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Aus dem Leben eines Wüterichs

DER MENSCHENFEIND am Schauspiel Köln


Bewertung:    



Am Ende konnte man froh sein, in Reihe 1 nach der Pause noch einen Sitzplatz zu haben. Oder nicht vom Käse getroffen worden zu sein, den Alceste-Darsteller Benjamin Höppner wutentbrannt in Richtung Publikum geworfen hatte. Es soll hier nicht der Eindruck entstehen, man lebe als Zuschauer von Moritz Sostmanns Inszenierung des Menschenfeindes am Schauspiel Köln gefährlich. Oder die Darsteller lehnten sich gegen ein unwilliges Publikum auf. Anzumerken ist allerdings, dass Regisseur Sostmann seine Schauspieler im Laufe der Inszenierung für erhebliches Chaos auf der Bühne sorgen lässt. Da bleibt kein Bühnenelement auf dem anderen. Das sieht so ganz anders aus, als man es von Moritz Sostmann bisher in Köln gewohnt ist. In Der gute Mensch von Sezuan und Amerika ging es eher gesittet zu - auf einer klar strukturierten Bühne relativ klar strukturiertes Spiel.

Gemeinsam ist allen drei Abenden das Zusammenspiel von Schauspielern und Puppen. Im Menschenfeind kommt noch eine weitere Ebene hinzu. Der Abend beginnt als Clownsnummer: Philipp Plessmann alias Philinte als dummer August, Benjamin Höppner alias Alceste als weißer Clown. Die beiden können nicht ohne einander. So sehr Alceste die Menschen hasst, so sehr verzeiht Philinte ihnen – und vor allem seinem Freund – alle Fehler. Doch der weiße Clown fällt bald aus der Rolle. Regisseur Sostmann nimmt den Untertitel „der griesgrämige Verliebte“ sehr ernst – oder besser der wütende/tobende Verliebte. Alcestes Zorn darüber, dass seine geliebte Célimène einen Liebesbrief an einen anderen Mann schreibt, ist episch und dauert so lange, bis der Darsteller keine Kraft mehr hat, um dann noch einmal anzurollen.

Alle Figuren, außer dem Menschenfeind selbst und Philinte, werden von Puppen verkörpert und von Philipp Plessmann, Magda Lena Schlott, Johannes Benecke und Franziska Rattay geführt. Nur Benjamin Höppner darf sich ganz aufs menschliche Spiel konzentrieren. Das ermöglicht eine unglaubliche Dichte der Szenen, in denen alle Figuren zusammen auftreten, und schnelle Wechsel zwischen den Szenen. Gleichzeitig wird der Menschenfeind Alceste hier immer als Fremdkörper wahrgenommen, als einziger Mensch unter lauter Puppen. Auch die Puppenspieler tragen Clownsnase, sind Teil einer Truppe, das bei Alceste für Unterhaltung sorgen soll – nur sind sie regelmäßig mit ihrem Latein am Ende, weil dieser sich nicht unterhalten lassen will. Quittiert wird das denn gerne mit einem Schulterzucken. Auf ein Neues eben, angetrieben von Philinte/dem dummen August.

Höppner und Plessmann erweisen sich als gut eingespieltes Team, das den Abend auf Hochtouren bringt, immer wieder den Kontakt zum Publikum sucht und den einen oder anderen Lacher provoziert. Moritz Sostmann greift in seiner Inszenierung ins Volle, schöpft aus allerlei Theatermitteln. Dabei ist eine klare Linie nicht immer ersichtlich. Manches ist einfach nur blöd-komisch, etwa der gespuckte Wiener Walzer. Manches regt eher zum Nachdenken an, etwa das Verhalten der Freunde Acaste, Clitandre und von Oronte Célimène gegenüber, als sie erkennen, dass sie ihnen allen die große Liebe vorgegaukelt hat. Dass sie nur von Puppen gespielt wird, tut der Eindringlichkeit dieser Szene keinen Abbruch.

Kongenial ist die Bühne von Christian Beck, da sie das Puppen-Menschen-Spektakel noch unterstützt und für Komik sorgt: Sie besteht im Wesentlichen aus einem großen Esstisch und Stühlen. Und groß meint in diesem Fall, dass auch die Menschen wie kleine Puppen aussehen und sich anstrengen müssen, sich zu setzen. Zum Essen gibt es dann übergroße Teller, Gabeln und Weingläser. Insgesamt ist Der Menschenfeind ein sehenswerter, intensiv-brachialer Theaterabend, bei dem der Funke überspringt. Trotz aller vermeintlichen Gefährdungen kann man sich als Zuschauer einer Sache sicher sein: Die wollen nur spielen. Und das machen sie sehr gut.
Karoline Bendig - 12. März 2015
ID 8494
DER MENSCHENFEIND (Depot 2, 08.03.2015)
Regie: Moritz Sostmann
Bühne und Kostüme: Christian Beck
Puppen: Hagen Tilp
Licht: Michael Frank
Dramaturgie: Jens Gross
Mit: Benjamin Höppner (Alceste), Philipp Plessmann (Philinte, Acaste), Johannes Benecke (Oronte, Clitandre, Dubois), Magda Lena Schlott (Célimène) und Franziska Rattay (Éliante, Arsinoé)
Premiere war am 12. Dezember 2014
Weitere Termine: 22., 26. 3. / 6., 8., 19. 4. 2015


Weitere Infos siehe auch: http://www.schauspielkoeln.de


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