Gulasch,
Bier und
Graubrot
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(C) Ballhaus Ost
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Bewertung:
"Das Ausmaß an Gewalt und Anarchie, das Jaroslav Hašeks Jahrhundertroman Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk zugrunde liegt, wurde bislang kaum gewürdigt oder ging in Übersetzungen und Interpretationen verloren. Kriegsfolklore war gefragt, nicht Kriegsrealismus. Was aber, wenn man Hašek beim Wort nimmt und sein Psychogramm des ewigen Mitläufertums, gleichgültig ob tschechischer oder anderer Provenienz, zum Ausgangspunkt einer Gerichtsverhandlung macht?" (Quelle: Ballhaus Ost)
Vor ein paar Wochen hatten wir uns den Roman durch eine etwas überbordende und weitschweifige Münchner Sichtung des Theater-Berserkers Frank Castorf sozusagen "in Erinnerung gerufen". Selbstverständlich waren wir da - wie sooft bei den Literaturbearbeitungen des Berliners - nicht sehr weit mit unseren "Erinnerungen" und Erkenntnissen gekommen. Allzu vielschichtig (und überbordend, wie gesagt) gelangte dieses Angebot in unsre Maushirne...
Nun wollten wir's halt nochmal wissen, was das unvollendet-riesenhafte Hašek-Opus für Theaterleute eigentlich zum Vor- bzw. Nachspielen so birgt, dass sie auf es (als Stück, was es nunmal nicht ist) halt unbedingt dann nicht verzichten könnten...
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Kauza Schwejk / Der Fall Švejk - ein vorjähriges Gemeinschaftsprojekt des Studios Hrdinů Prag, der Wiener Festwochen und des Theaters Bremen - machte jetzt (als Gastspiel) im Berliner Ballhaus Ost Station. Und Regisseur/Ausstatter Dušan David Pařízek geht es vornehmlich [so wie das hörerisch/emotional bei mir herüberkam] um die verdeutlichende Aufzeigung stark national-nationalistischer Resentiments aus der Entstehungs- als wie Handlungszeit des Hašek'schen Romans.
Da fallen permanent und irgendwie absichtlich-unvermeidbar solche Stereotypen wie z.B. "Tschechensau", "Dreckstscheche" oder auch "Rindviecher, diese Tschechen - oder Juden"; Martin Baum (General Fink spielend) lässt die Tiraden unablässig aus sich fahren. Wie dann überhaupt - als eins der Markenzeichen jenes allgemeingültigen K.-und-K.-Bewusstseins österreichisch-ungarischer Prägung - instinktiver Judenhass (Schwejk war wohl jüdischen Geblüts) im Urkern schmolz. Halt alles das, was nicht ein-eindeutig als österreichisch-ungarisch verortbar schien, fiel dieser Vorverurteilung zum Opfer, sozusagen: 'Tschechen, Serben, Russen, Türken: alles eins!' o.s.ä.
Peter Fasching (Kadett Biegler spielend) zeigt sich meistens irritiert von dieser vorpogromartigen Stimmung seines Vorgesetzten, der sich plötzlich vor ihm auszieht und mit masochistisch anmutender Vorfreude den eignen Hosengürtel hautdurchblutend auf sich niedersausen lässt - entgegnen tut er ihm freilich nichts sonderlich Entkräftendes, was Finks Resentiments betrifft.
Die tschechische Fraktion dieses dreisprachigen Theaterangebotes ist mit Jiří Černý (Vanek spielend), Vladimír Javorský (Marek spielend) und Ivana Uhlířová (Oberleutnant Lukášová spielend) repräsentativ vertreten.
Gábor Biedermann (Gyula Kakonyi spielend) bringt die ungarische Komponente auf den Punkt.
Es geht - im Großen und im Ganzen - eigentlich dann um die letzten Tage des Soldaten Schwejk; konkret ist es der ungefähre Handlungsrahmen aus dem Vierten Teil des unvollendeten Romanes: "General Fink will ihn ohne weiteres Aufheben sofort als Spion hinrichten lassen, lässt aber doch noch beim 91. Regiment nachfragen. Der fromme und biedere Feldkurat Martinec versucht, Schwejk vor der Hinrichtung geistlichen Trost zu spenden, scheitert jedoch völlig, weil Schwejk ihm ununterbrochen Geschichten erzählt und ihn nicht zu Wort kommen lässt. Sehr zum Missfallen des Generals kommt ein Telegramm, dass Schwejk unverzüglich zu seiner Kompanie zurückzuschicken sei..." (Quelle: Wikipedia)
Unterbrochen wird die insgesamte Unverbindlichkeit (so kurz vor Schluss) durch eine große Pause, wo es Gulasch [lecker!], Bier und Graubrot gratis gibt! Die beste der Ideen übrigens.
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Kauza Schwejk / Der Fall Švejk | Foto (C) Alexi Pelekanos
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Andre Sokolowski - 28. April 2016 ID 9282
KAUZA SCHWEJK / DER FALL ŠVEJK (Ballhaus Ost, 27.04.2016)
Regie / Bühne: Dušan David Pařízek
Kostüme: Kamila Polívková
Dramaturgie: Roland Koberg
Licht: Krisha Piplits
Regieassistenz: Carl-Christian Fuhr
Dramaturgische Mitarbeit / Protokoll: Sophie Menasse
Mit: Gábor Biedermann (Gyula Kakonyi), Martin Baum (General Fink), Jiří Černý (Vanek), Peter Fasching (Kadett Biegler), Vladimír Javorský (Marek) und Ivana Uhlířová (Oberleutnant Lukášová)
Uraufführung bei den Wiener Festwochen war am 11. Juni 2015
Koproduktion von Studio Hrdinů Prag, Wiener Festwochen und Theater Bremen
Festival Tschechischer Kunst und Kultur "Prag-Berlin"
Weitere Infos siehe auch: http://www.ballhausost.de
http://www.andre-sokolowski.de
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