Bilderkosmos
in Bewegung
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Compagnie Marie Chouinard mit Hieronymus Bosch: The Garden of Earthly Delights | (C) Nicolas Ruel
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Bewertung:
Fabeltiere, Phantasiewesen und surreale Eskalationen in einem wild wirbelnden Durcheinander – über 500 Jahre nach dem Tod des Malers Hieronymus Bosch choreographiert die Tänzerin und Choreographin Marie Chouinard mit ihrem eigenen Ensemble einen phantastischen Bilderbogen zu Hieronymus Boschs Garten der Lüste. Gestisch und tänzerisch werden voller Dramatik - in Hieronymus Bosch: The Garden of Earthly Delights - die drei unterschiedlichen Szenerien in Boschs Dreitafelbild nachgestellt. Boschs Triptychon entstand zwischen 1490 und 1500 und befindet sich bis heute im Madrider Prado. Sein Holztafel-Gemälde stellt im geöffneten Zustand auf der Mitteltafel den „Garten der Lüste“ dar. Auf dem rechten Innenflügel befindet sich eine düstere Darstellung der „Hölle“ und auf dem linken Innenflügel eine Szene aus dem Garten Eden mit Gott zwischen Adam und Eva. Mit zehn Tänzern und eindrücklichen Bilderfluten huldigt die Kanadierin Chouinard dem Maler zur Erinnerung an den 500. Todestag des berühmten Renaissance-Künstlers (1450-1516) im Jahr 2016.
Bosch malte in seinen sogenannten Triptychen rätselhafte und bizarre Tiermenschen, die Hölle, das Inferno, die Sünde und den Himmel in vielerlei Gestalt. Detailansichten des Bildwerk Boschs werden immer wieder effektvoll großformatig im Bühnenzentrum und kleinformatiger an den Seiten über Videomonitore projiziert. Anfangs wird Boschs Frontseite des Bildes eingeblendet, das die Erdscheibe in einer durchsichtigen Kugel darstellt. Dann öffnet sich das Triptychon, und die Projektion eröffnet bald Details in Boschs Bildwerk, die Tänzer und Tänzergruppen nacheinander anmutig nachstellen und mitunter kreativ und improvisiert wirkend variieren. Rollen und Partner werden dabei munter getauscht. Die Tänzerinnen und Tänzer bewegen sich als nackte Seelen in hautfarbenen Nacktkostümen. Im Garten der Lüste scheint alles möglich, wenn sich etwa männliche Seelen miteinander paaren oder sich gar ganze Gruppen aneinander verlustieren. Nach dem Garten der Lüste im ersten Teil thematisiert Chouinard im zweiten Teil die Hölle. Leider wird hier das Chaotische der Szenerie etwas übertrieben. Anders als im ersten Teil gibt es nur wenige synchrone Tanzformationen, und die Performances wirken teilweise gewollt unkoordiniert und komisch. Die Tänzer bewegen sich oft einzeln in unförmigen Kostümen, die sphärische Musik von Louis Duford erklingt aufdringlich laut und wird nur durch vereinzelte Schreie der Tänzer übertönt. Hier hätte man sich eine schlüssigere und phantasievollere Höllenvision im Sinne Boschs gewünscht.
Zu guter Letzt wird der Garten Eden dargeboten. Die Tänzer stellen hier abwechselnd die Körperhaltung Adams, Gottes und Evas nach und variieren ihren Gestus elegant. Schlussendlich wagt die Inszenierung einen genialen Kniff, wenn das versammelte Tanzensemble ineinander verschränkt als Detail des projizierten Bildes erscheint. Wechselnde Wahrnehmungsbedingungen zwischen Zwei- und Dreidimensionalität beeindrucken hier in der tänzerischen und visuellen Übertragung von Boschs Bildwelten, indem die Tänzer sich teilweise vor dem Hintergrund der Videoprojektion im Bühnenzentrum bewegen. Bosch malte seine Gemälde vor einem gesellschaftshistorischen Hintergrund, den wir uns heute nur noch schwer vorstellen können. Den überbordenden Reichtum von Boschs Bilderkosmos vermag die Inszenierung nur ansatzweise mit effektvollen Detaildarstellungen wiederzugeben. Trotzdem beflügeln Marie Chouinards dynamischen Choreographien die Lust, Boschs phantastische Gemälde immer wieder neu zu betrachten.
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Compagnie Marie Chouinard mit Hieronymus Bosch: The Garden of Earthly Delights | (C) Nicolas Ruel
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Ansgar Skoda - 9. September 2017 ID 10241
HIERONYMUS BOSCH: THE GARDEN OF EARTHLY DELIGHTS (Opernhaus Bonn, 04.09.2017)
Choreografie, Bühne, Kostüme und Licht: Marie Chouinard
Musik: Louis Dufort
Make-up: Jacques-Lee Pelletier
Beratung Video: Jimmy Lakatos
Videoassistent: Sylvain Robert
Film-Crew 3. Akt: Marie Chouinard (Skript, Regie), Jean-Francois Gratton (Kamera)
Darstellerin: Lucie Mongrain
Tänzerinnen und Tänzer … Charles Gardin-Bourbeau, Sébastien Cossette-Masse, Catherine Dagenais-Savard, Valeria Galluccio, Motrya Kozbur, Morgane Le Tiec, Scott McCabe, Sacha Ouellette-Deguire, Carol Prieur und Clémentine Schindler
Weitere Infos siehe auch: http://www.mariechouinard.com/
Post an Ansgar Skoda
skoda-webservice.de
Hieronymus B.
(Theater und Orchester Heidelberg, 12.06.2015)
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