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EINMETERFÜNFZIG am Staatsschauspiel Dresden


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In der Vergangenheit hofften Dramatiker für die Ewigkeit zu schreiben. Die Stücke von Shakespeare oder Tschechow, von Beckett oder Peter Weiss sind bis heute „aufführbar“. Dabei reagieren sie durchaus auf die Zeit, in der sie entstanden sind. Allerdings nicht in einem verkürzten, oberflächlichen Verständnis.

Heute scheint es vielen Autoren wünschenswert, unmittelbar auf die Gegenwart zu reagieren. Die Rezipienten sollen in der Literatur, auf dem Theater wiedererkennen, was ihnen ohnedies bekannt ist. Relevanz ist zum Synonym von Aktualität verkommen. Die Medien konnten es gar nicht erwarten, dass die Bühne die Coronakrise zum Thema macht. Nun dürfte das Staatstheater Dresden mit Einmeterfünfzig ein Anwärter auf die Siegertrophäe sein. Mit einem Schnellschuss. Nicht mehr und nicht weniger.

Hinter dem Titel mit der kalauernden Ergänzung eine Theaterphantasie mit Abstand verbirgt sich eine Mischung aus Liederabend, Trailer für die Spielzeit 2020/2021, Reminiszenzen und kabarettistischen Einlagen. Der Autor und Regisseur Rainald Grebe hat einschlägige Erfahrungen.

Das Ensemble spielt, nur wenig verfremdet, sich selbst, eine Truppe, für die es keine Welt außerhalb des Theaters gibt. Das Schlimmste an der gegenwärtigen Pandemie ist für sie, dass sie sie vorübergehend am Spiel gehindert hat.

Ein Lautsprecher senkt sich aus dem Schnürboden herab und erinnert an die Abstandsregeln. Das Programm der bevorstehenden Spielzeit wird skizziert, etwa durch einen kurzen biographischen Hinweis auf Hans Fallada, auf seine Anbiederung an den Nationalsozialismus. Münchhausen fliegt schon einmal auf einer Kanonenkugel durch den Bühnenraum. Kostproben erinnern an Erfolge der Vergangenheit, an Nur Pferden gibt man den Gnadenschuss oder an die Rocky Horror Show. Anna-Katharina Muck prahlt mit ihrer Heiligen Johanna der Schlachthöfe von 2009, und Ahmad Mesgarha instrumentiert, was seit Jack Benny in Sein oder Nichtsein immer für einen Lacher gut ist: die Eitelkeit des Schauspielers, der seine Auftritte vermisst und stattdessen Abendbrot – Schnittchen mit Kräuterbutter – bereiten muss.

Vorhänge senken und heben sich vor dem Nichts, eine Projektion brillant gefilmter Videos von Tina Wilke bringt den gemeinhin unsichtbaren Schnürboden ins Blickfeld. Die Musik, zumeist live von zwei, vom Ensemble hurtig unterstützten Musikern, Jens-Karsten Stoll und Dietrich Zöllner, vorgetragen, aber auch vorproduziert – Henry Mancinis Moon River auf einer singenden Säge –, ist ein essentieller Bestandteil des Abends.

Am Schluss – die Pointe: Isabella Krieger und Elias Baumann gehen auf einander zu, brüllen sich an und küssen sich. Von wegen Einmeterfünfzig.

Thomas Rothschild - 20. September 2020
ID 12475
EINMETERFÜNFZIG (Schauspielhaus, 19.09.2020)
Regie: Rainald Grebe
Bühne: Janna Skroblin
Kostüme: Ira Hausmann
Musik: Jens-Karsten Stoll
Video: Tina Wilke
Licht: Peter Paul Lorenz
Dramaturgie: Kerstin Behrens
Mit: Elias Baumann, Leo Goldberg, David Kosel, Isabella Krieger, Birte Leest, Ahmad Mesgarha, Anna-Katharina Muck, Klaus-Dieter Werner sowie Jens-Karsten Stoll und Dietrich Zöllner (Live-Musik)
Premiere am Staatsschauspiel Dresden: 19. September 2020
Weitere Termine: 20., 23.09. / 02., 17., 18., 28., 29.10.2020


Weitere Infos siehe auch: https://www.staatsschauspiel-dresden.de/


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