Shakespeares Hamlet übersetzt von Heiner Müller
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Bewertung:
Das letzte resp. einzige Mal, dass ich die Heiner Müller-Übersetzung von dem Shakespeare-Klassiker um Hamlet sah (und hörte!), war zur legendären 1989/90er Wende-Inszenierung am DT Berlin; mit Ulrich Mühe in der Titelrolle - damals war sie mit dem Müller'schen Original seiner Hamletmaschine gekoppelt. Erstmals wurde sie bereits (ohne Die Hamletmaschine) anno 1977 in der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz aufgeführt; und ihr Verlag legt Wert darauf vorab auf diesen Teilsatz hinzuweisen: "...sie verdankt einer HAMLET-Übersetzung von Maik Hamburger/Adolf Dresen Anregungen". Ungeachtet dieses hochdezenten Winks steht sie selbstredend ganz autark auf eigenen und festen Füßen!
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Jetzt hatte sich Stefan Bachmann, der Intendant und Regisseur vom Schauspiel Köln, für diesen textlich voll auf der Höhe der Zeit bewegenden Hamlet stark gemacht und ihn in einer schier sensationell daherkommenden kargen Dichte auf die Drehbühne vom Depot 1 gestellt:
Ausstatter Olaf Altmann reichte diesbezüglich ein rostrot bevorhangtes Halbrund sowie besagte Drehbühne ergiebigst aus, um die Agierenden des Stückes vor/mit/auf denselbigen in mannigfaltigste Erscheinung treten zu lassen.
Sabrina Perry (!) tat das Ganze ungewöhnlich effizient und herrlichst anzusehen einzel- sowie gruppenchoreografieren - es entstanden eigenwillige und völlig ungeahnte Sogwirkungen Richtung Publikum, will sagen: Ein von mir so nie/noch nie zuvor erlebbarer Konzentrationsfluss wurde justament durch diese Art von Brückenschlag gewissermaßen überspannt - entweder dass der Textverfolger OBEN (auf der "Brücke") oder UNTERHALB von ihr (im Text-Fluss) sich befand. Indiz für diese Wahrnehmung: Man hätte während der drei Stunden Aufführung die Flöhe husten hören, derart konzentriert und angespannt schienen die Leute permanent am Text zu hängen...
Peter Miklusz (in der Titelrolle) übertrug all Das, wofür wir den Jungdänen über alle Maßen lieben und "verstehen": seinen unverarbeiteten Vater- und vor allem Mutterverlust - Marie-Lou Sellem nahm man dahingehend ihre zwiespältige Doppelexistenz sowohl als Königin von Dänemark wie auch als Mitermorderin des vormaligen Gatten ab - und seine Vollkenntnis als wie -isolation von Macht, Gewalt und Ränken in dem angeblich so abgefaulten Staatsgebilde. Dass ihm dann Ophelia (großer Anfall-Auftritt von Lou Zöllkau, kurz bevor sie sich freiwillig in den Schlamm des Weihers legt) von Anfang an de facto völlig wurscht war, konnte man fast körperlich erspüren; Simon Kirsch (als das Ophelia-Brüderchen) kostete seine kurze Tollwutszene wegen der in Wasser sich halt auflösenden Schwester hochgenüsslich aus. Und unvergesslich auch die atemberaubende Fecht-Szene, welche Annette Bauer einstudierte - pantomimisches Gebaren der zwei Fechtenden (je ohne Degen) auf die "musikalisch" eingespielten Fechtgeräusche (à la Degen)!!
Kurzweiliger, großartiger Schauspielabend.
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Hamlet am Schauspiel Köln | Foto (C) David Baltzer
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Andre Sokolowski - 27. März 2017 ID 9939
HAMLET (Depot 1, 26.03.2017)
Regie: Stefan Bachmann
Bühne: Olaf Altmann
Kostüme: Birgit Bungum
Choreografie und Bewegung: Sabina Perry
Kampfchoreografie: Annette Bauer
Musik: Sven Kaiser
Licht: Jürgen Kapitein
Dramaturgie: Barbara Sommer
Besetzung:
Geist von Hamlets Vater ... Jörg Ratjen
Claudius ... Bruno Cathomas
Gertrud ... Marie-Lou Sellem
Hamlet ... Peter Miklusz
Polonius ... Wolfgang Pregler
Laertes ... Simon Kirsch
Ophelia ... Lou Zöllkau
Rosencrantz ... Niklas Kohrt
Guildenstern ... Yuri Englert
1. Schauspieler / König im Schauspiel ... Jörg Ratjen
Königin im Schauspiel ... Simon Kirsch
1. Totengräber ... Wolfgang Pregler
2. Totengräber ... Jörg Ratjen
Schauspielgruppe / Osric ... Nicolas-Frederick Djuren, Nicolas Handwerker, Nils Hohenhövel, Robin Meisner, Elias Reichert, Elisa Schlott, Kristin Steffen und Marlene Tanczik
Premiere am Schauspiel Köln: 23. September 2016
Weiter Termin: 31.03.2017
Weitere Infos siehe auch: http://www.schauspiel.koeln
http://www.andre-sokolowski.de
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