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Feuilleton

25. FilmFestival Cottbus

Zwei politische Dokumentarfilme



Seit seinem Start 1991 als von ortsansässigen Filmclubenthusiasten organisierte osteuropäische Filmschau hat sich das FilmFestival Cottbus kontinuierlich weiterentwickelt und bietet im 25. Jahr mit einem Programm von über 200 Produktionen aus mehr als 40 teilweise miteinander kooperierenden Ländern einen mittlerweile recht guten Überblick über das Filmschaffen in Ost- und Südosteuropa. Dazu vergeben durchweg prominent besetzte Festival-Jurys Preisgelder im Gesamtwert von immerhin fast 80.000 Euro. Neben dem jährlichen Spielfilmwettbewerb mit 12 Produktionen von 14 verschiedenen Kooperationsländern aus der unmittelbaren Nachbarschaft Deutschlands, den Ländern des Balkans über Russland bis ins ferne Kirgisistan bot das Festival auch eine Filmreihe zum Thema „Islam in Osteuropa“ und setzte den speziellen Fokus auf das „Osteuropa der Städte“.

*

Wie immer setzen sich dabei die FilmemacherInnen aus dem ehemaligen Ostblock auch mit der aktuellen Lage und Entwicklungsproblemen in ihren Ländern sowie geopolitischen Themen wie der europäischen Flüchtlingskrise auseinander. So hat sich das Cottbuser Festival in diesem Jahr verstärkt dem Dokumentarfilm geöffnet, der sehr viel schneller auf aktuelle Probleme reagieren kann als langwierig entwickelte und finanzierte Spielfilmproduktionen. Beispiel dafür ist der Dokumentarfilm Logbook_Serbistan (Destination_Serbistan) des serbischen Regisseurs und Chefs der diesjährigen Spielfilmjury Želimir Žilnik, der in einer Spezialaufführung gezeigt wurde. Er ist 2013 noch vor Beginn des aktuellen Stroms mit einem kleinen Filmteam auf der sogenannten Balkanroute Flüchtlingen aus Afrika und Syrien gefolgt und hat dabei ein eindrucksvolles filmisches Portrait dieser sehr unterschiedlichen Menschen erstellt. Ohne eingreifende Kommentare beobachtet der Film die Flüchtlinge auf ihrem langen Weg, nimmt ihre Gespräche auf, die sich um Ängste und Hoffnungen drehen sowie die Situation in ihren Ländern reflektieren und die Ziele ihrer Flucht beschreiben.

Es ist dabei aber auch ein sehr interessanter Beitrag zur europäischen Willkommenskultur entstanden. Žilnik hat entgegen anders lautenden Berichten aus den Medien ein über weite Strecken freundliches Bild seiner Landsleute zeichnen können. Am Beispiel zweier afrikanischer Flüchtlinge aus Ghana und einer Familie aus Somalia zeigt er, wie die Bewohner besonders in den ärmlicheren, ländlichen Regionen den Flüchtlingen auf ihrem Weg zur ungarischen Grenze immer wieder aufgeschlossen und hilfsbereit entgegenkommen. Der Regisseur drehte entlang der Reiseroute der Flüchtlinge in Aufnahmelagern oder bei Bauern der Umgebung, zeigt hilfreiche Taxifahrer, Dolmetscher und Lagermitarbeiter bei ihrer schwierigen Arbeit und ist zusammen mit den Flüchtlingen sogar auf einem serbischen Volksfest gewesen.

Žilnik begründet das Handeln der Serben auch mit ihrer Geschichte, die ganz ähnlich der syrischen mit Bürgerkrieg und Flucht während des Zerfalls Jugoslawiens zusammenhängt. Er geht dabei sogar bis in die Zeit der ersten Gastarbeiter in den 1960er und 70er Jahren zurück. Auch heute arbeiten noch sehr viele Serben in Westeuropa und unterstützen damit ihre Familien daheim. Sicher hat sich die momentane Situation auf der Flüchtlingsroute von Syrien über die Türkei, Mazedonien und Serbien weiter verschärft. Aber als Beispiel, dass ein Volk sich auch mit dem Schicksal der Kriegs- und Wirtschaftsflüchtlinge identifizieren kann, und ihnen nicht nur wie in den Zielländern Westeuropas größtenteils ablehnend gegenübersteht, ist der Film letztendlich auch eine schöne europäische Utopie.



Logbook_Serbistan (Destination_Serbistan) | (C) FilmFestival Cottbus


Eine weitere aktuelle Krisenregion am östlichen Rand Europas zeigt die russische Regisseurin Inna Denisova in ihrem Dokumentarfilm Heimkehr (Back Home), der im Fokus zu sehen war. Die 1977 in Simferopol (Krim) geborene Regisseurin beschreibt darin ihre kurzzeitige Rückkehr an die Orte ihrer Kindheit nach dem völkerrechtlich umstrittenen Anschluss der Krim an Russland. Dabei geht es ihr nicht vorrangig um eine antirussische oder proukrainische Position, sondern darum, das Leben der Menschen auf der Krim nach der in ihren Augen unrechtmäßigen Annexion Russlands im April 2014 zu dokumentieren. Sie trifft dabei auf alte Freundinnen, mit denen sie Erinnerungen an die Kindheit in der Sowjetunion austauscht, aber auch deren Ansichten zur heutigen Situation wiedergibt, über die die Frauen weitestgehend zerstritten sind, oder sich nicht direkt äußern wollen.

Inna Denisova beschreibt auch die vorwiegend positive Haltung der meisten Bewohner der Krim, die jetzt zu Russland zu gehören. Für die meisten Russen ist die Krim eben traditionell russisch, was sie vor allem mit der Geschichte der Angliederung durch Katharina die Große begründen. Immerhin auch eine Geschichte russischer Kolonisation. In Interviews kommen aber auch Bedenken zur momentanen finanziellen Situation der Menschen zum Ausdruck, die in den Urlaubsorten wie Jalta unter dem Wegbleiben der Touristen aus der Ukraine leiden. Die erste Euphorie nach dem Anschluss scheint zum Teil verflogen. Die Regisseurin trifft sich auch mit Künstlern und politischen Aktivisten, die die Annahme der russischen Staatsbürgerschaft ablehnen und sich nun staatlichen Repressionen ausgesetzt sehen. Der Film begleitet die Ausreise des ukrainischen Theatermachers Nikolay Lapunov, der 15 Jahre auf der Krim lebte und in dieser Zeit gut mit heute prorussischen Kollegen zusammengearbeitet hat. Deren Haltung gegenüber Lapunow oder auch den Krimtataren hat sich aber so weit verschärft, dass es ihm unmöglich geworden ist, weiter mit den Russen auf der Krim Theater zu machen.

Die Leiterin einer kleinen unabhängigen Galerie und eine ukrainische Bürgerrechtlerin beschreiben ebenfalls die zunehmend nationalistische Stimmung. In großen und von Russland subventionierten Shows stellen die Mitglieder der Rockergruppe Nachtwölfe einseitig Ereignisse der russischen Geschichte vom Großen Vaterländischen Krieg bis zu den Kämpfen auf dem Kiewer Maidan nach. Die Galerie in Simferopol ist mittlerweile geschlossen, und die beiden Frauen sind ebenfalls ausgereist. Was die Regisseurin vor allem kritisiert, ist die Haltung der Russen, die keine gegensätzlichen Meinungen zu den Ereignissen oder Opposition im Land dulden. Nebenbei streift der Film auch den Gerichtsprozess um den Filmregisseur Oleg Sentsov, der nach Anschuldigungen terroristische Anschläge geplant hätte, zu 20 Jahren Haft verurteilt wurde. Inna Denisova beklagt aber vor allem, den Verlust eines Stücks Heimat und die Unerbittlichkeit, wie um die Zugehörigkeit der Krim gestritten wird. Sie hat ein kleines Modell ihrer Krim für ihre Tochter gebaut, das am Ende symbolisch auseinandergenommen wird. Eine große Zukunft, wie sie von Russland beschworen wird, sieht sie für die Krim nicht.



Heimkehr (Back Home) | (C) FilmFestival Cottbus

Stefan Bock - 7. November 2015
ID 8969
Weitere Infos siehe auch: http://www.filmfestivalcottbus.de


Post an Stefan Bock

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