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Kulturspaziergang

Im Skulpturen-

garten des

Middelheimmuseums

von Antwerpen



The bridge without a name von Ai Weiwei
Foto: Christa Blenk


Der Riese Druon Antigone hatte sich die Rechte der Schiffspassage auf dem Fluss Schelde angeeignet. Allen Reisenden, die den geforderten Zoll nicht bezahlen konnten, hackte er umgehend die Hand ab (Antwerpen - heißt übersetzt „Hand werfen“). Das ging solange, bis der römische Soldat Silvius Brabo diesem Grauen ein Ende machte, den garstigen Giganten überwältigte und ihn kurzerhand in die Schelde warf. Kleine Kekse in Form einer Hand erinnern immer noch an diese Anekdote. Die Brabo-Legende ist eine Hypothese, wie die belgische Stadt Antwerpen zu ihrem Namen kam. Andere behaupten wiederum, dass der Name von „an de warp“ abgeleitet wurde. Eine Warft (oder Werder) ist ein Siedlungshügel aus Erde, der nicht nur vor Sturmfluten sondern auch vor Tieren und anderen Menschen schützen sollte. Sie ersten Siedler dort haben sich An der Warft nieder gelassen.

In der heutigen Zeit verbinden wir Antwerpen aber vor allem mit funkelnden Diamanten. Die flämische Hafenstadt an der Schelde besitzt den zweitgrößten Hafen Europas und gilt als wichtigster Diamantenhandelsplatz der Welt. 1.600 Diamantenfirmen haben sich in der Stadt angesiedelt. Es gibt sogar ein Diamantenmuseum. Die Zahl ist zwar gesunken, aber es sind immer noch 60 Prozent aller Rohdiamanten, die in Antwerpen gehandelt werden und das schon seit mehreren Jahrhunderten. Im 15. und 16. Jahrhundert zählte Antwerpen zu den größten Städten der Welt. Und wo Geld und Reichtum herrscht, kann auch die Kultur florieren. Antwerpen hat viele bekannte Künstler hervorgebracht, darunter die Maler Rubens, van Dyck, Jacob Jordaens und die Brueghels (der Älter und der Jüngere). Das Haus des bedeutenden Buchdruckers Christoph Plantin ist heute UNESCO-Welterbe und beinhaltet das Plantin-Moretus-Museum. Die 2016 verstorbene Stararchitektin Zaha Hadid hat vor ein paar Jahren die ehemalige Feuerwehrkaserne im alten Hafen in ein spektakuläres, an ein Diamanten-Schiff erinnerndes Glas-Gebäude verwandelt. Und: gefühlt stößt man in Antwerpen – wie überall in Belgien – alle 100 Meter auf einen Schokoladen- und Pralinenladen. Seit 1963 ist Antwerpen Partnerstadt von Rostock.

Antwerpen hat eine Oper, eine Universität, viel Kultur, ein buntes Straßenbild und das Middelheimmuseum. Und damit sind wir auch schon beim Thema:

Skulpturenparks gibt es mittlerweile überall auf der Welt. Aber der Skulpturengarten im Middelheimpark ist etwas Besonderes. Er ist viel mehr als ein Museum. Hier kann man einfach nur spazieren gehen, eine Fahrradtour machen oder sich ins Gras legen und picknicken.

Das Niveau der Sammlung ist erstklassig, die Fusion zwischen Kunst und Natur perfekt.



Aristide Maillol (Der Fluß, 1939) – im Hintergrund Jacques Lipchitz (Jakobs Kampf mit dem Engel, 1932) | Foto: Christa Blenk


Einer der Wege in den Skulpturengarten führt über die Brücke ohne Namen (The bridge without a name) von Ai Weiwei [s. Foto o.re.]. Gar nicht so leicht zu überqueren, dieses Brücken-Kunstwerk. Die asymmetrischen Erhebungen und launenhaften Stufen wirken wie eine Barriere, die man erst einmal überwinden muss, um in dieses kleine, 27 Hektar große Paradies zu gelangen. Der beeindruckende Baumbestand bildet die perfekte Kulisse für Hunderte von Kunstwerken aus über 100 Jahren. Vorgestellt werden hier nur einige wenige.

Henry Moore zählt zu den bedeutendsten Bildhauern des 20. Jahrhunderts, beeinflusst von archaischer und primitiver Kunst, entwickelten sich seine Werke mit der Zeit immer mehr hin zu einer surrealen Abstraktion. Die Skulpturengruppe König und Königin (1952) ist eine Hommage an die Märchen-Vorlesestunden mit seiner kleinen Tochter.

Rodin ist natürlich auch vertreten. Bronzezeit entstand 1876 während Rodins Brüsseler Zeit. 18 Monate stand ein junger Soldat Modell dafür. Seit 1950 stellt das Königliche Museum der schönen Künste Antwerpen das Werk als Leihgabe zur Verfügung. Die Skulptur ist nicht sofort Rodin zuzuordnen, sie ist glatter und konventioneller als die sonst von ihm bekannten Arbeiten.

So gibt es zu jeder Skulptur eine Geschichte, wie die zu Rik Wouters Das närrische Gefühl (1912). Die Bronzefigur, zu der wie sehr oft seine Frau Nel Modell gestanden hat, ist voller ausgelassener Lebensfreunde, und man kann gut verstehen, dass sie nach einer modernen Ballettaufführung mit Isadora Duncan entstanden ist. Auch dieses Kunstwerk ist eine feste Leihgabe. Wouters ist nur 34 Jahre als geworden.

Nicht weit davon entfernt stößt man auf Emile-Antoine Bourdelles energische Skulpturengruppe Herakles der Bogenschütze (1909). Sie ist eines seiner bekanntesten Werke und hat ihm viele Folgeaufträge beschert. Herakles muss in dieser mythologischen Geschichte die stymphalischen Vögel töten – eine der 12 Aufgaben, die ihm König Eurystheus aufgetragen hat.

Die zeitgenössische Skulptur von Jesús Rafael Soto Double progression Vert et Blanc war ein Auftragswerk anlässlich der 10. Middelheim-Biennale 1969. Bemalte Betoneisenstangen unterschiedlicher Länge stellen einen grünen und weißen Wald aus Stahl dar. 1958 wurde Soto der Pavillon von Venezuela bei der Weltausstellung in Brüssel übertragen.

Die Zwei Figuren für Middelheim des spanischen Künstlers Juan Muñoz hängen – getrennt von einer Straße – in zwei gegenüberliegenden Bäumen. Sie stecken in einem Sack, man sieht nur Kopf und Oberkörper, und sie langweilen wahrscheinlich. Muñoz hat hier eine Hommage an Beckets Warten auf Godot inszeniert.



Diamond shaped room with yellow light von Bruce Naumann
Foto: Christa Blenk


Die Installation Diamond shaped room with yellow light von Bruce Naumann ist eine der letzten Neuzugänge. 2018 wurde das Werk erworben, entstanden ist dieses zwischen Architektur und Installation schwebende Kunstwerk allerdings schon in den 1990er Jahren. Naumann selber hat sein Werk als einen unwirtlichen Ort beschrieben, es aber trotzdem so installiert, dass man nicht daran vorbeikommt. Ob er dabei an Diamanten gedacht hat, ist nicht festgehalten!

Beeindruckend und verwirrend die Installation von Dan Grahams Belgium funhouse. Der halbrunde und halboffene Pavillon besteht aus spiegelnden Glasplatten. Vor diesen stehen Stühle, die die Besucher einladen, Platz zu nehmen und sich ein wenig auszuruhen. Sofort merkt man aber, dass man hier in die Installation mit einbezogen wurde. Es ist nicht ganz klar, ob man Darsteller oder Publikum ist. Man beobachtet und wird beobachtet und sieht sich und die anderen leicht verzerrt und deformiert. Eigentlich sollte dieses Werk an einem anderen Ort in Antwerpen aufgestellt werden. Es wurde aber beschädigt und kam so in den Middelheimpark.

*

1993 war Antwerpen europäische Kulturhauptstadt. Aus diesem Anlass wurden der Dauerausstellung zehn zeitgenössische bedeutende Kunstwerke hinzugefügt. So kamen Richard Deacon, Isa Genzken, Per Kirkeby, Panamarenko, Matt Mullican, Bernd Lohaus, Harald Klingelhöller, Juan Muñoz und Thomas Schütte in den Park und haben dessen Gesicht leicht, aber immer zum Vorteil, verändert.

Jede Plastik hat ihren perfekten Platz gefunden, und man ist immer wieder überrascht, wie gut sich die Werke dem Ort anpassen. Beim ersten Spaziergang wird man allerdings sicher nicht alle Skulpturen und Installationen entdecken.

1971 hat der belgische Architekt Renaat Braem einen Pavillon für den Park entworfen. Dort werden Sonderausstellungen oder delikatere Werke ausgestellt. Der Springbrunnen davor ist vom belgischen Künstler Philippe Van Snick.



Barca d’Oro von Hidetoshi Nagasawa (1989 entstanden und erworben) | Foto: Christa Blenk


Zwischen den Kunstwerken wachsen 1.500 Zierapfelbäume, die der Landschaftsarchitekt Michel Desvigne pflanzte. Im Herbst bilden die kleinen, roten Äpfel auf dem Boden einen Teppich, der einem Kunstwerk gleicht. Die Hortiflora liegt im Westen der Middelheimlaan. Hier handelt es sich um den ehemaligen Blumengarten des Nachtegalenparks, der 2012 Bestandteil des Middelheimmuseums wurde.


Christa Blenk - 4. November 2019
ID 11787
Die Öffnungszeiten des Skulpturengartens im Middelheimpark hängen von der Jahreszeit ab. So ist der Park im Juni und Juli bis 21 Uhr geöffnet, im Winter werden die Tore um 17 Uhr geschlossen. Der Eintritt ist gratis. Den Park besuchen an die 300.000 Interessierte/Jahr und bietet obendrein jungen, zeitgenössische, Künstlern die Gelegenheit, dort vorübergehend ihre Installationen aufzustellen.

Weitere Infos siehe auch: https://www.middelheimmuseum.be/de


Post an Christa Blenk

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