Bomarzo
Zwischen Alchimie und Mythologie
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Bomarzo – Schiefes Haus | Foto: Christa Blenk
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„Du, der Du Stück für Stück mit Verstand hier hereinkommst, sage mir hinterher, ob so viele Wunder aus Täuschungsabsicht oder um der Kunst willen gemacht worden sind.“ (Vicino Orsini)
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Der Ort Bomarzo liegt auf einem Tuffhügel in der Provinz Viterbo an der Grenze Latium-Umbrien, nur 85 Kilometer von Rom entfernt. Die archäologischen Funde in diesem Gebiet weisen auf eine alte Etruskersiedlung hin. Der Ort befindet sich im Nationalpark Riserva Monte Casoli di Bomarzo und liegt 300 Meter über dem Meeresspiegel. Strategisch günstig gelegen, war Bomarzo im 5. Jahrhundert sogar Bischofssitz. Über der kleinen Stadt thront der Orsini-Palast mit wunderschönen Fresken – um diese zu besichtigen, braucht es allerdings ein wenig Glück. Pierfrancesco Orsini (1523-1583) war es auch, der in knapp zwei Kilometer Entfernung vom Ort diesen bizarren und ungewöhnlichen Skulpturen-Park anlegen ließ, wobei er ihn „sacro bosco“ (heiliger Wald) nannte. Ein Lebenswerk für Orsini und sein Team aus Architekten und Künstlern, denn die Arbeiten haben über 30 Jahre gedauert. Das fertige Produkt hat er schließlich seiner Frau Giulia Farnese gewidmet. Ob es sich hier um Kunst, um Spaß oder um Zauberei handelt, muss jeder für sich selber entscheiden. Der Park gibt immer noch viele Rätsel auf. Vielleicht gab es aber auch einfach gar kein Konzept, aber gerade diese Doppeldeutigkeit macht ihn so faszinierend und sympathisch.
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Vicino Orsini as Portrait of a Gentleman in his Study by Lorenzo Lotto, Gallerie dell'Accademia in Venice Bildquelle: Wikipedia
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Einige der gruseligen Monsterskulpturen sind von Moos bewachsen und scheinen dort entstanden zu sein, gewachsen wie die Bäume und Sträucher. Groteske Fabelwesen, mächtige Götterfiguren oder hässliche Ungeheuer lassen die Besucher heutzutage nicht mehr schaudern, eher schmunzeln. Orsini war ein gebildeter Mann und hat sich seine Inspirationen bei Ariost oder Tasso geholt, auf die griechische Mythologie zurückgegriffen und auch italienische Dichter wie Petrarca zitiert.
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Bomarzo – Echnida, Mutter der Monster | Foto: Christa Blenk
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Der vorgezeichnete Rundgang sorgt dafür, dass man sich zwischen den Gorgonen, Nymphen, Cerberusen, Furien und Sirenen nicht verläuft. An die 30 übergroße Skulpturen sind in dem Zauberwald versteckt. Die groben Kunstwerke sind nicht wirklich geschützt oder bewacht. Man darf die zähnefletschenden Wesen, erotischen Figuren oder furchteinflößenden Monster aus Vulkangestein anfassen, auf ihnen rumklettern und sich im Höllenmund einer Gorgone fotografieren lassen. Vor dem Besuch im schiefen Haus [s. Foto o.re.], sollte man etwas gegen Seekrankheit einnehmen. In dem Park gibt es auch ein kleines griechisches Theater und dann und wann steht eine wunderschöne, große etruskische Vase zwischen Gestrüpp. Von der Rotunde auf einer Anhöhe hat man einen schönen Blick ins Land und kann – bei gutem Wetter und Fantasie – das Mittelmeer und die Insel Elba sehen.
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Bomarzo – Höllenmund | Foto: Christa Blenk
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Wenn man in Europa etwas Vergleichbares sucht, dann fällt einem höchstens der Wald von Fontainebleau oder die spanische Ciudad Encantada ein, nur dort sich die Steinformationen wirklich natürliche.
Nach Orsinis Tod hatte sich zunächst niemand mehr um den Park gekümmert. Erst Mitte des 20. Jahrhunderts hat man ihn aus dem Dornröschenschlaf erweckt. Die Skulpturen und Figurengruppen waren komplett zugewachsen und überwildert. Man kann gut nachvollziehen dass die Surrealisten Anfang des 20. Jahrhunderts den Wald für sich entdeckt haben. Der spanische Künstler Salvador Dalí kam 1938 nach Bomarzo und hat wohl sein später entstandenes Bild über Die Versuchung des Heiligen Antonius mit dem Gedanken an den Zauberwald gemalt. Auch Jean Cocteau hat sich gerne dort aufgehalten.
Bomarzo ist auch ein beliebter Ausflugsort für Familien mit Kindern. Es gibt Picknickplätze, einen kleinen Zoo und einen Spielplatz. Der Ort ist für Langzeit-Touristen nicht gerüstet und verzeichnet fast nur Ausflügler. Aber von der ewigen Stadt aus ist es ja nicht weit. Man könnte sogar auf dem Weg dorthin in Cerveteri Halt machen und einer der bedeutendsten Etruskeranlagen in Italien (UNESCO-Weltkulturerbe) einen Besuch abstatten.
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Christa Blenk - 12. April 2020 ID 00000012161
Der argentinische Komponist Alberto Ginastera hat nach dem gleichnamigen Roman von Manuel Mujica Láinez die fantasievolle Oper Bomarzo geschrieben. Sie wurde 1967 mit großem Erfolg in Washington uraufgeführt. In seinem Heimatland konnte die Oper erst ein paar Jahre später gespielt werden, sie war dem damaligen Regime zu sexy und verrucht. Zuletzt wurde Bomarzo 2017 am Teatro Real in Madrid aufgeführt.
Weitere Infos siehe auch: https://de.wikipedia.org/wiki/Bomarzo
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