Huta Julia
Glashütte in Piechowice, Polen
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Foto (C) Michael Saubert
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Zeitlos schön
In der Vitrine meiner Großeltern habe ich sie immer bewundert. Farbige Bleikristallgläser, die man gemeinhin als böhmisches Glas bezeichnet. Schwer liegen sie in der Hand, das Blei verleiht ihnen Gewicht und Qualität. Ob grün, rot, blau, braun oder grau, die aufwendigen Schliffe im Glas reichen durch die eingebrannten Farbschichten hindurch und ermöglichen so die schönsten Lichtreflektionen. Diese Art der Glaserei hat auf beiden Seiten des Riesengebirges ihre Tradition. In Niederschlesien gab es im vorvorherigen Jahrhundert schon Glashütten, in denen die begehrten Trinkgefäße, Bonbonieren, Schalen und Vasen per Hand geschaffen wurden. Die Kunsthandwerker in Schlesien und Böhmen standen in engem Austausch. Heute gibt es auf der polnischen Seite der Riesengebirgsregion nur noch eine Glaswerkstatt, die Huta Julia. 1866 hatte sie Fritz Heckert, ein Patensohn des deutschen Kaisers gegründet. Die Hütte überlebte den Zweiten Weltkrieg, und ein polnischer Facharbeiterstamm wurde von den in ihrer Heimat zunächst noch verbliebenen deutschen Meistern ausgebildet. Damals wurde in drei Schichten gearbeitet, und der alte Backsteinschornstein im Hof der Hütte rauchte rund um die Uhr.
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Bleikristallgläser | Foto (C) Michael Saubert
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Die Zeiten änderten sich. Die kostbaren Gläser kamen aus der Mode, die Belegschaft wurde auf 140 Arbeiter reduziert, doch Huta Julia überlebte. Heute sind die luxuriösen Gläser wieder begehrt, und sie können mit individuellen Motiven und Schriftzügen bestellt werden – sogar auf der Hochzeitstafel von Prinz William und Catherine Middleton haben sie gefunkelt.
Gläserne Produktion
Wer die Huta Julia besucht, kann die Manufaktur der schönen Gläser verfolgen und bekommt die einzelnen Arbeitsschritte sogar auf Deutsch erklärt. In einer Vitrine stehen die Bestandteile, die ins Glas gemischt werden, um dann im Glasofen zu schmelzen.
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Entstehung einer Kristallkaraffe | Foto (C) Michael Saubert
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Mehrere Glasbläser formen aus der glühenden Masse die gewünschten Gläser.
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Bleibläser bei der Arbeit | Foto (C) Michael Saubert
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Es ist heiß, ich fange an zu schwitzen, denn ich stehe fast neben ihnen. Schritt für Schritt gehen wir die einzelnen Arbeitsgänge ab. Das Glas braucht Stunden, um zu erkalten. Dann werden mit ruhiger Hand erste Linien auf das Glas gezeichnet, die später in echte Schliffe ins Kristall umgesetzt werden. Schleifen und polieren – nur das Färben findet hinter geschlossenen Türen statt, der Prozess des Einbrennens verursacht unangenehme Dämpfe. Dann am Ende stehen die fertigen, handgemachten Produkte im Regal. Was nicht perfekt geworden ist, wird erneut geschmolzen - Glasabfall gibt es nicht.
Der Rundgang bringt dem Besucher die Produktion konkret wie übertragen nahe, zudem werden Workshops für Kinder und Erwachsene angeboten. Am Ende gibt es einen Verkaufsshop. Genau genommen sind es zwei, einer bietet die bunten Gläser an, und der andere das ungefärbte Kristall. Das, was eben durch die Hände der Glaskünstler ging, wird hier nun zu günstigen Preisen verkauft, und ich folge meiner Familientradition und erstehe zwei Gläser als schöne Klassiker, allerdings zum Gebrauch. Und für die Vitrine gönne ich mir dann doch noch einen kleinen bunten, gläsernen Apfel.
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Ellen Norten - 15. August 2016 ID 9481
Öffnungszeiten für Besucher:
Mo - Fr | 9 - 18 h
Sa, So | 9 - 17 h
Geführte Touren:
Mo - Fr | 9:30 - 17 h
Sa, So | 9:30 - 16 h
Huta Julia
ul. Żymierskiego 73
58-573 Piechowice
Polska
Weitere Infos siehe auch: http://www.hutajulia.com
Post an Dr. Ellen Norten
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