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Felix Rech als Wheeler und Franziska Junge als Anita (v. l.) am Berliner Ensemble | Foto © Matthias Horn

Bewertung:    



Das Bild, das man von sich selbst hat, entspricht oft nicht dem, wie man gerne sein möchte. Der ehemalige Fotograf Dick Wheeler steckt mitten in der Scheidung von seiner Frau. Er findet keinen Draht mehr zu seinem 13jährigen Sohn. Auch während seines Jobs als Techniker in einen Laden für analoge Fotoapparate wird er von Zweifeln und Destruktivität geplagt. Der US-amerikanische Schauspieler und Dramatiker Tracy Letts wurde durch sein bitterbös-bissiges Familiendrama August: Osage County bekannt, das auch mit Staraufgebot verfilmt wurde und u.a. den Pulitzer-Preis erhielt.

*

In seinem jüngsten Drama Wheeler schildert er nun die Midlife-Crisis eines frustrierten, miesepetrigen Mechanikers. Am Berliner Ensemble verkörpert Felix Rech die Titelrolle des bockig-zynischen Wheeler recht ausdrucksstark penetrant und prollig. Als Zuschauer schwankt man zwischen Mitleid für ihn und Ärger über sein Verhalten. Obwohl er seine negative Sichtweise von der Welt vor sich herträgt, schafft er es bald einige ernsthafte Beziehungen mit dem schönen Geschlecht einzugehen. Wheeler genießt insgeheim die Aufmerksamkeit seiner Liebschaften. Er zweifelt jedoch trotzdem behände an der dauerhaften Erfüllung seiner Sehnsüchte, was allerlei Spannungen im Miteinander auslöst.

Es ist durchaus bezeichnend, dass es in dem Stück um einen Porträtfotografen geht, der sein Bild von der Welt trotz möglicher Glücksmomente nicht mehr gerade gerückt bekommt. Regisseur Oliver Reese lässt Szenen mit stillen Momentaufnahmen wechseln, in denen die Figuren während alltäglicher Augenblicke in trister Einsamkeit gezeigt werden. Hierbei hilft ihn die von Hansjörg Hartung eingerichtete Drehbühne, die stets zwischen den Szenen neue Einsichten vorbeiziehen lässt. Eine boulevardeske Szene in einer Karaoke-Bar zeigt Wheeler, wie er gegen den überschwänglichen und affektierten Gönnergestus seiner Freunde anstinkt, die es nur gut mit ihm meinen. Ein anderes Mal beschämt es Wheeler, wie sein Chef (ausdrucksstark: Veit Schubert) lustvoll sexuellen Gewaltfantasien mit einer Kollegin nachhängt. Auch unter der Gürtellinie angelangt lugt nicht nur Manneskraft und Potenz hervor.

Die Ereignisse folgen in pointierter Abfolge aufeinander; bald ist eine Woche und dann ein Monat vergangen. Das Drama lebt von verdichteter Situationskomik und überspitzten Schlagabtauschen. Während Wheeler seiner neuen Freundin Jules ganz offensichtlich nicht zuhört, wirft er ihr ebendies vor, was sie mit durchaus aufmerksamer Enttäuschung quittiert. Stephanie Eidt brilliert in der Rolle der Jules mit subtilem, elegantem Spiel. Ihre beruflichen Ambitionen als Live-Coach verteidigt sie gegenüber Wheeler, indem sie behauptet, ein Diplom im Glück zu haben. Dieser Studienabschluss vermag jedoch nicht darüber hinwegzutäuschen, dass sie selbst doch auch einige Probleme hat und mit Wheeler eine besonders harte Nuss zu knacken haben dürfte.




Wheeler am Berliner Ensemble | Foto © Matthias Horn

Ansgar Skoda - 2. Mai 2019
ID 11386
WHEELER (Kleines Haus, 01.05.2019)
Regie: Oliver Reese
Bühne: Hansjörg Hartung
Kostüme: Elina Schnizler
Musik: Jörg Gollasch
Dramaturgie: Tobias Kluge
Besetzung:
Wheeler … Felix Rech
Paul/ Michael … Veit Schubert
Anita … Franziska Junge
Minnie … Trang Le Hong
Jules … Stephanie Eidt
Margaret … Josefin Platt
DEA am Berliner Ensemble: 2. Dezember 2018
Weitere Termine: 01., 02.06.2019


Weitere Infos siehe auch: https://www.berliner-ensemble.de


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