Als Sommer-
komödie
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Der Sturm auf der Open O Bühne vom Globe Berlin | Foto (C) Thorsten Wulff
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Bewertung:
Covid-19 ist nicht allein der Grund, warum das Globe Berlin auch im zweiten Jahr auf einer sogenannten Prolog-Bühne spielen muss. Zum Aufbau des aus Schwäbisch Hall nach Berlin-Charlottenburg geholten Globe-Theater-Baus aus Holz fehlen noch ein paar Genehmigungen und eine kleine zusätzliche Finanzspritze, dann kann es hoffentlich 2021 aufgebaut und Heimstatt für das Ensemble unter Theaterchef Christian Leonard werden. Unschwer zu erraten, hat man sich den Werken William Shakespeare gewidmet. Aber z.B. auch ein Stück des deutschen Dramatikers Oliver Bukowski stand letztes Jahr auf dem Programm. In diesem Jahr finden wieder Veranstaltungen mit Musik und dem Improvisationstheater Theatersport statt - und natürlich ein Stück von Shakespeare.
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Der Sturm ist Shakespeares letztes Stück und enthält ebenso wie der zeitgleich stattfindende Sommernachtstraum des aufBruch Gefängistheaters die typischen Motive wie Liebe, Hass, Verrat und Rache. Im Zusammentreffen auf dem begrenzten Raum einer Insel wollen hier die verschiedenen Protagonisten ihre latenten Herrschaftsphantasien ausleben. Ein Spiel um Macht und Unterwerfung, in dem durch Zauberkunst Verwirrung gestiftet und altes Recht wiederhergestellt wird. Kurz umrissen geht es um Prospero, den von seinem Bruder Antonio gestürzten Herzog von Mailand, der sich auf See ausgesetzt mit seiner Tochter Miranda auf eine Insel retten kann. Jahre später bringt er durch einen von Luftgeist Ariel erzeugten Sturm das Schiff des Königs von Neapel, dem sich auch dessen Bruder Sebastian und Sohn Ferdinand, Prosperos Bruder Antonio und Gonzalo, ein alter Freund Prosperos, befinden, in Seenot und lässt alle in Grüppchen auf der Insel stranden, um seine Rache zu vollziehen. Ein ausgeklügelter Plan, in dessen Folge sich eine romantisch angehauchte Komödie entspinnt.
Vieles davon ist heute durchaus aktuell, auch wenn das damals sicher nicht ganz im Sinne Shakespeares stand. So ist Prospero, der sich zum Herrscher der Insel gemacht hat, schon auch als Eroberer zu sehen, der sich nicht nur den Luftgeist Ariel zum Untertan gemacht hat, sondern auch den Eingeborenen Caliban für Sklavendienste ausnutzt. Ein aufgeklärter Herrscher, der seine Machtansprüche aus seiner Herkunft und Überlegenheit an Bildung begründet. Ein bekanntes Motiv der Kolonisation fremder Völker, was in der Übersetzung von Christian Leonard durchaus anklingt.
Zuallererst soll es aber natürlich bei einer romantischen Sommerkomödie bleiben, was dem siebenköpfigen Ensemble in wechselnden Rollen auch ganz gut gelingt. Die Bühne besteht aus einem Offenen O, auf dessen mit den Baumaterialien des Globe-Theaters gebildeten Rand gespielt wird. Ein auf und ab von Bretterstegen und kleinen Verhauen, die mit dem Grün am Rande Prosperos Insel bilden. In der Mitte sitzt das Publikum auf einzelnen Stühlen, die durch Corona bedingt auf 100 Stück reduziert sind. Auch hier muss beim Betreten eine Maske getragen und Abstand gehalten werden. Aber man bleibt in Bewegung beim Verfolgen des Treibens auf der sogenannten Open O Bühne.
Fantasievolle Kostüme und die minimalistischen Klänge eines Vibrafons, das von allen Darstellern im Wechsel bedient wird, sorgen für das nötige märchenhafte Ambiente. Es ist nicht ganz einfach für Unkundige dem Spiel, das eigentlich erst nach der Pause etwas an Rasanz zunimmt, in allen Handlungssträngen zu folgen. Anselm Lipgens als Strippenzieher Prospero beherrscht mit seinem immer wieder magisch auftauchenden Dienstgeist Ariel (Wiebke Acton) das Geschehen. Etwas an den Rand gedrängt wirkt da die hilflos umherirrende Truppe um König Alonso (Peter Beck) und die Ränkespiele der machtgeilen Brüder Sebastian (Benjamin Krüger) und Antonio (Uwe Neumann).
Aber besonders die Szenen des jungen Liebespaares Ferdinand (Benjamin Krüger) und Miranda (Nadja Schimonsky) sowie des trinkseligen Dreiers Stefano (Peter Beck), Trinculo (Uwe Neumann) und Inselungetüm Caliban (Saskia von Winterfeld), der im Übermut kurzentschlossen auch die Macht über die Insel an sich reißen will, sorgen beim Publikum immer wieder für Lacher. Alles, was eine leichte Sommerkomödie braucht. Nicht gerade systemstürzend, aber dennoch lebenswichtige Theaterkunst. Oder wie es bei Shakespeare heißt: „Wir sind der Stoff, aus dem die Träume sind.“
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Der Sturm auf der Open O Bühne vom Globe Berlin | Foto (C) Thorsten Wulff
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Stefan Bock - 27. Juli 2020 ID 12373
DER STURM (Globe Berlin, Open O Bühne | 25.07.2020)
Regie: Jens Schmidl
Musik: Bernd Medek
Bühne: Thomas Lorenz-Herting
Kostüme: Katharina Piriwe
Dramaturgie: Josephine Tietze
Übersetzung + Produktion: Christian Leonard
Mit: Anselm Lipgens (Prospero), Benjamin Krüger (Ferdinand, Sebastian), Nadja Schimonsky (Miranda, Adrian), Peter Beck (Alonso, Stefano), Saskia von Winterfeld (Gonzalo, Caliban), Uwe Neumann (Antonio, Trinculo) und Wiebke Acton (Ariel)
Premiere war am 23. Juli 2020.
Weitere Termine: 30.07.-15.08. / 10.-12.09.2020, jeweils Do - Sa
Weitere Infos siehe auch: https://globe.berlin/
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