In Bangkok
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Blick vom Maha Nakhon Tower aus 310 Metern | Foto: Zaubi M. Saubert
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„One night in Bangkok…“, zieht sich der alte Popsong von Murray Head in Endlosschleife durch meinen Kopf, als ich mich im Sky-Train, einer hochmodernen Schnellbahn, vom Flughafen der Metropole Bangkok, Thailands Hauptstadt, nähere. Der Blick aus den Fenstern macht sprachlos. Hochhäuser in allen Formen und Farben recken sich um die Wette, immer höher hinauf in den Himmel. Mit einer Nacht ist es bei dieser aufregenden Stadt natürlich nicht getan. Für mich ist es ein Wiedersehen mit dieser Boomtown Südostasiens nach über 30 Jahren. Was würde ich wiedererkennen? Würde mir überhaupt etwas bekannt vorkommen? Hatte die Stadt 1990 noch bescheidene 5,8 Millionen Einwohner, so ist der Moloch inzwischen wohl auf über 14 Millionen Menschen angewachsen. Wie viele es genau sind, weiß niemand.
Damals hat mich die Luft in der Stadt, oberhalb der 30-Grad-Marke, schier erschlagen. Eine Mischung aus fremden Küchengerüchen in der Hitze faulenden Mülls, überflutet von einer Welle heißer Abgase des sich träge im Dauerstau dahinschleppenden Verkehrs. Ein wahrer Nasenpogo. Die Gerüche der zahllosen Garküchen am Straßenrand gibt es nach wie vor, auch die Wolke der Abgase, doch der Geruch nach Müll ist nicht mehr so zu spüren, denn Bangkok ist sauber geworden. Es gammeln keine Berge von Abfällen mehr vor sich hin, die Straßen und Bürgersteige werden gereinigt, und nirgendwo liegt etwas herum. Nicht einmal Zigarettenstummel, da fast überall Rauchverbot herrscht.
Bangkok ist eine junge Stadt. 1782 ernennt König Rama I. das damalige Dorf Ban Makok, am Fluss Chao Praya gelegen, zur neuen Hauptstadt. 1863 wird die erste Straße gepflastert. Geblieben ist von damals nicht viel, aber das hat es in sich: der märchenhafte königliche Palast und der wunderschöne Wat Phra Kaeo, der königliche Tempel. Überhaupt gibt es etwa vierhundert Tempel und Klöster in der Stadt. Ob nun ein liegender Buddha mit 46 Metern Länge und 15 Metern Höhe (Wat Pho) oder stehend mit 32 Metern Höhe (Wat Indrawihan) eines haben sie alle gemein: sie sind mit Unmengen Blattgold bedeckt und in einem prächtigen Umfeld eingebettet. Nicht umsonst ist Bangkok die Stadt mit den weltweit meisten Besuchern.
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Der liegende Buddha im Wat Pho | Foto: Zaubi M. Saubert
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Doch Bangkok hat viel mehr als nur Tempel zu bieten. Da sind die bunten Märkte besonders zu erwähnen, ob tagsüber oder als Night Market. Hier gibt es nichts, was es nicht gibt. Der Chatuchak Market ist der größte von allen. Hier kann man sich zwischen den 15.000 Ständen auf über einem Quadratkilometer schnell einmal verlaufen. Und dabei gibt es hier nicht einmal Lebensmittel. Vor dreißig Jahren gab es an jeder Ecke Plagiate. Die nicht ganz echte Rolex, kopierte Hemden und Shirts aller Exklusivmarken und vieles mehr. Die findet man jetzt nur noch am Rande. Heutzutage setzt man auf die echten Marken, prächtig ausgestellt in riesigen Einkaufszentren, wie dem Central World, das auf über 550.000 Quadratmetern allen erdenklichen Luxus anbietet. Dem, der ihn sich leisten kann. Viele können das nicht.
Nackte Armut sucht man in diesem Großstadtdschungel überwiegend vergeblich. Doch dort, wo sich alte kleine Straßenkarrees erhalten haben. Noch sieht man, dass viele Menschen in sehr einfachen Verhältnissen leben. Angebettelt wird der Besucher nur selten. Die Menschen begegnen dem Fremden allesamt überaus freundlich und zurückhaltend bis unterwürfig, was seinen Ursprung im Buddhismus hat. Aufdringliche Händler sind eine Seltenheit. Das freundliche Lachen kann aber auch ein Zeichen der Unsicherheit sein.
Wenn sie nach dem Weg fragen wollen, halten Sie einem einfachen Thai keinen Reiseführer hin. Er wird ihnen ihre Frage mit aller Freundlichkeit beantworten, allein schon, weil er sonst sein Gesicht verlieren würde. Aber sie wissen nicht, ob er überhaupt lesen kann. Einem Taxifahrer das Ziel auf dem Stadtplan zu zeigen, kann ihnen sicher eine interessante Fahrt bescheren, nur ob sie dort ankommen, wo sie hinwollen, ist nicht gesagt.
Vor dreißig Jahren war das Tuk-tuk, ein dreirädriges Mopedtaxi, noch das verbreitetste Verkehrsmittel in der Stadt. Heute sieht man es kaum noch, und es dient eigentlich nur noch als Attraktion für Touristen. Dabei macht es eine Menge Spaß mit diesen offenen knatternden Dreirädern durch die Straßen zu preschen. Aber vorher wird der Preis ausgehandelt. Überhaupt wird in Thailand gehandelt. Bei den Straßenhändlern und auf den Märkten sowieso. Es wird teilweise auch erwartet. Wenn man sich einfach traut, können alle Beteiligten viel Spaß beim Feilschen haben. Ich frage immer zuerst nach dem Preis und biete dann etwa sechzig Prozent des geforderten. „Make me good price“, lautet die passende Aufforderung. Wenn der Händler erst das Gesicht verzieht, als hätte er in eine Limone gebissen, dann aber lacht und in den Handel einschlägt, dann passt es für alle.
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Bootsfahrt auf dem Chao Praya mit Stadtsilhouette | Foto: Zaubi M. Saubert
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Eine schöne Möglichkeit sich die Stadt zu erschließen und die Skyline, je nach Smog-Lage, zu bewundern ist eine Bootsfahrt auf dem Chao Praya [s. Foto oben], dem breiten Strom, der sich wie Darmwindungen durch die Stadt zieht. Man kann mehr oder weniger lange Ausflüge mit Schiffen buchen, oder man lässt sich mit Linienbooten einfach übersetzen oder ein Stück auf dem Fluss entlangfahren.
Den schönsten Blick auf die Stadt hat man allerdings von oben. Bei einem eisgekühlten Cocktail in einer der angesagten Roof Top Bars auf einem der Wolkenkratzer. Tagsüber nimmt man dabei auch die gewaltige Dunstglocke wahr, die über der Stadt liegt und den Weitblick schmälert. Die zurzeit spektakulärste Aussicht gewährt der Maha Nakhon Tower, das zweithöchste Gebäude der Stadt. Dieser gläserne Gigant sieht aus wie aus Legosteinen, bei dem man einzelne Teile herausgebrochen hat. Oben blickt man aus 314 Metern Höhe über alles. 4 Meter unterhalb kann man auf dem gläsernen Skywalk (zu deutsch: Glasboden) Nervenkitzel pur erleben.
Bei einer Nacht in Bangkok gibt es eine Menge zu erleben. In den 80er und 90er Jahren war diese Stadt noch als ein einziges Sündenbabel verschrien, Ziel unzähliger männlicher Vereine, die mit dem "Bumsbomber" für wenig Geld im Stundentakt einflogen und nur ein Ziel hatten, nämlich billigen asiatischen Sex. Nicht mehr. Die Zeiten wo sich bis zu 150 Mädchen hinter einer Glasscheibe im Bikini präsentierten, sind glücklicherweise vorbei. Das einstige Rotlichtviertel Patpong reduziert sich heutzutage auf zwei Gassen, das Publikum ist immer noch überwiegend männlich, und es gibt sie noch, die „Ping-Pong-Show“, wo man erstaunliche Sachen mit Tischtennisbällen und Rasierklingen erleben kann. Aber der Lack ist ab. Dafür sorgen alleine schon die Grundstückspreise. Die Wolkenkratzer haben die Preise in die Höhe getrieben und die Bordelle verdrängt. Geblieben sind im Stadtbild aber die vielen Shemales, Transgender-Personen, welche als Mann geboren wurden, sich aber als Frau definieren, sich auch so kleiden, gerne bunt und sexy.
Bangkok ist die Stadt der Kontraste und hat noch so vieles mehr zu bieten. Da ist allen voran die leckere thailändische Küche zu nennen. Am besten zu genießen in kleinen Straßenrestaurants für wenig Geld, dafür aber sehr authentisch. Oder schnell mal ein gebratenes Spießchen aus einer der unzähligen Garküchen auf die Hand. Wer will, kann hier auch Insekten oder Krokodil probieren, oder einen gerösteten Skorpion am Stiel. Meist gibt es aber ganz normales Hühnchen. Auf die Hand oder zum Mitnehmen. Da kommt die Suppe in eine durchsichtige Plastiktüte, Gummiband drum und ab in die Tragetüte, natürlich ebenfalls aus Plastik. Tüte in Tüte. Vorsorglich sollte man sich die Worte „mai peht“ merken. Nicht scharf. Denn ansonsten kann die thailändische Küche nicht nur im Mund brennen wie die Hölle.
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Typisches Straßenrestaurant | Foto: Zaubi M. Saubert
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Auch die alte Backpacker-Meile Khao San Road mit preiswerten Zimmern, Kneipen und Läden gibt es noch. Heute nicht mehr wiederzuerkennen und aber immer noch angesagt. Ins Auge fallen überall die Cannabis-Shops. Nach Jahrzehnten rigider Drogenpolitik mit drakonischen Strafen, ist Cannabis seit letztem Sommer völlig legal. Man will den Tourismus ankurbeln, heißt es offiziell.
Über Bilder der königlichen Familie stolpert man überall. Der nach 70 Jahren Herrschaft 2016 gestorbene alte König Bhumibol ist eine Legende und wird immer noch verehrt. Sein Sohn regiert das Land mehr aus seiner Villa am Starnberger See. Sagen sie nie etwas Negatives über das Königshaus. Da hört in Thailand der Spaß auf, und es drohen empfindliche Strafen.
Thailand ist bekannt für sein Kunsthandwerk, seine Holzarbeiten und vor allem seine Seide. Wer ein paar Tage Zeit hat, kann sich hier herrliche Sachen aus tollen Stoffen zu erschwinglichen Preisen nähen lassen. Nach einem strapaziösen Tag in der Stadt bietet sich eine Massage an. Auch eine seriöse, denn auch dafür ist Thailand bekannt. Und wer abends nicht in einen der hippen Clubs will, kann sich Karten fürs Thaiboxen kaufen, eine der härtesten Kampfsportarten überhaupt, bei der fast alles erlaubt ist.
Ach übrigens, wiedererkannt habe ich lediglich den altehrwürdigen Bahnhof Hua Lumpong, der heutzutage eher Museumstatus hat. Alle wichtigen Züge verkehren von einem neuen Bahnhof, einem sterilen und völlig überdimensionierten Monstrum aus grauem Beton.
Wichtig für eine so große und quirlige Stadt ist ein gutes Quartier, in das man sich nach einem strapaziösen Besichtigungstag zurückziehen und den Lärm, die Abgase und vielleicht auch die Hitze aussperren kann. Ja, one night in Bangkok ist auf alle Fälle zu wenig. Ich bin 6 Tage geblieben, und der Moloch hat mich nicht zerdrückt.
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Zaubi M. Saubert - 8. März 2023 ID 14092
Weitere Infos siehe auch: https://www.tourismthailand.org
Post an Zaubi M. Saubert
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