Kadaver-
gehorsam
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Prinz Friedrich von Homburg am Berliner Ensemble | Foto (C) Monika Rittershaus
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Bewertung:
Claus Peymann hatte in 2010 Kleists Käthchen inszeniert; die BE-Produktion gefiel uns seiner Zeit ganz gut. Auch mit der Hermannsschlacht hatte er sich (schon in den 1980ern) am Schauspielhaus in Bochum auseinandergesetzt - sie gilt bis heute als eine seiner besten Regiearbeiten und wurde von Regina Ziegler für das Zweite Deutsche Fernsehen einst mitgeschnitten...
Und der Prinz Friedrich von Homburg wäre/ist nun also Peymanns "dritter Kleist":
"Held und Antiheld zugleich stolpert Homburg einer Gesellschaft hinterher, die für ihn von Anfang an kein Verständnis findet, und Form, Disziplin und Ergebenheit fordert, während Homburg von Freiheit, Liebe und Tod träumt.
Das Stück endet wie es beginnt: Homburg im Traum. Verstört? Domestiziert? Oder gebrochen? Generationen von Wissenschaftlern und Theaterleuten beschäftigen sich über die Jahrhunderte mit diesem Meisterwerk des – zweifelsohne sich im Ausnahmestand befindenden – jungen Autors Kleist."
(Quelle: berliner-ensenmble.de)
Selten wird einem bewusst, dass Stücke, die vor Hunderten von Jahren mal geschrieben worden waren, heutzutage - also wenn man sie dann plötzlich, so wie gestern Abend, auf der Bühne (wieder-)sieht - völlig "unpassend" sind; und die Empfindung des Betrachtenden und Lauschenden verknotet sich sofort zu einer Art von Urteil, das da heißen könnte: Aus der Zeit gefallen. (Bei der Kleist'schen Penthesilea, beispielsweise, würde man mitnichten auf so merkwürdig Gedankenvolles kommen; komisch oder?)
Um den preußisch-militärischen Kadavergehorsam geht es vordergründig in dem Drama. Es vermittelt uns das querschnittige Innenleben einer vornehm-disziplinierten Soldateska, wie es sie seit Friedrich dem Großen gegeben hatte. Deutsches Militär, um es salopp zu formulieren, hatte immer schon einen schier preußisch-"adeligen" Ruf - ja und die deutsche Wehrmacht tat sich zu Beginn des Dritten Reiches erst mal ziemlich schwer mit Hitler & Konsorten; dass sie im Verlauf des Zweiten Weltkrieges letztlich an den bis da schier unvorstellbarsten Verbrechen (Kriegsverbrechen) hauptbeteiligt war, entzauberte sie schlussendlich von aller vorherigen "positiven" Tradition. Und Krieg ist nun mal Krieg, ja und Soldaten töten halt; egal ob mit oder ob ohne militärischem Befehl... / Also was will und soll uns der Kleist-Homburg heute noch, da es bereits seit Jahren keine Wehrpflicht mehr in Deutschland gibt, groß noch erzählen und/oder vermitteln? Die Geschichte eines Einzelnen, eines Sich-in-das-Militär-verirrt-Habenden, eine Art verklausulierte Autobiografie (Homburg = Kleist)??
Auf alle Fälle tut Sabin Tambrea die Besonderheiten jenes individuellen Außenseiters und wohl psychisch Leichtgeschädigten aufs irritierend Nachvollziehbare herübertransportieren; unvergesslich seine beiden Hochseilakte, quasi ohne Netz und doppeltem Boden!!
Carmen-Maja Antoni (als Obrist Kottwitz) fällt in dieser mehr gediegenen als aufrüttelnden Produktion noch großartigiger als die Anderen um sie (um ihn) herum aus allen Rahmen.
Was gäbe es noch zu sagen?
Das vielleicht: "gleichviel", "gleichwohl".
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Prinz Friedrich von Homburg am Berliner Ensemble | Foto (C) Monika Rittershaus
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Andre Sokolowski - 14. Februar 2017 ID 9838
PRINZ FRIEDRICH VON HOMBURG (Berliner Ensemble, 13.02.2017)
Inszenierung: Claus Peymann
Bühne und Kostüme: Achim Freyer
Dramaturgie: Jutta Ferbers und Sarah Thielen
Mitarbeit Bühne und Kostüme: Petra Weikert und Wicke Naujoks
Licht: Achim Freyer und Ulrich Eh
Mit: Carmen-Maja Antoni, Antonia Bill, Swetlana Schönfeld; Carl Bruchhäuser, Boris Jacoby, Anatol Käbisch, Roman Kaminski, Matthias Mosbach, Luca Schaub, Veit Schubert, Fabian Stromberger und Sabin Tambrea
Premiere war am 10. Februar 2017.
Weitere Termine: 24., 26.02. / 09., 23., 30.03. / 01., 13.04.2017
Weitere Infos siehe auch: http://www.berliner-ensemble.de
http://www.andre-sokolowski.de
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