20. April 2008, Deutsche Oper Berlin
LA GIOCONDA von Amilcare Ponchielli
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Man sieht zwar nichts, aber man ahnt die ganze Größe der Pompösität: LA GIOCONDA, in den Originaldekorationen aus der Werkentstehungszeit, hält sich zurecht mit starrköpfigster Vehemenz im Spielplan der Deutschen Oper Berlin - Foto (C) www.deutscheoperberlin.de
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Stefan Rosinski, der Generaldirektor der Stiftung Oper in Berlin, hat letzte Woche im Berliner "Tagesspiegel" eine Art von allgemeinem Abgesang auf Tantchen Oper aufgesetzt. In seinem lesenswerten Beitrag ließ er sich zum Beispiel übers repertoiremäßige Einfrieren auf ein vielleicht auf 50 Bühnenwerke (und zwar weltweit, nicht "nur" in Berlin oder im deutschsprachigen Raum) beschränktes Arsenal'chen aus. Hinzu wäre, seit Berg und Schönberg, seither nichts gekommen. Also drehte sich wohl allerorten immer alles um den gleichen Brei. Nun gut, das weiß man halt. Was soll man auch schon groß dran ändern? Liegt ja weniger dann an den "Umsetzern", oder??
Rosinski wollte/will natürlich auch auf seinen Stall an sich zu sprechen kommen. Und da siehts noch immer ziemlich arg aus, denn: Die Abstimmungen zwischen den drei Häusern funktionieren nicht. Tripletten (von Boheme, der Zauberflöte, Figaro bis Freischütz usf.) blockieren immer mehr die "individuellen" Spielpläne; kaum dass da eine Produktion sich wirklich derart abhebt, dass die jeweils andern beiden Häuser schon von sich aus, und aus Scham und "Neid", das Handtuch werfen würden. Vieles, vieles - und von wegen Repertoirearmut - wäre und bliebe zu entdecken oder neu zu heben; aber nein: zumeist immer derselbe herkömmliche Pippifax... und Pippifax meinte dann nicht die Werke, sondern (meistens) deren stümperhafte Inszenierungen.
Und Rosinski - Kernaspekt seines Artikels - tat noch einmal ziemlich nachdrücklich auf ein (auch schon von seinem Vorgänger, der sich jetzt bei den Ölscheichs in der Wüste opernhausbauhaft verdingt, skizzierlichtes) Modell verweisen, ohne dem bald nichts mehr funktioniert; also, dieses Sich-gegenseitig-Abgrenzen-und-Profilieren könnte so gehen: Die Staatsoper spielt Stagione, die Komische macht vorzugsweise Neues und Regietheater, und die Deutsche ist fürs Repertoire zuständig - alles sehr vereinfacht ausgedrückt.
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Dem allen (und dem Affen) Zucker gebend, wurde man in diesen Tagen einer vor 'nem Vierteljahr sehr konsequent gelungenen, gemeisterten und ziemlich mordsmäßigen Ausgrabung im Hause in der Bismarckstraße voll gewahr: LA GIOCONDA - eine stückmäßige Unbotmäßigkeit aus der Nachverdi-/Vorpuccinizeit - machte sich in vier Aufführungen breit und wichtig. Eine museale Sensation! Sanjust trat damals mit dem Anspruch an, das ausführende Personal (Statisterie, Ballett, Chor und Solisten) in die Deko's aus der Werkentstehungszeit zu stellen. Aus der GIOCONDA kennt man sowieso dann lediglich ihre Ballettmusik; sie wurde auch, als einzige Beweglichkeit in dieser Inszenierung, artig-angemessen vorgetanzt. Drei Pausen (!!!) waren nötig, um sich von den jeweils ausgestandnen Vorhandlungen etwas zu erholen. Ausverkaufte Vorstellung. Dem Publikum gefiels, kaum einer machte während der 5 Stunden schlapp.
Die Deutsche Oper Berlin - das m u s s hier nachdrücklich bezeichnet sein - ist wohl die führendste Institution der schwesterlichen Drei, was Repertoirepflege betrifft. Man kann sich gar nicht annähernd vorstellen, welcher Kraftaufwand hierzu vonnöten ist. Hier nachzulassen, wäre eine Katastrophe - nicht nur für Berlin. Macht weiter so!
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Ponchielli's LA GIOCONDA an der Deutschen Oper Berlin, 20.04.2008
Musikalische Leitung: Laurent Campellone
Inszenierung und Kostüme: Filippo Sanjust
Bühnenbild: Originaldekorationen aus der Entstehungszeit des Werkes (Scenegrafia Camillo Parravicini, Roma)
Besetzung: Giovanna Casolla (Giconda), Ewa Wolak (blinde Mutter), Ante Jerkunica (Staatsinquisitor), Tiziana Carraro (Laura), Carl Tanner (Enzo), Lado Ataneli (Barnaba) u. v. a.
Statisterie, Chor und Orchester der Deutschen Oper Berlin
(Choreinstudierung: William Spaulding)
Premiere war am 1. März 1974
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Andre Sokolowski - 21. April 2008 ID 3799
Weitere Infos siehe auch: http://www.deutscheoperberlin.de
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