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Die Buddenbrooks am Theater Bonn | Foto (C) Thilo Beu

Bewertung:    



3.000 Mädchen droht jährlich in Deutschland eine Zwangsheirat, so Schätzungen des Bundesfamilienministeriums. Bei den heutigen Diskussionen sollte nicht vergessen werden, dass eine derartige Praxis auch in unserem Kulturkreis in früheren Zeiten durchaus üblich war. Eindringlich beleuchtet Sandra Strunz‘ Neuinszenierung von Thomas Manns Jahrhundertroman Die Buddenbrooks (1901) am Theater Bonn nun, wie in einer wohlhabenden Kaufmannsfamilie das private Glück Geldfragen untergeordnet wird. Auf der festlich geschmückten Bühne werden tanzende Paare von einer Live-Band musikalisch dezent begleitet. Hier nehmen Geschäfte wie eine möglichst vorteilhafte Verheiratung der Kinder ihren Ausgang.

Antonie, genannt Tony, die Tochter aus dem Hause der Buddenbrooks, wird von ihrer Familie regelrecht in eine Geldheirat gedrängt. Johanna Falckner agiert in der Rolle der Tony erst störrisch, ungläubig und rebellisch. Doch ihre selbstbewusste, junge Tony geht nach langem Hadern und Protest auf Drängen und zunehmendem Druck ihres Vaters die Ehe ein, ohne selbst je dahinter zu stehen. Sie ordnet ihr Lebensglück den familiären Vorgaben unter und wird dabei zum Objekt eines Geschäfts, das ihrer Familie zum Verhängnis wird. Auch ihre Brüder verinnerlichen, dass nur, wer leistet, geliebt wird. Während Thomas (Glenn Goltz) bald darunter leidet, stets den Schein wahren zu müssen, wird der weniger regelkonforme Christian (Alois Reinhard) bald zum familiären Außenseiter.

Choreographin Lisi Estaras übersetzt familiäre und gesellschaftliche Traditionen in dynamische Gesten, Bewegungen und Tanz. Synchrone Bewegungsabläufe der Figuren verdeutlichen Arbeitsprozesse oder familiäre Übereinkünfte, wenn etwa Thomas lebendige Gesten seines Vaters nachahmt. Dieses dramaturgische Mittel, das oftmals an das moderne Tanztheater Pina Bauschs erinnert, bringt erfrischenden Schwung in die Geschichte.

Einige Figuren des Romans werden in der Bühnenfassung nach John von Düffel umgedeutet. So thront die bei Mann weniger bedeutende alte Jungfer Klothilde in dunkler, unscheinbarer Tracht während der gesamten Vorführung beobachtend auf der Bühne. Gegen Ende rückt sie dann wild bewegt ins mahnende Zentrum des Geschehens und entwickelt beinahe seherische Qualitäten. In diesem Moment öffnet sich die Bühne nach hinten hin, und Videoprojektionen bezeugen eine düstere Zukunftsvision. Der recht pathetische Monolog Klothildes erinnert dann nicht mehr im Entferntesten an Thomas Mann, sondern stammt aus der Feder von Nachwuchsautor Wilke Weermann. Allzu deutlich ist der bildhafte Bezug auf die Gegenwart (z.B. eingeblendetes Schild der Wallstreet). Der Text von Thomas Mann hat eigentlich eine beflissene Erklärung nicht nötig, dass die Buddenbrooks bei ihren als ehrenhaft bezeichneten Geschäften skrupellos Schwellenländer ausgebeutet hätten. Manns Zynismus und Tonys Geschichte entlarven doch schon zur Genüge die biedere Bürgerattitüde. Zudem geifert leider Lena Geyer als Klothilde ähnlich schwer verständlich, polternd und monoton wie bereits in Love you, Dragonfly. Eine Choreographie krankender Gestalten löst dann recht schnell wieder aus der Schockstarre ob dieser plötzlichen, wenig erhellenden Provokation und rettet die insgesamt recht sehenswerte Inszenierung.



Die Buddenbrooks am Theater Bonn | Foto (C) Thilo Beu

Ansgar Skoda - 10. Dezember 2016 (2)
ID 9739
DIE BUDDENBROOKS (Kammerspiele Bad Godesberg, 07.12.2016)
Regie: Sandra Strunz
Bühne und Kostüme: Sabine Kohlstedt
Choreographie: Lisi Estaras
Musik: Rainer Süßmilch und Karsten Süßmilch
Licht: Max Karbe
Dramaturgie: Nicola Bramkamp
Besetzung:
Konsul Jean Buddenbrook … Wilhelm Eilers
Konsulin Bethsy Budeenbrook … Ursel Grossenbacher
Christian Buddenbrook … Alois Reinhardt
Tony Buddenbrook … Johanna Falckner
Thomas Buddenbrook … Glenn Goltz
Gerda, Thomas’ Frau … Lydia Stäubli
Hanno, ihr Sohn / Smolt ... Daniel Gawlowski
Anna, Blumenmädchen … Lara Waldow
Klothilde … Lena Geyer
Grünlich/ Permaneder … Matthias Breitenbach
Kesselmeyer, Bankier/ Morten … Philipp Basener
Leutnant … Rainer Süßmilch
Musiker … Karsten Süßmilch
sowie 8 Tänzerinnen und Tänzer
Premiere am Theater Bonn: 17. November 2016
Weitere Termine: 16., 22., 26. 12. 2016 // 11., 22., 28. 1. 2017


Weitere Infos siehe auch: http://www.theater-bonn.de


Post an Ansgar Skoda

http://www.ansgar-skoda.de



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