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nachDRUCK # 6

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Premierenkritik

Nacht

Eine Reise in 9 Episoden


Nacht im Haus im Park - Foto (C) Christian Martin

Bewertung:    



"Das Tagesbewusstsein hinter uns lassend machen wir uns bereit, die Räume der Nacht zu betreten. Wozu im geschäftigen Leben keine Zeit blieb, was zu zart war, bemerkt zu werden, was tags keinen Ort in uns fand, klopft nachts an.
Begleiten Sie uns auf unsere Reise und begegnen Sie den Träumenden, den Schlaflosen, den Sehnsüchtigen, den Liebenden, den Sorgenvollen, den Traumtänzern."

(Originaltext Haus im Park)


* * *

Die Nacht - sie ist eine besondere Zeit, in ihr leben dunkle Mächte, dort wird im Träumen und im Wachen gewagt und erinnert. Vergangenheit und Gegenwart verschmelzen.

Das erste Bild ist ein Gruppenbild, Menschen in Schwarz gekleidet stehen wie zu einem Foto und schauen in das Publikum. Die Darsteller sind alt, sie sind vom Leben gezeichnet und fügen sich jetzt dem in Dunkelheit gehüllten Schicksal. Oder wehren sie sich noch?

Begehren flackert auf, was ist, wenn doch noch eine Liebschaft wartet, Regeln gebrochen werden wollen, und sei es, um endlich ungestraft Müll auf den Boden zu schmeißen?

Wir tauchen ein in diese Schattenwelt, im Traum sind wir losgelöst, nicht von dieser Welt.



Nacht im Haus im Park - Foto (C) Christian Martin


Die Schauspieler machen es sichtbar. Im Raum der Schlaflosen liegen sie auf ihren Kopfkissen. Das Bühnenbild ist fantastisch, die Kissen hängen von der Decke, sind weißblau beleuchtet wie auch Nachthemd und Pyjama. Die Schlafenden wälzen sich im Stehen und grummeln so vor sich hin. Im Alter wird der Schlaf schwierig, allzu viele Gedanken und Sorgen hängen mit den Kissen in der Luft.

Das Unsichtbare wird hier sichtbar gemacht, nur du kannst es sehen, die Gläser mit den falschen Gebissen, die Toten, die großen Seen ihrer Träume. Und im Traum können sie fliegen.

Doch am nächsten Morgen werden sie sagen: "Ich habe wieder kein Auge zugetan!"

Der lange Tanz der Nacht kann also beginnen.

Es folgt eine tänzerische Choreographie, alle machen die gleichen Bewegungen. Hier ist sie, die Feier der Schlaflosigkeit, vorgeführt von einer hochbetagten Laienspielgruppe.

Das Höchstalter beträgt 95 Jahre! Die Protagonisten kommen aus einer gänzlich anderen Zeit, mit anderen Regeln, einer anderen Erziehung, einen Krieg durchlebt, Aufbauarbeit...

"Ruhe jetzt! Wisst ihr eigentlich, wie spät es ist?"

Wo die Nacht länger wird, ist sie eingeteilt in Zeitabschnitte, hier in Episoden, wie etwa Frau Sommer träumt oder Das Leben ordnen. Natürlich spielt der Mond eine Rolle, wie er so hell ins Fenster scheint. Da kann man schon gar nicht schlafen.

"Es ist ein Flüstern in der Nacht, es hat mich ganz um den Schlaf gebracht." (Theodor Storm)

In der Nacht sind sie frei zu tun, was ihnen gefällt. Die Eine kann nicht schlafen, sitzt im Sessel, will lesen und fängt dann doch an zu träumen. Oft ist es das Tagesgeschehen, welches im Rückblick verarbeitet wird, die Schuhe, die zum Schuster mussten, das mit dem Finanzamt ist dann auch erledigt. Auch die Sorge um Altersarmut, zwei Frauen sammeln Pfandflaschen vom Boden. Da schleichen sich Bilder aus der Kindheit in Form von Projektionen an die Wand. Und dann der langgehegte Wunschtraum, er geht in dieser Nacht in Erfüllung - die Reise nach Indien.



Nacht im Haus im Park - Foto (C) Christian Martin


Sagt man nicht: "Lebe deine Träume."

So gegen 4 Uhr geht dann nichts mehr, man wälzt sich von einer Seite zur anderen, steht plötzlich am Fenster, schaut in die endlose Nacht, Finsternis, Stille, Einsamkeit...

Ein Mann gekleidet in Schwarz, mit einer Sense, tritt auf die Bühne und bedrängt eine arme alte Frau. Sie hat Krebs, will keiner Operation mehr einwilligen. Der Tod kommt besonders in der Nacht, wird aber noch einmal verscheucht, die Krankheit will besiegt werden.

"Nachts schlafen die Ratten doch." Wolfgang Borchert wird zitiert, soll ein wenig Hoffnung geben und die Angst vor dem Tode nehmen. Die Menschen wollen doch nur Ruhe.

Auch der Mond scheint gnadenlos, zieht einen in seinen Bann. Nicht nur, dass er Ebbe und Flut bewirkt, unsere Emotionen durcheinander bringt, er ist geheimnisvoll.

Sind vielleicht verborgene Sehnsüchte am Wirken?

Das Nachtradio sucht Kontakt zu den immer müden Menschen. "Du schläfst noch nicht? Rufe mich an." - Und es sind Viele in der Leitung, erzählen aus ihrem Leben. Die ganze Nacht hindurch. Es ist eine Art persönliche Betreuung. Eine der Schauspielerinnen sitzt an einem Tisch, spricht in das Mikrophon, bedient die Regler.

Dann das Schlusswort aus dem Äther: "So, nun geh endlich schlafen, schalt das Radio aus, du musst nicht mehr auf Sendung sein."

"Es bleibt mir noch uns allen eine gute Nacht zu wünschen. Gute Nacht!"

Die Nacht hat etwas Groteskes, sie ist jenseits von Gut und Böse, oft müssen wir über unseren Schatten springen, in der Nacht den Mut aufbringen, der uns tagsüber abhanden gekommen war. Ist es wahr, was in der Nacht geschieht?



Nacht im Haus im Park - Foto (C) Christian Martin


Zum Schluß sehen wir etwas Verträumtes, alle Protagonisten stehen auf der Bühne, Lichtkugeln in ihren Händen. Die Dunkelheit nimmt sich Raum, Tänze von funkelnden Lichtern schwirren umher, den Sternen gleich.

Dann geht das Licht endgültig aus.


Liane Kampeter - 20. September 2014
ID 8109
NACHT (Haus im Park, 18.09.2014)
Regie: Martina Vermaaten
Bühnenbild: Astrid Huber
Choreographie: Pepita Carstens
Einspieler Traumszenen, Moderation: Jürgen Cassel und Axel v. Koss
Darsteller: Christa v. Buch-Birkholz, Marion Friedsch, Ursula Gradert, Annaliese Grimme, Bertrun Günther, Gitte Lange, Ursel Michael, Hans Neumann, Gunter Runge, Christel Scherer, Gisela Söring, Ilsemarie Süßmuth, Manfred Voigt und Renate Wilk
Die Premiere war am 18. September 2014
Weitere Termine: 20. + 21. 9. 2014

Theatersaal Haus im Park
Gräpelsweg 8
21029 Hamburg


Weitere Infos siehe auch: http://www.hausimpark.de


Post an Liane Kampeter

http://www.liane-kampeter.de




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