Abseits des
Snobismus
|
Ein Sommernachtstraum mit der Freien Bühne Salzburg | Foto (C) Chris Rogl
|
Bewertung:
Nirgends wird dem Laientheater so ausführlich Reverenz erwiesen wie im Sommernachtstraum. Shakespeares „Komödie“ verspottet die Handwerker, die sich so unbeholfen um Pyramus und Thisbe zwischen Wand, Löwen und Mond bemühen, mit freundlicher Ironie und denunziert zugleich die Arroganz der Herrschaften, die sich über die Amateure belustigen.
Bei den Schlossfestspielen in Mattsee, 20 Kilometer von den Salzburger Festspielen entfernt, wo sich die Nachkommen von Theseus und Hippolyta, von Lysander, Demetrius, Hermia und Helena für Kulturträger halten, weil sie zu den Privilegierten zählen, denen der materielle Aufstieg in die Wiege gelegt wurde, sind Theseus und Hippolyta abwesend, wenn die Handwerker ihr Stück zu Ehren der Hochzeitsgäste aufführen. Sie spotten nicht einmal, sie bleiben einfach weg.
*
Die Ensemblemitglieder der FREIEN BÜHNE SALZBURG sind keine Laien, sondern fast ausschließlich gelernte und geprüfte Schauspieler [Namen s.u.]. Aber sie sind aufgrund ihrer ökonomischen Lage, die sich von jener der Stars vor dem Salzburger Dom gründlich unterscheidet, imstande, sich in die Situation von Shakespeares dilettierenden „Rüpeln“ hineinzudenken. Sie verraten die Figuren nicht an den Klamauk.
Die Inszenierung von Helmut Vitzthum überrascht nicht durch eigenwillige Regieeinfälle oder durch eine völlig neue Sicht auf das bekannte Stück. Nur wenn sich Demetrius und Lysander den jeweiligen weiblichen Partnern gegenüber „auf ewig verbunden“ fühlen, schmeißen diese den Freiern ihre Kleider vor die Füße und hauen ab: So glücklich ist diese Verbindung wohl nicht. Die Aufführung profitiert vom idyllischen Ambiente im umwaldeten Hof des kleinen Schlosses und benötigt nur Andeutungen eines Bühnenbilds. Die Mimen kommen ohne Mikroports aus und sind dank ihrer lobenswerten Sprechtechnik gut verständlich. Die Elfenwelt steht mit ihren fantasievollen Kostümen im nachdrücklichen Gegensatz zur heutigen Welt des Theseus und der Hyppolita sowie der jungen Liebenden, die mit Liegematte und Schlafsack in den Wald flüchten. Oberon sieht aus wie ein Varietédirektor, und Puck, der sich von hinten, aus der Baumgruppe, an die Akteure auf der Bühne anschleicht, trägt ein Latex Korsett und eine Fliegerhaube mit Brille.
Der Regisseur musste für den erkrankten Darsteller des Zettel einspringen und genießt offenbar, dass er, wenn auch nicht den Löwen, den Pyramus spielen darf. Und was lehrt uns dieser abendliche Ausflug an den Mattsee? Nicht die geschmähte „Hochkultur“ ist das Problem der Salzburger Festspiele. Ihr elitärer Snobismus ist es.
|
Ein Sommernachtstraum mit der Freien Bühne Salzburg | Foto (C) Chris Rogl
|
Thomas Rothschild – 7. August 2020 ID 12385
EIN SOMMERNACHTSTRAUM (Schlossbergspiele Mattsee, 06.08.2020)
Regie: Helmut Vitzthum
Regieassistenz: Gaby Rindberger
Kostüme: Landestheater Salzburg, Nicole Horn
Technik: Roland Lederer
Maske: Elisabeth Dehmel und Lisa Rindberger
Besetzung:
Egeus / Schnock ... Christian Zink
Theseus / Oberon ... Hans-Jürgen Bertram
Hippolyta / Titania ... Irene Refela
Puck ... Hans Peter Ampferer
Senfsamen ... Marianne Lesch
Helena ... Lilian Schaubensteiner
Demetrius ... Raphael Schallegger
Lysander ... Christian Rainer Leutgeb
Hermia ... Melanie Arnezeder
Squenz ... Christoph Mierl
Zettel ... Sebastian Martin Rehm
Flaut ... Maximilian Ziedek
Spinnweb ... Hannah Handlechner
Motte ... Francisca Leimgruber
Premiere war am 30. Juli 2020
Weitere Termine: 09., 12., 13., 15., 16., 19-21.08.2020
Eine Produktion der Freie Bühne Salzburg
Weitere Infos siehe auch: http://freie-buehne-salzburg.at
Post an Dr. Thomas Rothschild
Freie Szene
ROTHSCHILDS KOLUMNEN
Premierenkritiken
Hat Ihnen der Beitrag gefallen?
Unterstützen auch Sie KULTURA-EXTRA!
Vielen Dank.
|
|
|
Anzeigen:
Kulturtermine
TERMINE EINTRAGEN
Rothschilds Kolumnen
BALLETT | PERFORMANCE | TANZTHEATER
CASTORFOPERN
DEBATTEN & PERSONEN
FREIE SZENE
INTERVIEWS
PREMIEREN- KRITIKEN
ROSINENPICKEN
Glossen von Andre Sokolowski
RUHRTRIENNALE
TANZ IM AUGUST
URAUFFÜHRUNGEN
= nicht zu toppen
= schon gut
= geht so
= na ja
= katastrophal
|