Die Komik
des Grills
|
Kleingartenverein Zukunft im Kosmos Theater Wien | Foto (C) Bettina Frenzel
|
Bewertung:
Das Kosmos Theater ist eins der zahlreichen Wiener Kleintheater, die sich mit wenig Geld und viel Spielfreude eine eigene Fangemeinde erworben haben und in der einen oder anderen Weise abweichen vom konventionellen Schauspiel. Es residiert in einem ehemaligen Kino in der Straße mit dem poetischen Namen Siebensterngasse, gegenüber der Mondscheingasse, im einzigen Wiener Gemeindebezirk, in dem die Grünen, seit 20 Jahren, vor SPÖ, ÖVP und FPÖ die mit Abstand meisten Wähler haben, und definiert sich selbst als „feministisches Haus“ für „zeitgenössisches Theater, Performances, Tanz, Musik, bildende Kunst, Comedy, Kabarett und Clownerie“. So gesehen befindet es sich im Trend des (nicht nur österreichischen) Zeitgeists, wie es das Burgtheater im feudalen 18. oder das Theater in der Josefstadt im bürgerlichen 19. Jahrhundert taten. Wenn es dennoch als „alternativ“ und der etablierte Rest somit als Norm kategorisiert wird, signalisiert das nur, welche soziale Schicht auch heute noch das Sagen hat. Die Bundeskanzler mögen zurücktreten (müssen) – die Macht bleibt unverändert in den Händen derer, die mit ihnen Korruption für ein Kavaliersdelikt halten.
Die jüngste „Stückentwicklung“ am Kosmos Theater trägt den Titel Kleingartenverein Zukunft und verweist schon mit ihm auf ein bestimmtes soziales Milieu.
Soviel vorweg: Mit Feminismus hat Kleingartenverein Zukunft nichts zu tun. Es handelt sich um eine Nummernrevue irgendwo zwischen Pantomime und Comedy. Noch vor dem Beginn wird unter Glühbirnengirlanden und zur Musik eines Einmannorchesters eine Art Gartenfest gefeiert. Dann werden die Überreste weggeblasen, das Licht im ansteigenden Zuschauerraum wird gelöscht, und es kann beginnen. Vier Männer und drei Frauen bemühen sich, nicht sonderlich überzeugend (aber das ist auch eine Frage des individuellen Humorverständnisses), um Komik. Sie kämpfen mit Campingliegen – die berühmte „Tücke des Objekts“, die der Stummfilm so meisterlich gepflegt hat –, tanzen in einer ziemlich laienhaften Choreographie mit Rasenmähern und rezitieren Regeln für den Kleingartenverein. Bei Tati oder auch bei Jérôme Deschamps hätten sie und die Regisseurin Maria Sendlhofer lernen können, wie so etwas funktioniert und was Präzision und Timing bedeuten.
Gibt es wirklich Leute, die es als hinreichend komisch empfinden, wenn einer mit gelangweiltem Blick und noch dazu bemüht falsch Heintjes Mama ansingt, die doch nicht um ihren Jungen weinen soll? Ist es tatsächlich abendfüllend, Frauen (wo das Grillen doch angeblich genetisch bedingte Männersache ist) am obligatorischen Grill zuzusehen, während hinter einem Zaun Federball gespielt wird? Am Schluss sorgt sich das erregte Ensemble in Winterkleidung, bewaffnet mit Schneeschaufeln, um Sicherheitsvorkehrungen. Das war's aber auch schon.
Die neunzigminütige Koproduktion mit Variante Vierundvierzig und der ARGEkultur Salzburg lässt jeden Ansatz zu einer kritischen Auseinandersetzung mit der ambivalenten Ideologie der Kleingarten- oder Schrebergartenbewegung, die man auf Grund des Titels erwarten durfte, vermissen.
So gerne wäre man freundlich und schenkte dem sympathischen Team eine gute Note. Aber das ginge nur um den Preis der Unglaubwürdigkeit. Die Fangemeinde spendete reichlich Applaus und juchzte in freundschaftlicher Zuneigung. Eine erfolgreiche Premiere. Was soll da ein miesepetriger Kritiker?
|
Kleingartenverein Zukunft im Kosmos Theater Wien | Foto (C) Bettina Frenzel
|
Thomas Rothschild - 13. Oktober 2021 ID 13208
KLEINGARTENVEREIN ZUKUNFT (Kosmos Theater, 12.10.2021)
Regie und Konzept: Maria Sendlhofer
Bühne und Kostüm: Larissa Kramarek
Choreographie: Olivia Hild
Musik: Bernhard Eder
Text: Peter Neugschwentner und Armela Madreiter
Dramaturgie: Christina Kramer
Künstlerische Mitarbeit: Peter Neugschwentner
Mit: Philipp Auer, Janusz Cichocki, Bernhard Eder, Olivia Hild, Suse Lichtenberger, Peter Pertusini und Krista Schweiggl
Premiere war am 12. Oktober 2021.
Weitere Termine: 14., 15., 20.-23.10.2021
Koproduktion mit Variante Vierundvierzig und der ARGEkultur Salzburg
Weitere Infos siehe auch: https://kosmostheater.at/
Post an Dr. Thomas Rothschild
Freie Szene
Neue Stücke
Premierenkritiken
ROTHSCHILDS KOLUMNEN
Hat Ihnen der Beitrag gefallen?
Unterstützen auch Sie KULTURA-EXTRA!
Vielen Dank.
|
|
|
Anzeigen:
Kulturtermine
TERMINE EINTRAGEN
Rothschilds Kolumnen
BALLETT | PERFORMANCE | TANZTHEATER
CASTORFOPERN
DEBATTEN & PERSONEN
FREIE SZENE
INTERVIEWS
PREMIEREN- KRITIKEN
ROSINENPICKEN
Glossen von Andre Sokolowski
RUHRTRIENNALE
TANZ IM AUGUST
URAUFFÜHRUNGEN
= nicht zu toppen
= schon gut
= geht so
= na ja
= katastrophal
|