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Freie Szene

In the blink

of an eye

von und mit dem Ton und Kirschen Wandertheater aus Werder (Havel)


(C) Jean-Pierre Estournet

Bewertung:    



Nach Shakespeares Sonette im letzten Jahr hält es das Ton und Kirschen Wandertheater auch in seinem neuesten Stück In the blink of an eye weiter mit der Liebe.

Diesmal ist das internationale Ensemble unter der künstlerischen Leitung von Margarete Biereye & David Johnston u.a. auf die nah- und fernöstlichen Mystiker gekommen. Dschalal ad-Din Muhammad Rumi (1207-1273) ist so ein Sufi-Meister, Gelehrter und persischer Dichter, dessen kleine Fabeln und Weisheiten hier neben kurzen Einaktern und Gedichten von Brecht, Beckett, Tschechow und Ovid den 90minütigen Abend füllen. Diese west-östliche Mischung gibt auch die Richtung des mal besinnlichen, mal tragikomischen, vor allem aber melancholisch-poetischen Nummernprogramms vor.

Eine Reise einmal um die ganze Weltkugel in einem Augenblick, wenn man so will. Das liegt wie immer auch ganz im Auge des Betrachters selbst. Der Abend auf der Freilichtbühne der Tempelhofer ufaFabrik beginnt aber zunächst recht kämpferisch in Ritter-Fantasiekostümen, Masken und auf Stelzen. Ein English Mumming Play. Das Zirzensische liegt dem Ton und Kirschen Theater. Auch im Puppenspiel von Nelson Leon und Daisy Watkiss, die ihre kleinen Affen Fahrrad fahren und auf dem Seil balancieren lassen. Letztendlich ist dieser Exkurs auch eine Reise durch über 25 Jahre Ton und Kirschen Theater mit viel Magie und Slapstick, französischen Chansons, russischen Weisen und spanischem Flamenco im Wechsel mit Szenen, in denen das Ensemble Tschechows Scherz in einem Akt Der Bär oder Becketts minimalistischen Einakter Kommen und Gehen spielt.

Das will zunächst nicht so recht zueinander passen. Der rote Faden bleibt die Liebe, die plötzlich unerwartet aufkeimt wie zwischen Schuldnerin und forschem Eintreiber (Der Bär), die sich zum Duell fordern und dann einander erliegen, oder die vergangen nur noch in der Erinnerung dreier fast identischer Frauen (Kommen und Gehen) existiert, die sich wechselnd Geheimnisse der anderen zuraunen. Dagegen stehen Rumis Parabel Der Elefanten im dunklen Haus, in der sich vier Gelehrte (hier Experten) darüber streiten, was wohl ein Elefant ist, nachdem sie nur die verschiedenen Teile seines Körpers durch Löcher in einem Zirkuswagen berührt haben. An die verschiedene Sicht der Dinge, Vergänglichkeit und Macht des Schicksals rührt auch die Geschichte Die Flucht nach Hindustan, in der ein Mann sich vom Weisen Salomo aus Furcht vor dem Todesengel nach Hindustan bringen lässt, ohne Wissen, dass er genau dort von ihm geholt werden soll.

Schließlich befindet sich alles in Auflösung, läuft aus dem Ruder. Das Chaos regiert. Dagegen plädieren die einen, dass schon nichts passieren wird und ja alles so weit weg wäre. Wogegen sich die anderen gegen das Immer-so-weiter stemmen, bis die drohende Klimakatstrophe mit Gewitterdonner hereinbricht, die Stellwände auf der Bühne schiefstehen und ein glühend leuchtender Sonnenball hochgezogen wird. Besonderes Highlight des Abends ist aber Ovids Tragödie von Pyramus und Thisbe, vielen auch als Handwerkerschwank aus Shakespeares Sommernachtstraum bekannt. Die tragische Liebesgeschichte wird hier als fernöstliches Nō- und Kabuki-Theater gespielt, vom Rand mit Word und Musik begleitet. Die Bühnenrückwand scheint als Buddha-Schrein und Rollbildprojektion mit Maulbeerbaum und Kranichen, die aus Bertold Brechts Gedicht Die Liebenden über den Horizont ziehen, als poetisches Sinnbild für das Verbindende aber immer auch Flüchtige der Liebe.



(C) Jean-Pierre Estournet

Stefan Bock - 24. August 2018
ID 10866
IN THE BLINK OF AN EYE (ufaFabrik, 22.08.2018)
Eine Kreation des Ton und Kirschen Wandertheaters:
Margarete Biereye, Victor Cuevas, Regis Gergouin, Thalia Heninger, David Johnston, Rob Wyn Jones, Nelson Leon und Daisy Watkiss
Künstlerische Leitung: Margarete Biereye & David Johnston
Uraufführung war am 09.11.2017 in der Fabrik Potsdam
Weitere Termine in der ufaFabrik: 24., 25.08.2018


Weitere Infos siehe auch: http://tonundkirschen.de/


Post an Stefan Bock

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