6 mal
Kafka
à 45 min
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Bild: ARD Superfilm/Nicole Albiez
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Bewertung:
2024 ist Kafka-Jahr - am 3. Juni jährt sich der Todestag des Dichters zum 100. Mal.
In der ARD-Mediathek ist derzeit eine sechsteilige österreichische Fernsehserie von David Schalko zu sehen, in der - jeweils auf einen expliziten Schwerpunkt bezogen - Leben und Werk Franz Kafkas auf erstaunlich leichtbekömmliche Art und Weise abgehandelt werden. Ihr Regisseur steuerte auch (in Zusammenarbeit mit dem Schriftsteller Daniel Kehlmann und fußend auf eine Kafka-Biografie des Literaturwissenschaftlers Reiner Stach) das Drehbuch bei.
Als unanfechtbare Hauptattraktion dieser Filmbiografie muss der Schweizer Schauspieler Joel Basman gelten, welcher - ganz im Unterschied oder gar Gegensatz zum schönen Sabin Tambrea, der als Endzeit-Kafka in dem jüngsten Kafka-Film Die Herrlichkeit des Lebens äußerlich, aber auch innerlich, viel-viel zu rein und edel 'rüberkam - grandios diese in sich ja doch gespaltene Persönlichkeit mit all ihrer so skeptischen Distanz diesem universal Normalmenschlichen gegenüber aufs Verblüffende zum Abzieh- resp. Abbild brachte; auch rein physiognomisch war'n gewisse Wesensparallelen oder sogar Ähnlichkeiten zu den uns bekannten Kafka-Fotos feststellbar.
Alle sechs FIlm-Episoden sind, durchaus voneinander unabhängig, anseh-/ anhörbar:
Episode 1: Max
David Kross (als Max Brod) behelligt und bedrängt den fast gleichaltrigen Studien- sowie später lebenslangen (Dichter-)Freund, dass der gefälligst schreiben, schreiben, schreiben soll; er knüpft Kontakte zu Verlegern, rennt ihnen die Bude ein und schafft es, dass ab 1908 erste Erzählungen von Kafka nach und nach veröffentlicht werden... Kafka selbst kaut schnell und lang, meist Nüsse, und 40 mal hintereinander sollte zugebissen werden, ehe man's herunterschluckt; auch macht er Gymnastikübungen.
Episode 2: Felice
Lia von Blarer (als Felice Bauer) wird von Kafka mit hunderten von Briefen zugeschrieben; sie genießt es anfangs, beide wollen heiraten, aber die Heirat wird von ihm dann immer wieder auf die lange Bank geschoben, bis sie letztlich doch dann nicht zustandekommt... Folterinstrument und Folteropfer analog der Kafka-Erzählung In der Strafkolonie werden rücksichtslos gezeigt; ein Horroranblick... Lars Eidinger (als Kafka-Bewunderer Rilke) tritt am Rande erstmals auf.
Episode 3: Familie
Nicholas Ofczarek (als Hermann Kafka) & Marie-Lou Sellem (als Julie Kafka) betreiben einen Galanterie- und Kurzwarenladen; die Kafka-Familie - zusätzlich bestehend aus Kafkas Schwestern Elli, Valli und Ottla (Mariam Avaliani, Naemi Latzer und Maresi Riegner) - sitzt bei Tisch und isst, der Vater rastet immer wieder aus... Kafka wird als Miteigentümer einer Asbestfabrik eingetragen, er soll sich um das Buchhalterische kümmern; die Fabrik wirft allerdings keinen Gewinn ab... Konstantin Frank (als jüdisch-polnischer Schauspieler Jizchak Löwy, den K. bei einem Theaterbesuch kennenlernte) wird von K. nach Hause eingeladen; Kafkas Vater lehnt ihn kategorisch ab... Kafka begreift seine Existenz im familiären Haus und Umfeld als verachtetes, verstoßenswertes Ungeziefer; Die Verwandlung wird gezeigt.
Episode 4: Bureau
Kafka gilt als sachkundige Instanz der böhmischen Allgemeinen Arbeiter-Unfallversicherung, wo er Zeit seines Lebens angestellt ist; seine fachliche Kompetenz ist gefragt, auch wird er um sein literarisches Urteil zu pseudoschriftstellerischen Laienergüssen seiner Vorgesetzten und Kollegen gebeten, zum eigenen Schreiben bleibt ihm kaum noch Zeit; er wirkt als Prozess-Sachverständiger; während des Ersten Weltkrieges kommen zunehmend mehr Versehrtenfälle auf ihn zu, weil sich die Versicherung außer um Arbeitsunfälle jetzt auch um Kriegsverletzungen ihrer Klienten kümmern muss... Kafka übersteht die Spanische Grippe.
Episode 5: Milena
Liv Lisa Fries (als Übersetzerin Milena Jesenská) spaziert mit Kafka durch den Wienerwald und nennt ihn Frank statt Franz; beide mögen (lieben?) sich, aber sie ist bereits "vergeben"... Das sog. Naturtheater von Oklahoma, aus Kafkas Der Verschollene (Amerika), kommt immer wieder kurz ins Spiel.
Episode 6: Dora
Tamara Romera Ginés (als Dora Dymant) ist die letzte Frau in Kafkas Leben; sie begleitet ihn bis zu seinem grauenvollen Tod (Lungen-, Kehlkopfkrebs) - zuvor ziehen sie kurz nach Berlin, wo ihnen Katharina Thalbach (als Wohnungvermieterin) brutalst zusetzt; dann geht es auf zur letzten Lebensstation, einem Höhensanatorium in Spindlermühle, Kafka halluziniert in Manier seines unvollendeten Romans Das Schloss... Nachdem er auf dem Totenbett Max Brod beschwört, alle seine Werke zu vernichten, tut er fast das Gleiche mit Dora:
"Dora Dymant behielt, gegen Franz Kafkas Absicht, von seinen Notizheften eine unbekannte Anzahl – und unbekannten Inhalts – in ihrem Besitz. Diese wurden zusammen mit ihren übrigen Papieren bei einer Razzia der Gestapo im Jahre 1933 aus ihrer Wohnung gestohlen und sind bis heute wohl im Bundesarchiv verschollen, ebenso wie Franz Kafkas Briefe an Dora Dymant." (Quelle: Wikipedia)
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David Koss (als Max Brod) und Joel Basman (als Franz Kafka) | Bild: NDR/Superfilm
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Michael Maertens ist als Erzähler zu hören.
Hat man wenigstens eine der sechs Kafka-Episoden in sich rein gezogen, weiß man viel, viel mehr von/ über ihn als vor der Kafka-Inbeschaunahme.
Das Beste, was ich bisher sah, um an den Kafka anno '24 zu erinnern.
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Andre Sokolowski - 6. April 2024 ID 14687
Weitere Infos siehe auch: https://de.wikipedia.org/wiki/Kafka_(Fernsehserie)
https://www.andre-sokolowski.de
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