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nachDRUCK # 6

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Uraufführung

Comeback

der Träume


SCHLAFENDE HUNDE
von Lothar Kittstein


Klaus Schweizer als Frank und Birte Schrein als Claudia in Schlafende Hunde am Theater Bonn | Foto © Thilo Beu

Bewertung:    



Auf dem Fußboden liegen verstreut Fernsehmagazine, auf dem Couchtisch Getränkedosen und eine angebrochene Chipstüte. Das Bühnenbild zeigt eine provisorisch eingerichtete und chaotisch-vermüllte Wohnung. Die Wohnungstür schließt schon lange nicht mehr. Musikmanager Danni betritt Claudias Wohnung. Es riecht nach Ärger. Schlafende Hunde weckt man nicht. Oder vielleicht doch? Heißt es nicht, man sollte Dinge ruhen lassen und nicht an ihnen rühren, wenn eine Gefahrenquelle erkennbar wird? Lothar Kittsteins Drama Schlafende Hunde dreht sich jedoch weniger um die Bedürfnisse schlaftrunken zubeißender Vierbeiner sondern vielmehr um Schlagerstars, die vor 25 Jahren mal erfolgreich waren. Begleitet wird Danni von Frank im Glitzeranzug. Frank war mal ein Star und hatte vor vielen Jahren eine Affäre mit der damals 17jährigen Claudia. Gemeinsam sangen sie selbstkomponierte Schlagerduette über die fortdauernde Ewigkeit der Liebe.

Claudia lebt heute noch immer in der Wohnung ihrer Eltern, irgendwo in einer abgehängten Provinz in Ostdeutschland. Der Tagebau ist hier vor langer Zeit eingegangen. Das örtliche Highlight ist ein McDonalds an der Autobahn. „Willen braucht man. Und Zigaretten“, erklärte einst Altkanzler Helmut Schmidt. Die kettenrauchende Claudia braucht nur noch letzteres; ihre Selbstverwirklichungsträume hat sie schon vor langem ad acta gelegt. Immerhin haben alle Figuren auf der Bühne in ihrer Nikotinsucht ein erstes, genüsslich zelebriertes Gemeinsames. Danni erkennt im Zwiegespräch mit Claudia ihre Misere fehlender Lebensziele. Er stellt sich als Jesus Christus vor, der auch den abgehalfterten Stars zur Wiederauferstehung beziehungsweise zum Comeback verhelfen kann. Bei Claudia beißt der gewiefte Verführer zunächst mit seinen Plänen auf Granit, erklärt sie ihm doch, dass Jesus von Gott gesandt war und bloß selbst auferstand.

Das Drama über den Verkauf oder auch Ausverkauf lächerlich anmutender Träume hat von Anfang an Verve. Frank, der hehre Schlager von der Liebe verkaufen möchte, prügelt schon bald auf Claudia ein. Sie gibt, sich am Boden windend, kratzbürstige Widerworte. Es wird wild geflucht, geschimpft und gepöbelt. Dabei fallen nahezu in schmerzvoller Dauerschleife höchst despektierliche Kraftausdrücke, leider häufig auch gegen Ausländer und Schwule. Überspitzte Prekariatszustände mit höchst derb agierenden Figuren nehmen mit unterhaltsamer Situationskomik stets neue Wendungen, wenn etwa in all dem Chaos plötzlich doch im Duett eine melancholische Schlagermelodie angestimmt wird. Als Unschuld vom Lande sorgt dann der dauercomputerspielende Sohn Claudias, Dennis, für das I-Tüpfelchen in der verfahrenen Figurenkonstellation. Frank glaubt in Dennis einen verheimlichten Sohn; auch Danni findet Gefallen an dem schlaksigen und naiven Jüngling. Doch die beiden Besucher haben ihre Rechnung ohne die Mutter gemacht.

Birte Schrein spielt genüsslich eine Assi-Proletarierin in Leggins und Leopardenmantel, der es sichtlich Freude bereitet, ihren Sohn herumzukommandieren. Anfangs verlacht sie ihre Besucher noch abweisend, um bald schon zu erkennen zu geben, dass sie längst vergangenen Träumen doch noch nachhängen möchte. Klaus Schweizer verfolgt als Frank im Glitzeranzug den Traum vom Schlagerstarsein mit einer übertriebenen Ernsthaftigkeit und erstaunlichen Härte. Es ist schier unglaublich, was er Claudia an den Kopf wirft, als er bemerkt, dass sie sich nicht so ohne weiteres in seine Verkaufskonzepte einfügen möchte. Alois Reinhardt gibt den aalglatten Manager Danni als genau beobachtenden Verführer, der bald vor dem schweren Gewicht der Ambitionen seiner möglichen Schützlinge zurückzuweichen trachtet. Manuel Zschunke mimt sehr glaubwürdig den unterwürfig-ambitionslosen und hilflos-devoten Dennis und dient dabei als dankbare Projektionsfläche für die verfahrenen Träume der ihn umgebenden abgehalfterten Existenzen.

Eine insgesamt höchst vergnügliche Vorführung, die bewusst keinerlei politische Korrektheit an den Tag legt. Leider sorgt die Wiederholung einiger Dauer-Gags gegen Ende für kleine Längen, und das Drama überspitzt schlussendlich den Handlungsbogen auch etwas zu sehr.



Alois Reinhardt als Danni (links) und Manuel Zschunke als Dennis in Schlafende Hunde von Lothar Kittstein am Theater Bonn | Foto © Thilo Beu

Ansgar Skoda - 1. Juni 2018
ID 10732
SCHLAFENDE HUNDE (Werkstatt, 30.05.2018)
Regie: Stefan Rogge
Bühne: Malte Lübben
Kostüme: Maria Strauch
Licht: Lothar Krüger
Dramaturgie: Male Günther
Besetzung:
Claudia … Birte Schrein
Frank … Klaus Schweizer
Danni … Alois Reinhardt
Dennis … Manuel Zschunke
Uraufführung am Theater Bonn: 30. Mai 2018
Weitere Termine: 01., 09., 13., 21., 26.06.2018


Weitere Infos siehe auch: http://www.theater-bonn.de


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