Postdialogisches
Theater
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Obabakoak von Bernardo Atxaga durch das Teatro Arriaga, Bilbao | Foto (C) E. Moreno Esquibel
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Bewertung:
Der spanische Regisseur Calixto Bieito hat in Deutschland seine zweite Heimat gefunden. Seit Jahren ist er gern gesehener Gast an diversen Opern- und Theaterhäusern. Jetzt hat er eine nicht mehr taufrische Aufführung aus dem Teatro Arriaga in Bilbao, dessen künstlerischer Leiter er ist, für einen heißen Abend nach Stuttgart gebracht. Obabakoak ist eine Bearbeitung des Regisseurs von einem aus teils märchenhaft-fantastischen, teils fast dokumentarischen Erzählungen bestehenden Roman des populären baskischen Schriftstellers Bernardo Atxaga aus dem Jahr 1988. In Bilbao wurde das Stück in einer spanischen und einer baskischen Version gespielt. Obaba ist der Name eines fiktiven Orts, aus dem die Erzähler der reihum vorgetragenen Geschichten stammen.
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Bieitos Inszenierung arbeitet mit Mitteln, die zurzeit auffällig häufig auftreten: mit frontaler Hinwendung zum Publikum, mit Choreographien, die nicht unmittelbar an den gesprochenen Text anknüpfen – in diesem Fall unterstützt von Fahrräden –, mit herabhängenden Mikrophonen, mit assoziativen Videos, mit Songs, mit einer Montage von verhältnismäßig autonomen Erzählungen. Man entdeckt ästhetische Verwandtschaften, wo man sie nicht vermuten würde, etwa zu Martin Grubers österreichischem aktionstheater ensemble. Dabei ist es nicht entscheidend, ob das Stück, wie hier oder zum Beispiel in der Mannheimer Bearbeitung von Elena Ferrantes Meine geniale Freundin, auf einer epischen Vorlage basiert oder ob es, wie bei Gruber, originär für die Bühne geschrieben wurde. Dieses Theater ist nicht so sehr postdramatisch wie postdialogisch. Zugleich ist es in höchstem Maße narrativ. Wo es zu Dialogen kommt – etwa zwischen einer Ärztin und der Frau eines gehirnverletzten Mannes –, wird dennoch ins Publikum gesprochen. Die Blickachse deckt sich nicht mit der Handlungsachse, sondern steht rechtwinklig zu ihr.
Die Vorstellung war nicht so gut besucht, wie es sich der Hausherr, der im Austausch eine Stuttgarter Inszenierung nach Bilbao schickt, wohl gewünscht hat. Retrospektiv muss man feststellen, dass das wortlastige Stück, jedenfalls für ein Publikum, das nicht Baskisch beherrscht, nicht die ideale Wahl war. Wer der Übertitlung folgen wollte, war vom Geschehen auf der Bühne abgelenkt. Schad drum.
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Obabakoak von Bernardo Atxaga durch das Teatro Arriaga, Bilbao | Foto (C) E. Moreno Esquibel
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Thomas Rothschild – 30. Juni 2019 ID 11536
OBABAKOAK (Schauspielhaus, 29.06.2019)
von Bernardo Atxaga
Fassung und Inszenierung: Calixto Bieito
Bühne: Susanne Gschwender
Kostüme: Sophia Schneider
Projektionen: Sarah Derendinger
Musik: Carlos Imaz
Lichtdesign: Michael Bauer
Mit: Joseba Apaolaza, Ylenia Baglietto, Idoia Merodio, Ainhoa Etxebarria, Miren Gaztanaga, Inake Irastorza, Karmele Larrinaga, Itziar Lazkano, Koldo Olabarri, Lander Otaola und Eneko Sagardoy
Uraufführung am Teatro Arriaga in Bilbao war 2017.
Gastspiel des Teatro Arriaga, Bilbao (Spanien) am Schauspiel Stuttgart
Weitere Infos siehe auch: https://www.teatroarriaga.eus
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