Gender Trouble
mit Leberwurst
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The Making-of von Nora Abdel-Maksoud am Berliner Maxim Gorki Theater | Foto (C) Esra Rotthoff
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Bewertung:
Tapfere Helden mit beeindruckenden Superkräften schwingen sich auf für das Gute. Sie erretten insbesondere schöne Frauen aus den Fängen finsterer Mächte. Dabei besiegen sie glänzend auch das Böse in generale – klingt nach einem lange bewährten Erfolgsrezept einer ganzen Bandbreite eindimensional vorhersehbarer Hollywood-Blockbuster. Solche oft fiktiv überhöhte, schwarz-weiß-festgeschriebene Charakterstudien beflügelten die Münchnerin Nora Abdel-Maksoud zu ihrem entlarvenden Geniestreich The Making-of im Studio Я des Gorki Theater. Es werden pointiert viele Klischees des Filmbusiness auf die Schippe genommen.
An einem verschneit-regnerischen Freitag den 13ten gehört schon etwas Mut dazu, die Premiere einer Uraufführung zu feiern, die schon mit ihrem Titel direkt Fragen auslöst: „The Making-of“ wovon? Was wird hier eigentlich gespielt? Zu Anfang könnte es dann gleich heißen: Und jetzt wird wieder fleißig mit den Fingern geschnippt, wir befeuern das filmische Mainstream-Produkt: Vier Personen – eine Regisseurin und ihre drei Hauptdarsteller - sitzen dem Theaterpublikum vis-a-vis gegenüber und lösen einander mit schnippend erhobenen Finger beim Schwadronieren über das gemeinsame Projekt ab, wobei natürlich nicht alle gleichberechtigt zu Wort kommen. Sobald einer der Sitzenden schnippt, halten die anderen in ihrem Gesprächsfluss inne und verharren wie erstarrt in ihrer Position. Eine deutsche Fledermausmann-Produktion wird beworben, in der allerlei freizügig Haariges zu sehen sein soll, in solcher Radikalität angeblich bis dato noch nie da gewesen.
Die von Stella Hilb dargestellte Regisseurin verortet ihr Debüt im Mainstreamkino für die Massen. Mögliche Sponsoren, auch bei den öffentlich-rechtlichen Sendern, fürchten nichts mehr als anspruchsvoll verkopfte Arthaus-Produktionen. Wer braucht heutzutage schon künstlerisch anspruchsvolles Kino? Namhafte Produzenten ließen sich vom Batmans-Projekt überzeugen, weil sich das Publikum mit den einfachen Charakteren schnell identifizieren und hier mögliche Vorbilder finden kann. Immer wieder löst sich die auf der weitestgehend leeren Bühne vorgeführte Interviewsituation auf, indem Probesituationen und Drehszenen nachgestellt werden. Ein beeindruckendes Namedropping beginnt, wenn die Regisseurin ihr Werk einzuordnen versucht. So habe Leonardo di Caprio in seiner oscarprämierten Rolle in The Revenant noch mit einer gepixelten Computeranimation gekämpft - in ihrem Film trete der Batman-Darsteller hingegen gegen einen waschechten Schakal an. Wir erinnern uns an gleichnamige Filme mit u.a. Bruce Willis in der Titelrolle, wenn Till Wonka relativ ausdruckslos, schweigsam und starr die Schakal-Rolle mimt.
Der Fledermausmann-Darsteller (Eva Bay) erklärt geheimnisvoll, während er sich übertrieben windet, er mache die „Kinski-Schraube“. Seine erste Begegnung mit dem Schakal wird gerade geprobt. Die Stimme Batmans ist künstlich verstärkt, denn eigentlich steckt eine sensible Natur mit weinerlichem, hohem und schwäbelndem Singsang hinter der Besetzung. Da wurde auch bei den Muskeln nachgeholfen – denn der Produzent möchte schließlich seinen Sohn in der Batman-Rolle sehen. Doch womit kann die weibliche Besetzung eigentlich überzeugen, ein stereotypes Opfer à la King Kong oder Die Schöne und das Biest. Eine falsche Nase muss her – denn diese verhalf ja augenscheinlich auch Charlize Theron in Monster oder Nicole Kidman in The Hours zum Oscar. Doch die weibliche Hauptrolle (Mareike Beykirch), die vor allem mit nackten Tatsachen in die Kinos locken soll, versucht ihre Figur feministisch umzudeuten. Bald häufen sich ungeschickte Befreiungsversuche genauso wie gebrauchte Tampons auf der Bühne. Figuren werden liebevoll stilisiert und bis ins Grotesk-Exzentrische überspitzt. Übertreibungen brechen sich Bahn. Das obszön-provokante und vulgär-zotige Vokabular scheut nicht den Anschein des Boulevardmäßigen, verirrt sich dann jedoch immer wieder gehörig in die Tiefen gegenwärtiger Diskussionen, wenn plötzlich das Gender Pay Gap oder das Ehegattensplitting eine Rolle spielen. Ein überschätzter Neo Rauch verdiene immer noch mehr als eine herausragende Marina Abramovic, weiß so der Schakal-Darsteller zu berichten. Geschlechterstereotype werden immer wieder hinterfragt, um dann doch umso vehementer mit genüsslicher Übertriebenheit bedient zu werden. Leider wiederholen sich einige Pointen allzu sehr, und nicht jeder zotige Witz oder frivole Verweis mochten glücken. Doch nie wird es allzu übertrieben oder gar albern – und am Ende vermögen die Figuren sogar mit einer Choreographie und Gesang zu glänzen. Ein schöner Schwenk und ein einfallsreiches, höchst unterhaltsames und geistreiches Potpourri über die Filmindustrie und in ihr eingeschriebene Geschlechterbilder und –klischees.
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Premierenapplaus nach der Uraufführung von The Making-of am Berliner Maxim Gorki Theater | Foto (C) Ansgar Skoda
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Ansgar Skoda - 14. Januar 2017 ID 9787
THE MAKING-OF (Studio Я, 13.01.2017)
Regie: Nora Abdel-Maksoud
Bühne/Kostüme: Katharina Faltner
Musik: Enik
Dramaturgie: Tobias Herzberg
Künstlerische Mitarbeit: Aram Tafreshian, Till Wonka, Mareike Beykirch, Eva Bay, Stella Hilb und Anne Haug
Mit: Eva Bay, Mareike Beykirch, Stella Hilb und Till Wonka
Uraufführung am Maxim Gorki Theater: 13. Januar 2017
Weitere Termine: 14., 15., 23. + 24.01. / 19. + 22.02.2017
Weitere Infos siehe auch: http://www.gorki.de
Post an Ansgar Skoda
http://www.ansgar-skoda.de
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