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nachDRUCK # 6

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Premierenkritik

Furchtlos im

Angesicht des

Wales



Oleg Zhukov in Moby Dick | Foto (C) Lilian Szokody

Bewertung:    



Auf abenteuerlichen Expeditionen im unsicheren Weltenmeere verliert man oder frau schon einmal das Gleichgewicht – so ergeht es im Theater im Ballsaal zumindest Laila Nielsen. Emporgehoben von anderen Darstellern ringt sie auf einem schmalen Rohr in luftiger Höhe um Balance, während die anderen Darsteller sie auf selbigen tragen und in ihre Richtung im predigerhaften Tonfall einen Monolog sprechen. Nielsen fällt, doch rappelt sich behände stets wieder auf. Ein starkes Bild einer Inszenierung von Herman Melvilles 900seitigen Romanklassiker Moby Dick (1851), der die schicksalhafte Fahrt eines Walfangschiffes aus der Sicht eines Matrosen beschreibt. Auf hoher See sind alle Mitglieder der Schiffsbesatzung aufeinander angewiesen, damit ihr Schiff „Pequod“ Kurs und Balance hält, denn weit und breit gibt es nur Ozean mit seinen Strömungen, Stürmen und „Meeresungeheuern“ wie Walen. Doch einige Personen an Bord haben nur bedingt das Gemeinwohl der anderen im Blick. Ahab, der Kapitän, jagt fanatisch einen weißen Pottwal namens Moby Dick, denn dieser riss ihm einst ein Bein ab.

Regisseur Frank Heuel arbeitet bei seiner Moby Dick–Inszenierung nicht mit eindeutigen Rollenzuschreibungen oder einem eindeutigen Bühnenbild und vermeidet so den Fokus einer Illustrierung des Geschehens. Alle acht weiß kostümierten Darsteller agieren nacheinander als Ich-Erzähler Ismael im weitestgehend leeren Raum und werden mehr und mehr zu Figuren von Ismaels Geschichte, wie etwa zum manischen Kapitän Ahab. Epische Monologe wechseln mit kurzen dialogischen Passagen ab. Die erzählerische Vielschichtigkeit und assoziationsreiche Sprache des Amerikaners Melville in einer Übersetzung von Matthias Jendis stehen klar im Vordergrund. Abhandlungen über Gott und die Welt werden abgelöst durch Fachjargon des Walfangs, komplexe Metaphern und literarische oder biblische Anspielungen.

Ismail Deniz spielt erst zurückhaltend den Matrosen und Erzähler Ismael, um dann mit umgeschnallter Beinprothese leidenschaftlich laut den rachsüchtigen Ahab zu verkörpern. Bettina Maruggs Figur des Schiffkochs stört sich erst am Lärm, den Haifische beim Auffressen eines harpunierten Wales machen, beschreibt dann jedoch genüsslich das Abschöpfen des Walfettes. Anhand eines Einkaufswagens, an dessen Seiten Overhead-Projektoren montiert wurden, veranschaulicht Oleg Zhukov wortreich den Körperbau des Pottwals und insbesondere die Stellung der Augen und der Ohren. Doch es gibt auch weniger unterhaltsame Monologe, wie etwa jene von Maciek Brzoska, der u.a. den Harpunier Queequek in seiner polnischen Muttersprache (!) spielt und diese Figur dem mehrheitlich nicht der polnischen Sprache mächtigen Publikum so nur über Gestik und Mimik zu vermitteln vermag.



Maciek Brzoska in Moby Dick | Foto (C) Lilian Szokody


Während der zweieinhalbstündigen Vorführung werden Inhalte der von Brzoska vorgeführten Monologe teilweise in deutscher Sprache an eine Bühnenwand projiziert. Durchgehend eingeblendet werden jedoch die jeweiligen Nummern der 135 Romankapitel, aus denen Abschnitte für die Performance ausgewählt wurden. Die bildgewaltigen, existentiellen Themen des Romans Melvilles, der selbst als junger Mann mit verschiedenen Walfängern in See stach, sind heute noch gültig und ungebrochen lebendig, wie Frank Heuels Adaptation einmal aufs Neue beweist.
Ansgar Skoda - 24. Mai 2015
ID 8664
MOBY DICK (Theater im Ballsaal, 20.05.2015)
Regie: Frank Heuel
Bühne & Kostüme: Annika Ley
Dramaturgie: Harald Redmer
Assistenz: Ilona Schaal
Technik: Sven Mause
Mit: Maciek Brzoska, Ismail Deniz, David Fischer, Justine Hauer, Laila Nielsen, Bettina Marugg, Andreas Meidinger und Oleg Zhukov
Premiere war am 20. Mai 2015
Weitere Termine: 23. 5. / 11. - 13. 9. 2015


Weitere Infos siehe auch: http://www.theater-im-ballsaal.de/


Post an Ansgar Skoda

http://www.ansgar-skoda.de



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