Wenn Jugendliche
zu Wort kommen…
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These Teens Will Save The Future im Münchner Haus der Kunst | Foto (C) Josef Beyer
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Bewertung:
...dann sollten wir zuhören. Und wenn das, was sie zu sagen haben, so ernst ist und so gut inszeniert wie von der jungen Nachwuchs-Regisseurin Verena Regensburger, dann fühlen wir uns auch angesprochen, „betroffen“. Fridays for Future auf der Bühne! Das geht uns an, die Generation der Eltern: „Ihr, die ihr handeln könnt, tut endlich was!“
Als diese junge Protestbewegung vor einem Jahr ins Leben gerufen wurde, hätte wohl kaum jemand geahnt, welche Wirkung die Demos entfalten würden. Eine Woche vor der Uraufführung dieses Stücks waren es 60.000 Menschen, die allein in München auf die Straße gingen. Einen Tag später sprach Greta Thunberg in New York auf den UN-Klimagipfel.
Verena Regensburger ist vielen Kindern und Jugendlichen begegnet, die mit Fridays for Future auf die Straße gegangen sind. Aus Gesprächen mit rund 30 jungen Leuten hat sie Texte entwickelt, die ihre Gefühle, Gedanken und Forderungen spiegeln. Dafür haben sie monatelang recherchiert, und diskutiert. Sie sind keine „gutmütigen, ehrlichen, aber schlecht informierten Teenager“, wie Putin zum Thema Greta wissen ließ. Und sie haben praktisch gearbeitet - z.B. ausrangierte Kleidung mitgebracht, aus denen die Kostüme für den Abend geschneidert wurden.
Ihr Fazit: „Wir werden die Zukunft nicht retten! Nicht, wenn Ihr uns nicht zuhört.“ Den beliebten Einwand, es sei alles viel zu kompliziert und außerdem zu spät, lassen sie nicht gelten: „Wir können uns Euren Pessimismus nicht mehr leisten.“ Recht haben sie. Und sie sind enttäuscht. Von uns, den Erwachsenen, die nicht genug getan haben: nicht einmal den Kohleausstieg geschafft, obwohl wir seit 30 Jahren davon reden. Das macht sie wütend. In der Video-Collage zu Beginn des Stückes wird denn auch Greta im O-Ton zitiert: „How dare you!“ Doch bei aller Empörung: die Jugendlichen distanzieren sich von der vorangegangenen Generation der 68er, die sich die Hände schmutzig gemacht hat - mit Gewalt und Terror.
Diese jungen Leute gehen auf uns zu – ganz direkt von der Bühne herunter. Sie suchen das Gespräch. Wie können wir generationsübergreifend das Nötige tun? Welche Allianzen können wir schließen? Wie können wir unseren Lebensstil ändern? Sie wissen, dass das viel Überzeugungsarbeit bedeutet: „Demokratie ist nichts, das man geschenkt bekommt.“ Dabei geht es nicht nur ums Klima, sondern um unser gesamtes gesellschaftliches Leben. Dazu gehört auch Toleranz statt Rassismus, Gendergerechtigkeit, Diskriminierung Andersgläubiger und und und…
Sympathisch auch die thematisierte Unsicherheit, die Selbstzweifel der jungen Leute. Wie lange wird ihr Atem sein, wie weit ihre Kraft reichen? Sie wissen es nicht. Und sie sind nicht perfekt. Sie möchten doch auch einfach mal nur bei Amazon bestellen und schick sein und Spaß haben…
Noch sind diese Jugendlichen „außen vor“. Nicht in das Karussell eingestiegen, das in der Mitte der Bühne platziert ist. Wenn es sich dreht, müssen sie sich flach auf den Boden legen oder im Inneren zusammendrängen, um nicht davon erfasst zu werden. Dieses Karussell, rot und grün gestrichen, steht symbolisch für das, was wir Erwachsenen leben: immer höher, weiter, schneller, mehr. Zeit, dass wir es anhalten und aussteigen!
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Ein berührender, hoffnungsfroher Theaterabend. Nur schade, dass er abseits im Haus der Kunst stattgefunden hat vor geneigtem und aufgeschlossenen Publikum. Wünschenswert wäre, dass man ihn dort wiederholte, wo mehr Skepsis zu erwarten ist, etwa Besuchern des Residenztheaters.
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These Teens Will Save The Future im Münchner Haus der Kunst | Foto (C) Josef Beyer
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Petra Herrmann - 9. Oktober 2019 ID 11734
THESE TEENS WILL SAVE THE FUTURE (Haus der Kunst, 08.10.2019)
Text: Ensemble, Anna Gschnitzer und Verena Regensburger
Inszenierung: Verena Regensburger
Bühne: Marie Häusner
Licht: Diana Dorn und Weronika Patan
Kostüme: Veronika Schneider
Dramaturgie: Anna Gschnitzer
Video: Nicole Marianna Wytyczak
Sound: Jonny-Bix Bongers
Mit: Natalie Albertshofer, Amelie Luisa Althaus, Emma Beblo, Lilli Biedermann, Helena Borst, Moritz Brand, Maria Dendorfer, Jamila Gebhard, Helena Gregorian, Vivien Henning, Anna Hoffmann, Kaspar Huber, Lilian Marie Luise Karger, Konstantin Kloppe, Thyra Kolde, Juri Kößler, Leopold Nüssler, Thilda Otto, Frida Pfeiffer, Agnes Pfeiffer, Thalia Schoeller, Flurina Schuster, Mira Sökefeld, Marlene Anna Taler, Ira von Büdingen und Lilli von Hehn
Uraufführung an den Münchner Kammerspielen: 27. September 2019
Weitere Termine: 11., 15.-17.10.2019
In Kooperation mit dem Haus der Kunst, München
Weitere Infos siehe auch: https://www.muenchner-kammerspiele.de
Post an Petra Herrmann
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