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Kinder- und Jugendliteratur: Jugend schreibt

Die Todesfeier

Sie lag vor mir. In einem aus Eiche gezimmerten Sarg, der im Inneren gepolstert war. Sie hatte ein schwarzes Festtagskleid an, das sie normalerweise auf Beerdigungen trug, aber diesmal auf ihrer eigenen. Jeder konnte sie durch eine Glasscheibe sehen, wie sie da lag. Warum sie? Vor zwei Tagen hatten wir noch gefeiert und jetzt das. Und er war immer noch nicht da. Er hatte sich noch nie verspätet. Er war immer für mich da, wenn ich ihn brauchte. Warum gerade jetzt nicht? Während der Ansprache des Priesters versuchte ich nicht zu weinen, aber es war schwer, sehr schwer. Und ich hatte niemanden an dessen Schulter ich mich hätte lehnen können! Er war ja nicht da.

"Na, wie geht`s dir?" fragte mich Anna meine beste Freundin. "Ich komm`schon klar", antwortete ich in einer klaren und sicheren Stimme - oder ich versuchte es zumindest, um nicht wie eine Heulsuse zu wirken. "Du siehst so niedergeschmettert aus, ist er nicht gekommen?". Wie kann er es sich überhaupt erlauben nicht aufzutauchen? Jetzt wo wir ihn brauchen, besonders ich!" Schluchzend humpelte ich los. "Bleib stehen", rief sie, "ich will mit dir reden". "Da gibts nichts mehr zu bereden", entgegnete ich.

"Mistdinger!" Ich warf die Krücken auf den Boden; kurz darauf fiel ich wie ein Baum daneben hin. "Er wollte es nicht!", schrie sie, und Tränen liefen ihr übers Gesicht. "Es war doch ein Unfall! Er hat alles kaputt gemacht und nun ist er auch noch zu feige, um da zu sein, einfach nur da zu sein", empörte ich mich. Weinend lag ich dann ganz allein auf dem Kiesweg des Friedhofes, dem Tod ganz nah und ganz allein, ohne ihn.

Ich sah auf und erblickte mit verschwommenen Umrissen eine Person. Er kam langsam auf mich zu. Ich wischte mir mit dem Ärmel meine Tränen aus dem Gesicht. Und da stand er nun. Mein ach so toller großer Bruder, der sich als ein großer Feigling entpuppte. "Wo warst du?" bibberte ich vor Zorn und Trauer. "Ich wollte allein sein!" "Aber ich hab dich doch gebraucht, wie kannst du mir das antun? Du hast unsere Mutter getötet und mich zum Krüppel gemacht!". "Ich wollte es nicht, ich wollte es wirklich nicht! Es war doch ein Unfall! Ich konnte nichts dafür, ich hab das andere Auto doch zu spät gesehen! Es tut mir leid!". "Du warst für mich da, als unser Vater abgehauen ist, du hast mich ermutigt, getröstet und immer in Schutz genommen als unser Vater früher ausrastete! Warum? Warum hast du das alles gemacht, wenn du mich jetzt einfach im Stich lässt, wo ich dich am meisten brauch?“ Er hob mich von dem Boden hoch, umarmte mich und sagte leise "Es wird alles wieder gut".


Christof Thomann (14 Jahre)



 
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