Kunst zwischen
Anspruch und
Kommerz
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Bewertung:
Daniel Richter (geb. 1962) gehört zusammen mit Neo Rauch zu den ehemaligen „jungen Wilden“, deren Bilder auf dem Kunstmarkt heute mit sechs- bis siebenstelligen Summen gehandelt werden. Beide haben sich unabhängig voneinander ihren Platz im Maler-Olymp erworben. Der Regisseur Pepe Danquart hat sich einen Namen als Dokumentarfilmer gemacht, der oft Gegenwartsthemen reflektiert. Den Maler Daniel Richter hat er drei Jahre lang mit der Kamera begleitet, und da der Film um ihn kreist, heißt er auch schlicht so: Daniel Richter. Kunst kann man eigentlich nicht erklären, obwohl Richter das eifrig tut, aber Danquart macht das Nächstliegende, er beobachtet den Künstler bei der Arbeit.
Das ist interessant und stellenweise unterhaltsam, wenn seine zwei kleinen Papageien, die frei im Studio herumfliegen dürfen, sich auf Schulter, Kopf und Bilder setzen, wobei sie von letzteren weggelockt werden, denn sie knabbern gern. Richter macht zwischendurch auch Yoga-Übungen und steht im wahrsten Sinne des Wortes Kopf. Ansonsten erzählt er viel, analysiert sich selbst sowie gesellschaftliche und politische Geschehnisse. Da sind also zwei Gleichgesinnte zusammengekommen. Und in der Tat kann man nach den fast zwei Stunden Dokumentation seinen Bildern näherkommen, vielleicht sind sie nicht bis ins Detail zu entschlüsseln, aber ihre Wirkung entfaltet sich doch; und letztendlich sollte jedes Kunstwerk auch sein Geheimnis bewahren dürfen.
In den 1980er Jahren war Richter Hausbesetzer in der berühmten Hafenstraße in Hamburg, hörte Punkmusik und malte Labels für Schallplatten. Mit 30 Jahren studierte er bei Werner Büttner, Albert Oehlen und Martin Kippenberger und wurde relativ schnell berühmt. Zu seinen Studienkollegen gehörten Jonathan Meese und Tal R, die seinen Werdegang über die letzten Jahrzehnte mitverfolgen konnten und darüber berichten, wie auch der renommierte Kunstsammler Harald Falckenberg, der Richters Potential früh erkannt hat. - Hella Pohl bekommt seine neuen Werke als eine der ersten zu sehen und begutachtet sie im Hinblick auf die nächste Ausstellung und auch der Galerist Jorg Grimm, der Anfang 2020 eine Werkschau in New York organisierte, kommt zu Wort. Und doch entziehen sich seine Bilder immer wieder der Interpretation, auch wenn es an Erklärungsversuchen nicht mangelt. Richter fing mit abstrakter Malerei an, wurde dann gegenständlicher und hat erfolgreich einen gemischten Stil erschaffen. Danquart erklärt, warum er den Film über diesen engagierten Künstler gemacht hat:
"Wann also wenn nicht jetzt seine Bilder filmisch in den Fokus rücken, wo die erste Welt und ihre Bewohner sich über neoliberalistisches Konsumverhalten definieren, in der rechtspopulistisch orientierte Regime überall auf der Welt an die Macht drängen, Krieg plötzlich wieder in der Luft liegt bzw. stattfindet und Daniel Richter genau jetzt mit Tusche und Feder und dem Motiv einer Feldpostkarte aus dem 1. Weltkrieg künstlerisch neben seiner Malerei sich dem Publikum zuwendet, als ein kleines Zeichen gegen diese Strömungen der gesellschaftlichen Verrohung. - Seine aktuellen Collagen, die immer auch entstehen im breit angelegten künstlerischen Prozess und ausgestellt werden, thematisieren unter anderem den Missbrauch männlicher Dominanz über den weiblichen Körper, ja Körper überhaupt, die Gewalt und Sexualität thematisieren."
Richters Werke sind mittlerweile Bestandteil des internationalen Kunstmarkts geworden, und er malt seine Bilder schon eingedenk der Art und Weise, wie sie in der Galerie zusammenpassen. Von dem Unangepassten und einstigen Wilden ist da nicht mehr viel zu spüren. Er kontaktiert von sich aus die Herausgeberin Eva Meyer-Hermann, mit der er an einem Bildband arbeitet, der seine Kunst ganz traditionell und chronologisch dokumentiert Daniel Richter: Bilder von früh bis heute, arbeitet also an seinem eigenen Image: Das Buch ist im Mai 2023 erschienen.
Der wortreiche Film lässt sich im Prinzip nicht zusammenfassen, doch wenn man die Bilder dann in den Galerien hängen sieht, dann versteht man schon, warum Richter so hoch gehandelt wird. Vergleicht man Danquarts Dokumentation aber mit der von Nicola Graef (Neo Rauch – Gefährten und Begleiter, 2017), dann erfahren wir dort wesentlich mehr. Graef bezieht die Biografie, den Menschen, mit ein, was Rauch geprägt hat und auch in seine Kunst eingeflossen ist, deren Wahrhaftigkeit und Substanz dadurch sehr deutlich wird. Deswegen hat man einen viel ausgeprägteren Zugang zu dem Maler und seinem Werk, als das bei Daniel Richter der Fall ist, bei dem sich alles nur um seine Bilder dreht ohne großen Bezug zu Lebensereignissen oder prägenden Erfahrungen. Natürlich gewinnen wir einen Eindruck von der durchaus sympathischen Persönlichkeit Richters, seinem Humor, seiner Kritikfähigkeit, seinem Drang, seine Vorstellungen Bild werden zu lassen, und auch von seinen Widersprüchen. Schlussendlich ist ein respektabler Film dabei herausgekommen, der durch seinen Schauwert einen besonderen Blick auf Richters Bilder erlaubt, den es außerhalb einer solchen Dokumentation und eines hingebungsvollen Langzeitprojekts nicht gäbe.
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Helga Fitzner, 15. Juli 2023 ID 14292
Weitere Infos siehe auch: https://www.weltkino.de/filme/daniel-richter
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