Filme, Kino & TV
Kunst, Fotografie & Neue Medien
Literatur
Musik
Theater
 
Redaktion, Impressum, Kontakt
Spenden, Spendenaufruf
Mediadaten, Werbung
 
Kulturtermine
 

Bitte spenden Sie!

KULTURA-EXTRA durchsuchen...

DVD-Kritik

Zwischen

Sehnsucht

und Starrsinn



Bewertung:    



Loderndes Begehren vor der Kulisse der rauen Pazifikküste Südchiles: Inmitten atemberaubender Felsenlandschaften fängt Kameramann Nicolás Ibieta in einer Szene Nahaufnahmen eines Fuchses in einer Burgruine ein. Im malerischen Küstendorf Niebla treffen ein angehender Architekturstudent und ein junger Hafenarbeiter aufeinander. Der chilenische Film Die Starken (Los Fuertes, 2019) handelt vom Kennenlernen und der leidenschaftlichen Liebe zweier attraktiver, stolzer und introvertierter junger Männer. Der Kinofilm beruht auf einen Kurzfilm. Omar Zúñiga gewann 2015 für seinen 29-Minüter San Cristóbal auf der BERLINALE einen Teddy in der Kategorie Best Short Film. Der mittlerweile 35jährige Regisseur verfilmte die damalige Geschichte nun als Langfilm: Antonio Altamirano mimt erneut den Fischer Antonio, Samuel González spielt neuerlich die Rolle des Studenten Lucas.

Lucas besucht in Niebla seine Schwester Catalina (Marcela Salinas), die als Zahnärztin arbeitet. Im Garten der Schwester trifft er auf den Enkel der Bediensteten Adriana (Gabriela Fernández), Antonio. Er hilft Antonio beim Tragen von angeliefertem Kaminholz. Bei der kurzen Begegnung deuten vielsagende Blicke an, dass es zwischen den Männern gefunkt haben könnte. Er sieht den Sardinenfischer Antonio bei einem Reenactment einer historischen Schlacht wieder: dem Kampf um Niebla im Oktober 1820. In diesem Schaukampf spielt Antonio mit anderen Männern der Region historisch kostümiert die Ereignisse von damals nach. Im Anschluss der Veranstaltung treffen sich Lucas und Antonio an einem Kürbisfladenstand und kommen sich alsbald näher.

Lucas ist bereits in der Familie geoutet, spricht seit seinem Coming Out jedoch nicht mehr mit den traditionsverhaftet konservativen Eltern. Er will mit den familiären Wurzeln brechen und möchte sich von seiner Schwester verabschieden, bevor er ein Stipendium für ein Architekturstudium im kanadischen Montreal aufnimmt. Die Begegnung mit Antonio erschwert diesen Abschied. Beide unternehmen Ausflüge im Umland zu Fuß, mit Fahrrädern und mit dem Hund der Schwester. Ihre Gespräche sind kurz. Samuel González mimt Lucas als beharrlich und in sich gekehrt verletzlich. Antonio Altamirano zeichnet seinen Antonio als emotional tiefbewegt von der Begegnung mit Lucas und als impulsiv, wenn er von Kollegen wegen seiner Homosexualität ausgegrenzt und benachteiligt wird. Beide deuten zaghaft in kurzen Gesprächen an, dass sie sich eine gemeinsame Zukunft wünschen würden.

Lucas und Antonio rebellieren auf unterschiedliche Weise gegen die Begrenzungen des Dorfes. In Chile wurde in der Vergangenheit Homosexualität stark tabuisiert. Die LGBT-Community ist im Vergleich zu anderen südamerikanischen Staaten eher klein. Die Intoleranz der Dorfbewohner gegenüber dem offen schwulen Lucas wird in kurzen Szenen angedeutet, wenn dieser nachts in der Straße mit kleinen Steinen beworfen wird. Obwohl Lucas Antonio mit der Engstirnigkeit des Dorfes konfrontiert, möchte Antonio seiner Heimatregion nicht den Rücken kehren. Er ist hier nicht nur beruflich fest verankert. Er kümmert sich auch hingebungsvoll um seine Großmutter.

Es hat der Geschichte gutgetan, dass sie auf Spielfilmlänge erweitert wurde. So bereichern Die Starken sehenswerte Aufnahmen, bei denen wir Antonio als Vorarbeiter während der Fischerei im Meer erleben. Lucas wird hingegen gezeigt, wenn er zeichnerisch seine unmittelbare Umgebung festhält. Auch impulsive Körperlichkeit prägt den Film. Die Starken ist erst ab sechzehn Jahren freigegeben und enthält einige explizite Szenen. Diese intimen Momente wurden jedoch behutsam und wenig reißerisch aufgezeichnet. Sie porträtieren vor allem die hingebungsvolle Unbeherrschtheit der beiden Männer. Authentisch pfeift hier zum Höhepunkt ein vor dem leidenschaftlichen Austausch von Zärtlichkeiten aufgesetzter Teekessel. Und am Morgen danach meint Antonio zu Lucas: „Du schnarchst wie ein Rhinozeros.“ Ein sinnlicher und melancholischer Liebesfilm, der die eigene Verortetheit befragt, wenn man bewusst ungebunden und frei sein möchte.



Die Starken | (C) Edition Salzgeber

Ansgar Skoda - 13. Dezember 2020
ID 12649

Weitere Infos siehe auch: https://salzgeber.de/diestarken


Post an Ansgar Skoda

skoda-webservice.de

DVD-Kritiken

Neues deutsches Kino



Hat Ihnen der Beitrag gefallen?

Unterstützen auch Sie KULTURA-EXTRA!



Vielen Dank.



 

FILM Inhalt:

Rothschilds Kolumnen

BERLINALE

DOKUMENTARFILME

DVD

EUROPÄISCHES JUDENTUM IM FILM
Reihe von Helga Fitzner

FERNSEHFILME

HEIMKINO

INTERVIEWS

NEUES DEUTSCHES KINO

SPIELFILME

TATORT IM ERSTEN
Gesehen von Bobby King

UNSERE NEUE GESCHICHTE


Bewertungsmaßstäbe:


= nicht zu toppen


= schon gut


= geht so


= na ja


= katastrophal

 


Home     Datenschutz     Impressum     FILM     KUNST     LITERATUR     MUSIK     THEATER     Archiv     Termine

Rechtshinweis
Für alle von dieser Homepage auf andere Internetseiten gesetzten Links gilt, dass wir keinerlei Einfluss auf deren Gestaltung und Inhalte haben!!

© 1999-2024 KULTURA-EXTRA (Alle Beiträge unterliegen dem Copyright der jeweiligen Autoren, Künstler und Institutionen. Widerrechtliche Weiterverbreitung ist strafbar!)