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Zug um Zug



Die Orestie am Theater Bonn | Foto © Thilo Beu

Bewertung:    



Die Orestie-Trilogie gehört zu den ältesten Werken der Literatur. Aischylos entwickelte sie 458 v.Chr. für die dionysischen Festspiele. Er bezieht sich auf eine komplexe Vorgeschichte und antike Mythen wie den Atriden- oder Tantalidenfluch. Dieser Fluch säte über Generationen Zwietracht. Die Orestie bietet als Drama viel Raum für große Emotionen, Gesten der Leidenschaft, Verzweiflung und Tragik. Zur Entstehungszeit des Dramas spielte ein Chor aus einfachen Bürgern die Figuren, wodurch sich die Zuschauer oftmals noch einmal mehr in die Handlung rund um die griechische Mythenwelt einfühlen konnten. Das Geschehen wurde ihnen auch durch die recht bildhafte Sprache vermittelt, wenn es etwa poetisch heißt „Gießt Öl und Essig du in einen Krug, so siehst Du sie geschieden fort und fort und nicht vereint; So wird der Sieger, so der Besiegten Rufen dort, so zwiefachen Loses Zeichen sein.“

Marco Štormans Inszenierung am Schauspielhaus Bonn verwendet hier die präzise Übersetzung von Walter Jens, die vom Deklamieren des klassischen Trauerspiels der griechisch-römischen Antike weggeht.

*

Die Orestie setzt an, als Agamemnon, Anführer der Griechen im Krieg um Troja, nach erfolgreichem Feldzug in seine Heimat Argos zurückkehrt. Da er von Tantalus abstammt, unterliegt er dem Tantalidenfluch. Seine Gattin Klytaimnestra erwartet ihn mit gemischten Gefühlen, auch da sie in seiner Abwesenheit ein Liebesverhältnis mit Aigisth einging. Klytaimnestra kann es Agamemnon zudem nicht verzeihen, dass er die gemeinsame Tochter Iphigenie opferte, um im Gegenzug günstigen Wind für seine Kriegsflotte zu erhalten. Klytaimnestra tötet bald ihren Gatten. Ihre Kinder Orest und Elektra rächen diese Tat jedoch, wodurch sich der Gewaltkreislauf fortsetzt. Orest wird nach dem Mord an seiner Mutter von den sogenannten Erinyen gejagt, Rachegeistern, die mutterrechtliche Ansprüche über alles setzen. Die Erinyen können hier als Sinnbild für Angst und Schuld verstanden werden.

Das Drama beleuchtet Mechanismen von Strafe, Gewalt und Schuld. Obwohl viel geschrien und gezetert wird, vermittelt Štormans Inszenierung jedoch die Beweggründe und Leidenschaft der Figuren nicht schlüssig. Es fehlt an einer nachvollziehbaren Personenführung. Viele der Figuren stehen oder sitzen minutenlang unmotiviert im Raum, unbeweglich wie Statuen. Einige Handlungen des Dramas werden nur symbolisch vorgeführt und teilweise erwachen Totgeglaubte wieder und werden dann – nun vielleicht als Geister – neu in das Geschehen eingebunden.

Insbesondere die plötzlichen Stimmungsschwankungen vieler Figuren erscheinen unglaubwürdig. Orest (Sören Wunderlich) betrachtet erst voller Trauer seinen Vater (Wolfgang Rüter) am Grab, um sogleich jubelnd das Wiedersehen mit seiner Schwester Elektra (Sandrine Zenner) zu feiern. In der Rolle des potenziellen Muttermörders wirkt dieser eher schmächtige Orest überfordert. Sören Wunderlich vermag jedoch den Zwiespalt gekonnt zu akzentuieren, der die Figur einholt, als ihm die mögliche Rache an der Mutter von Elektra aufgetragen wird. Zur Rache an Aigisth kommt es in der Bonner Inszenierung dann jedoch gar nicht mehr, und auch die Erinyen werden nicht dargestellt. Den stärksten Eindruck im eher wenig dynamischem Zusammenspiel hinterlässt Sophie Basse als getriebene, machtvolle Klytaimnestra, die ein doppeltes Spiel treibt und mit sich und ihrem Tun hadert. Auch Daniel Breitfelder, der die Frauenrolle der Seherin Kassandra, Sklavin Agamemnons, verkörpert, setzt seine Figur effektvoll in Szene. Nur mit einem Herrenslip bekleidet demonstriert er dabei die nötige Nacktheit und Verletzlichkeit seiner Figur.

Die Kostüme von Bettina Werner und Rabea Stadthaus muten jedoch zu modern an. Elektra tritt in Leggins auf; Athene stöckelt auf glitzernden Absätzen und trägt ein opulent ausladendes Kleid, das sichtlich beim Gehen behindert. Das in Grautönen gehaltene Bühnenbild von Jil Bertermann wirkt mit seinen großräumigen Abhang und klobigen Steinen recht künstlich und uninspiriert. Der Text des dritten Teils, bei dem sich Orest vor einem Gericht verantworten muss, wurde in Štormans Adaption leider ganz gestrichen. Stattdessen arbeitet der Regisseur hier mit einem Bild einer festlich gekleideten, vor einem Überwachungsturm aufgestellten Gesellschaft. Wie so vieles, hinterlässt auch dieses Bild einen ratlos.



Die Orestie am Theater Bonn | Foto © Thilo Beu

Ansgar Skoda - 9. Oktober 2018
ID 10966
DIE ORESTIE (Schauspielhaus, 04.10.2018)
Regie: Marco Štorman
Bühne: Jil Bertermann
Kostüme: Bettina Werner und Rabea Stadthaus
Musik: Moritz Löwe
Licht: Sirko Lamprecht
Dramaturgie: Male Günther und Carmen Wolfram
Besetzung:
Chor der Zeiten … Bernd Braun und Moritz Löwe
Agamemnon, sein Bote und eigener Geist, Apollon … Wolfgang Rüter
Klytaimnestra und ihr Schatten … Sophie Basse
Aigisth … Christian Czeremnych
Kassandra … Daniel Breitfelder
Orest … Sören Wunderlich
Elektra; Athene … Sandrine Zenner
Premiere am Theater Bonn: 29. September 2018
Weitere Termine: 13., 26.10. / 02., 18.11. / 05., 15.12.2018


Weitere Infos siehe auch: http://www.theater-bonn.de


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