideal der reinen Lehre der Partei wird einem politischen Pragmatismus, der sich mit den Gegebenheiten arrangieren möchte, gegenübergestellt. Es geht um Klassenzugehörigkeit und den Versuch diese zu verlassen, um eine idealistische Heimat zu finden. Diese Thematik wurde in der Inszenierung erweitert um eine Fragestellung, die uns heute in unserer Informationsgesellschaft besonders relevant erschein: Was ist echt, und was ist nur vorgetäuscht? Dies wird beispielsweise dadurch aufgegriffen, dass Jessica stets das, was ihrem Ehemann, dem Protagonisten Hugo, so wichtig wird, theatralisch verspielt aufgreift. Sogar als sie ihn zu Mordhandlungen drängt, kann man ihren melodischen Singsang nicht für voll nehmen. Als Hugo schließlich von ihr Authentizität fordert, spielt sie auch diese bloß und nötigt Hugo damit dazu, selbst auch nur zu spielen. Maya Haddad zeichnet die Jessica als selbstsicheres und dynamisch überspanntes Energiebündel, das nichts ernst nimmt. Bei ihr weiß man nie, woran man ist und wem sie nun eigentlich die Treue hält.

Da sich im gesamten Handlungsverlauf kaum eine der Figuren erkennbar entwickelt und der Fokus auf Hugo etwas ermüdet, hat das Stück deutliche Längen. Insgesamt fällt auch auf, dass Regisseur Marco Štorman die beiden Erschießungen in der Vorlage Sartres nicht zur Darstellung bringt. So wird schlussendlich die Vernichtung Hugos nur symbolisch als Verstoßung nachvollzogen, indem sich die Gruppe von ihm abwendet und ihm seinen Schicksal überlässt. Auch hier hätte man sich mehr Akzentsetzungen zur Veranschaulichung des zentralen Konfliktes gewünscht.



Die schmutzigen Hände am Theater Bonn | Foto © Thilo Beu

Ansgar Skoda - 1. März 2018
ID 10564
DIE SCHMUTZIGEN HÄNDE (Kammerspiele Bad Godesberg, 22.02.2018)
Regie: Marco Štorman
Bühne: Anika Marquardt und Anna Rudolph
Kostüme: Anika Marquardt
Musik: Gordian Gleiß
Licht: Sirko Lamprecht
Dramaturgie: Male Günther
Besetzung:
Hugo … Manuel Zschunke
Hoederer … Daniel Breitfelder
Jessica … Maya Haddad
Olga … Laura Sundermann
Slick, Prinz, Charles … Philipp Basener
Georges, Karsky, Iwan, Louis … Benjamin Berger
Premiere am Theater Bonn: 22. Februar 2018
Weitere Termine: 04., 17., 23.03. / 22., 28.04.2018


Weitere Infos siehe auch: http://www.theater-bonn.de


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