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nachDRUCK # 6

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Uraufführung

Kleingießhübel – Eine Reiseempfehlung



Wildnis in Reinhardtsdorf-Schöna - Foto (C) Klaus Gigga

Bewertung:    



Am Ende der Lindenstraße beginnt die Wildnis, wo das Krümelmonster haust und Glückspilze massakriert werden. Die Wildnis nennt man auch Kleingießhübel, Stadt der Friseure mit der Spezialisierung auf Pechsträhnen.

Eine arbeitslose Gurkentruppe samt überqualifiziertem Chef – immerhin hat dieser den Niagara-Fall gelöst und die Formel Eins ausgerechnet – ist auf Jobsuche und dient sich einem ehemals armen Schwein von Ösi an, der am liebsten seine frischen Lotto-Millionen wieder los würde, der Liebe wegen. Herr Pfarrer (Florian Brandhorst) ist ihm gern behilflich, Hochwürden wissen ein Casino am Platze und suchen bei dieser Gelegenheit noch einige reiche Witwen um den irdischen Ballast zu erleichtern.

(Im Gegenzug verspricht er ähnlich wie früher der Mönch Tetzel Kompensation im zwischenmenschlichen Bereich. Doch schon vor fünfhundert Jahren hat sich ein gewisser Luther darüber derart empört, dass die Evangelen seither nicht mehr zum Pabste halten, auch wenn der in der Gegend einen eigenen Stein hat. Das kann ja nicht gut gehen.)

Der genial-fiese Plan scheitert letztlich wie häufig am Personal, in diesem Falle an der diensthabenden Roulette-Kugel, die ihr Endlager auf der für Pfaffens Zweck gänzlich ungeeigneten „1“ sucht und findet.

Im parallelen Handlungsstrang versucht die Goldmarie (Luzia Schelling) den Deckel auf der Gruft ihrer Schwester zu halten, sie hat da nämlich seit etwa 1.000 Jahren eine Noch-nicht-Leiche im Keller. Es ist eben nicht immer alles Gold, was glänzt, über eine blonde Mähne und eine Kieksstimme verfügt sowie in wirklich jeder Szene eine ausgesprochen hinreißende Figur hat bzw. macht.

Gut und Böse sind hier ähnlich schwer auseinanderzuhalten wie in den anderen anhängigen Weltkonflikten. Während man im Verlauf des Stückes Goldmarie bei ihrem Kampf gegen den schädlichen Einfluss der Pech-Schwester tapfer begleitet, stellt sich erstere am Ende als vertragsbrüchiges Luder heraus. Und auch das Pech hat irgendwie seine Berechtigung in der Welt, lernen wir, schon allein, weil das Glück einen Antipoden braucht. So schnell bröckeln Gewissheiten.

Am Ende siegt also die Gerechtigkeit, und ein ordnungsgemäßes Happy-End für die übergroße Mehrzahl der Beteiligten kommt auch zustande, leider begleitet von einem großen Gemetzel zu Ehren oder besser zur Rettung der Goldmarie, sinnfrei wie jede Tat dieser Art. Dennoch wird gesungen zum Schluss, nachdem alle Opfer auferstanden sind, und das nicht nur mit Begeisterung, sondern auch mit Können. Verdienter und langer Applaus des etwa dreihundertköpfigen Publikums, das auch eine kurze Regeneinlage mit in der Ferne drohendem Gewitter nicht schreckte und das den gut vier Stunden brutto mit großem Vergnügen folgte.

*

Das zweite Mal bespielt das Theater ASPIK zusammen mit dem Staatsschauspiel Dresden unter tätiger Anteilnahme der einheimischen Bevölkerung das Dorf in der Sächsischen Schweiz, und wer glaubte, die akrobatische Gartenzaun-Szene aus dem Vorjahr wäre nicht mehr zu toppen, wurde mit einer grandiosen Krimi-Romanze im Teich eines Besseren belehrt.

Die Inszenierung ist natürlich auf die Effekte ausgerichtet, die Möglichkeiten eines Freiluft-Theaters mit zu erwandernden Spielstätten und fünfzig Mitwirkenden stehen im Vordergrund, aber es ist zumindest eine Art Handlung zu erkennen, siehe oben. Der Text ist durchaus witzig, von einigen Schenkelklopfern abgesehen, und die Begeisterung der Laiendarsteller hilft auch über die wenigen dünnen Stellen hinweg.

Arnd Heuwinkel hat mit dem Ösi Fellner wieder die dankbare Rolle aus dem Vorjahr inne, glänzt aber bei weitem nicht nur mit seinen Fahrkünsten. Auf seine Uschi müssen wir leider verzichten, die Gutste hat sich mal wieder getrennt.

Hecht im Teich (auch wortwörtlich) ist aber Michael Wenzlaff, der dem Chef Größe, Ausstrahlung und eine immense Wirkung verlieh, nicht zuletzt dank seiner Stimmgewalt.

Von den Einheimischen hervorzuheben sind eigentlich alle, genannt seien Michael Wacker als treuer Gatte Günther, Bernhard Behnke als korrekter Notar und Bürgermeister Uwe Richter als Bürgermeister.



Wildnis in Reinhardtsdorf-Schöna - Foto (C) Klaus Gigga


Den großen Spaß, dieses Spektakel anzuschauen, hat man leider nur noch am nächsten Wochenende: Am 13. und 14. September jeweils um 15 Uhr vor Ort in Reinhardtsdorf-Schöna, Sporthalle. Der Shuttle-Bus fährt jeweils 13.30 Uhr vom Staatsschauspiel Dresden.

In der vor uns liegenden Saison wird es wieder eine Aufführung mit den Beteiligten geben, aber man geht diesmal neue Wege, der Kraftakt einer Theaterproduktion auf freiem Felde ist nicht jedes Jahr zu stemmen. Deshalb ist dies auch auf absehbare Zeit die letzte Gelegenheit, ein Landschaftstheater zu erleben. Es wird dringend zugeraten.



Sandro Zimmermann - 8. September 2014
ID 8071
WILDNIS (Reinhardtsdorf-Schöna, 07.09.2014)
Regie: Uli Jäckle
Bühne: Thomas Rump
Kostüm: Elena Anatolevna
Musik: Roman Keller
Dramaturgie: Esther Undisz
Besetzung:
Goldmarie ... Luzia Schelling
Günther ... Michael Wacker
Pfarrer/Bettler ... Florian Brandhorst
Notar ... Bernhard Behnke
Ludwig Fellner ... Arnd Heuwinkel
Zwei verzogene Kinder ... Valentin Jäschke und Franziska Naumann
Eine reiche Frau ... Verena Müller
Bürgermeister Werner Bratzeck ... Uwe Richter
Chruschtschow ... Andreas Wicikowski
Chef der Security ... Michael Wenzlaff
Ober ... Sebastian Lachnitt
Baum ... Gerd Laubenthal
Glücksschmied ... Matthias Schneider
Schornsteinfeger ... Michael Könemann
Pechmarie ... Anne Schietzold
Uraufführung war am 28. Juni 2014
Weitere Termine: 13. + 14. 9. 2014
Ein Landschaftstheater mit Bewohnern der Sächsischen Schweiz | Kooperation der Gemeinde Reinhardtsdorf-Schöna, der Bürgerbühne des Staatsschauspiels Dresden und Theater ASPIK


Weitere Infos siehe auch: http://www.staatsschauspiel-dresden.de/buergerbuehne/


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