Die verräterischen
Hausschuhe
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Bewertung:
In der Nachkriegszeit waren die so genannten Kellertheater der Ort für die Avantgarde, die die Jahre der nationalsozialistischen Kulturpolitik nachhaltig von den großen Bühnen vertrieben hatten. Inzwischen hat sich das verändert. Das Experiment hat sich an zahlreichen Staats-, Landes- und Stadttheatern etabliert. Zugleich haben viele Kellertheater den Rückzug ins traditionelle Repertoire angetreten. Ihr Kennzeichen ist nicht die Pionierarbeit, sondern die Beschränkung auf ein kleines Ensemble, bescheidene Ausstattung und reduzierte Technik.
Halbe Wahrheiten von Alan Ayckbourn (82), der immerhin zu Peter Zadeks Favoriten zählte und mit denen das Innsbrucker Kellertheater mit seinen knapp 100 ausverkauften Plätzen die Saison eröffnet, streben keine intellektuellen oder artistischen Höhenflüge an. Innovationen sucht man da vergebens. 1967 uraufgeführt und noch im selben Jahr von Theo Lingen in Hamburg inszeniert, brilliert die Boulevardkomödie durch die Beherrschung der einschlägigen Techniken. Gleich nach dem Umbau auf offener Bühne nach der Exposition wird Verwirrung gestiftet durch einen Trick, den schon Johann Nepomuk Nestroy angewandt hat. Indem Eigennamen durch Fürwörter ersetzt werden, wissen die Dialogpartner nicht, von wem die Rede ist, und es kommt zu weitreichenden Missverständnissen. Das Stück ist eine Serie von Abgängen, die jeweils zwei Darsteller auf der Bühne zurück lassen. Sie teilen ein Geheimnis, das vor den anderen verborgen bleiben muss. Dabei spielt, wie seit Feydeau, der Seitensprung eine tragende Rolle. Wenn man also nach einem tieferen Sinn sucht, so läge er darin, dass die bürgerliche Gesellschaft auf Gaunerei und Täuschung beruht. Die halben Wahrheiten sind, genauer besehen, ganze Lügen. Besonders hübsch ist der Einfall, dass der Liebhaber den Schwindel ausnützen möchte für eine Spritztour mit der angeblichen Tochter. Und wie in den Modellen des Genres geht es mehr oder weniger versöhnlich aus. Wenn da nicht die Hausschuhe wären, deren Futter am Ende Fragen offen lässt.
Regisseurin Caroline Richards inszeniert vom Blatt, mit einem netten Einfall: dem gemeinsamen Mittagessen zu Edward Elgars Pseudohymne Pomp and Circumstance. Die Schauspieler – Caroline M. Hochfelner und Andreas Jähnert als das junge heiratswillige Paar, Bernadette Heidegger als die falsche Mutter der Braut und Klaus Rohrmoser als deren nicht minder falscher Vater – bedürfen keines Bonus. Sie spielen ihre Rollen genregerecht, mit dem richtigen Gefühl für Timing, die Setzung von Pointen und dankenswerterweise ohne ein Übermaß an Feixerei.
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Klaus Rohrmoser, Bernadette Heidegger, Caroline M. Hochfelner und Andreas Jähnert (v.l.n.r.) in Halbe Wahrheiten von Alan Ayckbourn am Innsbrucker Kellertheater | Bildquelle: kellertheater.at
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Thomas Rothschild - 1. September 2021 ID 13113
HALBE WAHRHEITEN (Innsbrucker Kellertheater, 31.08.2021)
von Alan Ayckborn
Regie: Caroline Richards
Bühne und Kostüme: Alexia Engl
Technik: Andreas Schwarz und Immanuel Cadet
Mit: Andreas Jähnert (als Greg), Caroline M. Hochfelner (als Ginny), Klaus Rohrmoser (als Philip) und Bernadette Heidegger (als Sheila)
Premiere war am 17. Juli 2021.
Weitere Termine: 01., 02.09.2021
Weitere Infos siehe auch: https://www.kellertheater.at/
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