„Warum ist es so einfach, über die Unterschicht Witze zu machen? Weil sie hier nicht sitzt.“
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Café Populaire von Nora Abdel-Maksoud am Theater Neumarkt Zürich | © Barbara Braun
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Bewertung:
RADIKAL JUNG in München!
Dieses beliebte Festival hat Volkstheater-Hausherr Christian Stückl auch in diesem Jahr wieder persönlich eröffnet – mit viel Freude über den guten Vorverkauf und gespannt auf die Produktionen, die er selbst noch nicht kennt. Eine Jury hat 15 der interessantesten Inszenierungen junger Regisseurinnen und Regisseure ausgesucht. Sie werden bis einschließlich 5. Mai am Stiglmaierplatz vorgestellt.
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Der erste Abend galt Nora Abdel-Maksoud. Die junge Autorin wurde für The Making-of vom Fachmagazin Theater heute als Nachwuchsregisseurin des Jahres 2017 und mit dem Kurt Hübner Preis 2017 ausgezeichnet. Ihr Stück Café Populaire inszenierte sie in Zürich am Theater Neumarkt. Mit großem Erfolg.
Und den hatte sie auch in München. Nach all den Diskussionen um Gender- und Migrationsprobleme ging es höchst vergnüglich um das etwas in den Hintergrund getretene Thema „Klassismus“: Klassen in einer vermeintlich egalitären Gesellschaft. Die feinen Unterschiede gibt es noch und vielleicht sogar mehr denn je, nicht nur in München. Sie machen sich fest an Essens- und Konsumgewohnheiten, der Wahl des Urlaubsortes, der Sprache. Diskursneutralität? Eine frommer Wunsch…
Svenja, von Beruf Hospizclown, ist eine strebsame Kleinbürgerin, die aufsteigen will. Wenigstens ins bunte Nachmittagsprogramm der „Goldenen Gans“, der besten Gastwirtschaft im Städtchen Blinden. Die Sache mit dem Humor gestaltet sich aber schwierig, denn Svenja erlaubt ihn sich selbstverständlich nur in einer antidiskriminatorischen Variante. Was dabei herauskommt, darüber lacht vor allem sie selber. In ihrer Verzweiflung und ach so gebildeten Selbstüberschätzung bietet sie im Internet „humornistische Tutorials“ an, eine Mischung aus Humor und Humanismus mit dem Ziel allgemeiner Weltverbesserung. Für ihre ungeschickten Auftritte begeistern sich aber nur 8 Follower. Erst als ihr unschönes Alter ego namens Don, ihr ganzer verdrängter Korrektheits-Frust, sie gegen ihren Willen die schrecklichsten Sachen sagen lässt, bahnt sich ein zweifelhafter Erfolg an...
Ein wirklich witziges Vier-Personen-Stück (Eva Bay, Marie Bonnet, Simon Brusis, Maximilian Kraus), das ganz auf geschliffenen Dialog und clowneske Szenen setzt. Eine lachsfarbene Schuhschachtel-Bühne (die Farbe Lachs gehört ins Altersheim), fast keine Requisiten. Nur raffiniertes Licht und in beige gewandete SchauspielerInnen - bekanntlich eine gebräuchliche Unfarbe an älteren Damen, die gern ein wenig fein wären, aber so nur umso langweiliger wirken. (Bühne und Kostüme: Moïra Gilliéron). Doch was die vier daraus machen, das ist sehenswert. Besonders Eva Bay in der Rolle der glücklosen Clownin Svenja meisterte ihren höchst anspruchsvollen Part bravourös. Wie schwierig es für sie war, ihre ohnehin chronisch missglückten Witze beim Erzählen vollends zu versemmeln, so dass sie dann doch noch komisch werden, das gab die Regisseurin bei anschließenden, lebhaften Publikums-Diskussion zum Besten. Schmackes hat auch Svenjas Schlußsatz, mit dem sie sich ans Publikum wendet: „Warum ist es so einfach, über die Unterschicht Witze zu machen? Weil sie hier nicht sitzt.“
Aber die Jugend, die ist zur Stelle im Volkstheater. Nicht nur bei RADIKAL JUNG.
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(C) Münchner Volkstheater
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Petra Herrmann - 29. April 2019 ID 11377
CAFÉ POPULAIRE (Münchner Volkstheater, 27.04.2019)
Regie: Nora Abdel-Maksoud
Bühne & Kostüm: Moïra Gilliéron
Musik: Enik
Dramaturgie: Inga Schonlau
Mit: Eva Bay, Marie Bonnet, Simon Brusis und Maximilian Kraus
Gastspiel des Theaters Neumarkt Zürich
Weitere Infos siehe auch: https://www.muenchner-volkstheater.de
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petra-herrmann-kunst.de
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