Wilhelm Tell - a luschtig Gaudi
Antú Romero Nunes setzt sein filmisches Probenprojekt zur abgesagten Inszenierung ODE AN DIE FREIHEIT nach Friedrich Schiller am Thalia Theater Hamburg fort
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Bewertung:
Nach der Online-Premiere der Maria Stuart setzt Regisseur Antú Romero Nunes sein dreiteiliges Probenfilmprojekt zur abgesagten Schiller-Inszenierung Ode an die Freiheit mit dem Wilhelm Tell fort. Zu sehen sind diesmal die Schauspieler Paul Schröder und Thomas Niehaus, die als komödiantisches Dreamteam bereits in Nunes‘ 2018 zum Berliner Theatertreffen eingeladener Odyssee-Inszenierung besetzt waren.
Und auch Schillers Freiheitsdrama inszeniert Nunes als Komödie vor gemalter Felskulisse mit Gebirgsbach. Dort schwadroniert Paul Schrader als Tell mit Rauschebart im schönstem Schwizerdütsch vom einig Volk eines Blutes, während Thomas Niehaus als Tells Knabe Walter mit einem riesigem Überbiss gelangweilt schaut und irgendwann einfach in die Ecke pinkelt. Keine hohle Gasse, nur falsches Pathos, Papp-Kulissen und Kuhglocken vom Band. Ein langes Alphorn macht die Szene dann endgültig zum ironischen Schillertrash.
Wie schon im Maria-Stuart-Film gibt es auch ein Picknick, hier auf einer Almwiese mit Blumen. Vater und Sohn stärken sich bei einer Brotzeit mit Eiern, bevor es per Ski-Pantomime ins Tal geht, wo der Hut des Kaisers auf der Stange und der Reichsvogt Gessler auf sie warten. Zentrale Szene wird der Disput Tells mit Gessler, der nach Kostümtausch auch von Thomas Niehaus verkörpert wird. Ein feinsinniger Habsburger fernab in Schweizer Landen, der vom Föhn Kopfweh hat und Sodbrennen vom Käse. Er klagt über das tumbe, verstockte Bergvolk im ewigen Schatten der Täler, das nur auf Vergangenheit sinnt und das Fremde nicht mag.
Natürlich geht es auch um den Apfel, den Tell seinem Sohn vom Kopfe schießen soll. Hier mehr eine Wette aus Übermut, die Tell bietet, was dann etwas aus dem Ruder läuft. Regisseur Nunes lässt seine beiden Darsteller deklamieren und chargieren, das kein Auge trocken bleibt. Als witziges Schillerkabarett im Probenfilmche über ein immer wieder auch nationalistisch missbrauchtes Stück mag das durchgehen. Wie sich das als Teil in das von Nunes geplante große Triptychon über die Freiheit einfügt, wird man dann ja sehen. Als nächstes ist aber erst noch Schillers bürgerliches Trauerspiel Kabale und Liebe dran, der dritte Probenfilm, den Nunes nun doch noch abschließen konnte, wie das Thalia Theater auf seiner Webseite ankündigt.
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Thalia Theater Hamburg: Wilhelm Tell. Ode an die Freiheit 2 | Filmstill: Martin Prinoth
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Stefan Bock - 8. April 2020 ID 12149
Wilhelm Tell. Ode an die Freiheit 2
Probe am Thalia Theater Hamburg in unvollständiger Ausstattung
Regie: Antú Romero Nunes
Filmkonzept & Schnitt: Martin Prinoth
Bühne: Matthias Koch
Kostüme: Victoria Behr
Musik: Anna Bauer und Johannes Hofmann
Licht: Paulus Vogt
Kamera: Lilli Thalgott, Janine Reich und Martin Prinoth
Ton: Rewert Lindeburg und Gerd Mauff
Dramaturgie: Matthias Günthe und Ensemble
Besetzung:
Wilhelm Tell ... Paul Schröder
Walter (Tells Knabe) / Hermann Gessler (Reichsvogt) ... Thomas Niehaus
Die Online-Premiere war am 4. April 2020.
Weiterer Termin: 8. April 2020
Weitere Infos siehe auch: https://www.thalia-theater.de/
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