Die Farbe
der Elbe
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Frida Ponizil und André Voigt im Dresdner Bürgerbühnen-Stück Alles im Fluss | Foto (C) David Baltzer
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Bewertung:
Alles fliest, manchmal auch gegen den Strom, nur die toten Fische nicht. Aber Wasser hat keine Balken, und wer sich waschen will, muss sich nass machen. Und ertrinken kann man in der kleinsten Pfütze.
Das Sujet des Stückes [Alles im Fluss] lädt ja förmlich dazu ein, ein Zitatefestival zu feiern, dem kann ich kaum widerstehen, will mich ab sofort aber bremsen.
Am Theater geht es – eigentlich – nicht um Rekorde, dennoch sei vermeldet, dass die mit vielleicht 80 Metern im Quadrat nicht eben große Bühne des KH3 im Kleinen Haus diesmal mit knapp fünfzig Darstellern bespielt wurde, was sie an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen ließ und die beim Schlussapplaus dann auch mal überschritt. Immerhin, der knappe Raum wurde optimal genutzt, auch dank der Choreographien, die den großen Haufen auf der Bühne zum Tanzen und auch zum Schwimmen brachten. Das gab schöne Bilder, die passend von Geräusch und Musik untermalt wurden.
Auch für jene zeichnete Uli Jäckle verantwortlich, der als Regisseur und Autor seine Trilogie vollendete, nach zwei Landschaftstheatern in den Weiten der Sächsischen Schweiz diesmal indoor, aber immer „dem Ziehen von kulturellen Verbindungslinien“ zwischen Dresden und dem elbaufwärts gelegenen Umland verpflichtet, wie das Programmheft verriet.
Diese ergaben sich vor allem daraus, dass die Darsteller aus beiden Galaxien kamen, und natürlich aus dem Fluss, der die beiden verbindet. Ansonsten wurde das nicht weiter vertieft, es ging eher um die persönlichen Erfahrungen der Handelnden mit dem Fließen im Allgemeinen und der Elbe im Besonderen. Bürgerbühnenüblich war da von spannenden und teilweise ergreifenden Schicksalen zu erfahren, die allerdings der Menge geschuldet nur angerissen werden konnten und oftmals auch recht unvermittelt den Zuschauern offeriert wurden. An sinnstiftenden Übergängen mangelte es generell, zumeist wurden Szenen aneinandergereiht, die wenig miteinander zu tun hatten.
Aber in den Episoden war schon einiges drin, auch wenn Ausdrucksstärke und Relevanz der Geschichten sehr unterschiedlich ausgeprägt waren unter den Spielern. So steigerte sich das klassische Vermögensberatergeschwätz des Einen dann in eine sehenswerte Pantomime unter Mitwirkung der ganzen Gruppe, man erfuhr auf charmante Art einiges über die Abwasserreinigung, bei der Forelle war immerhin die Bühnenpräsenz der Sängerin zu bewundern und die natürlich unvermeidlichen „Flu-hut“-Geschichten konnten anrühren.
Anderes schien verzichtbar, wie das Schlager-Intermezzo oder die Nixen-Szene, auch die Trennungsgeschichten segelten hart an der Peinlichkeit. Sehr schön dagegen kam die alte Dame rüber, die die Treulosigkeit ihres „Tanzgeräts“ beklagte, der von den Standardtänzen zum Tango wechselte. Die schön erzählte Geschichte von der Wassernixe Undine, die dank der Liebe eine Seele gewinnt und sie wegen der Untreue ihres Ritters wieder verliert, konnte auch meist begeistern, besonders beim dramatischen Ende, als die Fluten (gespielt vom Ensemble) den Treulosen nebst Gespielin verschlangen.
Überhaupt war der Abend am stärksten, wenn die Gruppe gemeinsam agierte, tanzte, sang oder einfach den Fluss darstellte. Dies lag auch an den spannenden Toncollagen von Suzanne J. Hensel und Carsten Schneider, die diese aus Interviews mit den Darstellern zu den Kernfragen des Stückes formten. Da wurden die Kosten und der Wert der Elbe genauso abgehandelt wie die Eigenschaften des Wassers, zur Farbe der Elbe konnte man sich nicht einigen, wohl aber dazu, dass am Ende alles im Meer ende.
Beschlossen und gekrönt wurde das Stück durch eine sehr feine Schlussszene, alle Darsteller tauchten einzeln oder in Gruppen noch einmal in einem Schlaglicht auf der Bank auf, die mit einer darauf sitzenden Dame den ganzen Abend den ruhenden Pol der Inszenierung darstellte.
Mit „normalen“ Theatermaßstäben sind Bürgerbühnen-Stücke kaum zu messen, das trifft diesmal ganz besonders zu. Es war eher eine große Performance von knapp fünfzig Laien unter professioneller Anleitung, mal weniger, meist aber mehr gelungen. Wenn man sich darauf einlässt, macht der Abend Spaß, und man geht erfrischt und beschwingt nach Hause.
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An die 50 Spielerinnen und Spieler in dem Dresdner Bürgerbühne-Stück Alles im Fluss | Foto (C) David Baltzer
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Sandro Zimmermann - 9. Mai 2015 ID 8632
ALLES IM FLUSS (Kleines Haus 3, 09.05.2015)
Regie und Musik: Uli Jäckle
Text: Uli Jäckle, die Spieler
Bühne und Kostüm: Elena Anatolevna
Hörspiel: Suzanne J. Hensel und Carsten Schneider
Licht: Andreas Kunert
Dramaturgie: Sophie Püschel
Mit: Jutta Angelow, Irene Bender, Käte Berneis, Beatrice Brülke, Eva Daßinnies, Anja Dellner, Steffi Förtsch, Stephanie Frohberg, Carmen Gaunitz, Kerstin Guse, Christa Hasenkrüger, Johannes Hille, Natascha Hofmann, Thomas Huhn, Hansruedi Humm, Silvia Jentzsch, Cornelia Jubelt, Gudrun Kleinbeckes, Angelika Kuge, Sebastian Lachnitt, Gerd Laubenthal, Lieselotte Lehmann, Ines Leitholdt, Sven Liese, Katrin Lissner, Joris Marburg, Undine Materni, Barbara Max, Verena Müller, Gabriele Oehme, Susanna Pervana, Frida Ponizil, Timo Raddatz, Simon Reichard, René Roschig, Alfred Schramm, Sabine Schrem, Renate Stefanski, Kai-Uwe Ulrich, André Voigt, Maria Wallrabe, Andreas Werner, Susanne Zeiler und Yves Zirke
Uraufführung war am 23. April 2015
Weitere Termine: 6., 10., 14. 6. / 8. 7. 2015
Ein Projekt der Bürgerbühne am Staatsschauspiel Dresden
Weitere Infos siehe auch: http://www.staatsschauspiel-dresden.de/buergerbuehne/
Post an Sandro Zimmermann
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