Sei nur ein
großes Licht
IHR HABT KEINEN PLAN am Staatsschauspiel Dresden
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Bewertung:
Ein Autor wird bei diesem Stück nicht genannt. Dafür verzeichnet das vor knapp einem Jahr erschienene Buch, das es geplündert hat, gleich acht Autoren. Es trägt den Titel Ihr habt keinen Plan, darum machen wir einen: 10 Bedingungen für die Rettung unserer Zukunft und ist eine Veröffentlichung des Jugendrats der Generationen Stiftung, die rekapituliert, wovor andere, von Robert Jungk und dem Club of Rome bis zu David Graeber und Greta Thunberg, mit guten Argumenten und wenig Erfolg gewarnt haben. Die szenische Variante ersetzt den Teil des Titels hinter dem Komma durch das kürzere und holprige eine Anleitung zum Richtig-Wollen. Vielleicht hat man am Theater Brechts angesichts der Unzulänglichkeit menschlichen Strebens (und der ökonomischen Machtverhältnisse) realistische Strophe bedacht: „Ja, mach nur einen Plan!/ Sei nur ein großes Licht!/ Und mach dann noch ’nen zweiten Plan/ Gehn tun sie beide nicht.“
Eine Direktorin mit Zylinder (Gina Calinoiu) führt das Publikum, aufgeteilt in drei Minigruppen, durch drei Räume des Kleinen Hauses an der Dresdner Glacisstraße, wo ein Magier (Franziskus Claus), eine Dame wie von E.T.A. Hoffmann namens Camille (Eva Hüster) und ein Archivar Leander Honig (Sven Hönig) ihren Part in clownesker Manier wiederholen. Dabei sprechen sie die zu Kollaborateuren aufgewerteten Zuschauer direkt an und fordern sie zu Tätigkeiten auf dem infantilen Niveau von Kindergartenspielchen – dem „Richtig-Wollen“? – auf. Die machen artig mit. Man kann nur froh sein, dass nicht mehr danach gefragt wird, ob man den totalen Krieg wolle.
Eine armselige Sprache, eine hilflose Dramaturgie, ein orientierungsloses Theater à la mode. Es werden keine Erkenntnisse vermittelt, die über den Inhalt eines Wochenendfeuilletons in einer Provinzzeitung hinaus gehen, und es wird keine Form gefunden, die etwa ersichtlich machte, was dadurch gewonnen ist, wenn zehn statt dreißig Menschen den Lektionen beiwohnen. Eins jedenfalls sollten sich die Regisseurin Monique Hamelmann und die Dramaturgin Janny Fuchs nicht einreden: dass irgendetwas an diesem Abend originell sei. Freie Gruppen machen derlei – den Parcours durch mehrere Räume und ein Perpetuum Mobile – nun schon seit Jahren. Die Ergebnisse unterscheiden sich von einander in geringerem Ausmaß als zwei Inszenierungen von Romeo und Julia.
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Thomas Rothschild - 19. September 2020 ID 12472
IHR HABT KEINEN PLAN (Kleines Haus, 18.09.2020)
Eine Anleitung zum Richtig-Wollen
Regie: Monique Hamelmann
Bühne und Kostüme: Stephanie Zurstegge
Licht und Video: Andreas Kunert
Dramaturgie: Janny Fuchs
Mit: Gina Calinoiu, Franziskus Claus, Sven Hönig und Eva Hüster
Premiere am Staatsschauspiel Dresden: 11. September 2020
Weitere Termine: 24., 25.10.2020
Weitere Infos siehe auch: https://www.staatsschauspiel-dresden.de/
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